EU und Freihandelsabkommen: Menschenrechte sind zu teuer
Auch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zeigt: Die EU verzichtet gern auf Sanktionen wegen Rechtsverstößen.
BRÜSSEL taz | Die EU kann nicht genug kriegen von Freihandelsabkommen. Vor allem Handelskommissar Karel De Gucht lobt das wirtschaftliche Potenzial der Marktöffnung. „Freihandelsabkommen sind gerade in der Krise besonders wichtig. Sie sorgen für Wachstum und Arbeitsplätze“, sagt Matthias Jörgensen, ein Unterhändler von De Gucht, der das Abkommen mit Peru und Kolumbien mit ausgehandelt hat. Das Bruttoinlandsprodukt der EU kann um bis zu 2 Prozent wachsen, prognostiziert die EU-Kommission, wenn sie mit allen Wunschpartnern Abkommen zu ihren Bedingungen schließt.
Bis dahin ist es ein langer Weg. Bisher bestehen Freihandelsverträge nur mit Südkorea sowie Kolumbien und Peru. Aber die EU-Kommission verhandelt eifrig mit Indien, den Mercosur-Ländern Südamerikas, Vietnam und Malaysia. Die Verhandlungen mit Singapur stehen kurz vor dem Abschluss, und auch Japan steht auf der Wunschliste der Europäer.
„Die bilateralen Abkommen machen den Multilateralismus absurd. Die Gefahr ist, dass die USA und EU mit ihrem Abkommen internationale Standards festlegen, die dann von allen anderen übernommen werden müssen“, sagt die grüne EU-Abgeordnete Ska Keller.
Umweltstandards und Menschenrechte kommen bei den Verhandlungen oft zu kurz. Aus einem Briefwechsel zwischen der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im EU-Parlament, Barbara Lochbihler, und dem EU-Handelskommissar, der der taz vorliegt, geht hervor, dass im Vertrag mit Vietnam die Achtung der Menschenrechte keine Rolle spielen soll. „Menschenrechte werden nicht Teil des Freihandelsabkommens sein. Aber es wird einen Hinweis auf die Klauseln des Partnerschaftsabkommens geben“, schreibt De Gucht. Würden die Klauseln verletzt, hätte das Auswirkungen auf alle Beziehungen – auch die wirtschaftlichen.
Das Beispiel Vietnam
Allerdings bleiben auch im Partnerschaftsabkommen die Menschenrechtsklauseln vage. Außerdem gibt es keine Sanktionen. „Für die EU-Kommission sind Menschenrechte nur in Sonntagsreden wichtig. Mit den Freihandelsabkommen hätte man ein konkretes Druckmittel auf die vietnamesische Regierung. Aber die Chance wird nicht genutzt“, sagt Lochbihler.
Die EU-Verträge sagen etwas anderes. Hier heißt es, dass die Respektierung von Menschenrechten, Freiheit und Demokratie auch in der internationalen Handelspolitik beachtet werden muss. Aber der Fall Vietnam zeigt, dass dies nicht der Fall ist. In dem Land stehen die Medien weitgehend unter staatlicher Kontrolle. Kritische Blogger und andere Menschenrechtsverteidiger werden eingeschüchtert und landen auch ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis.
De Gucht verweist auf Vorzeigeprojekte der EU, die Menschenrechtler unterstützen. Außerdem entstehe durch ein Freihandelsabkommen Wachstum. „Dies ist ein Schlüsselfaktor für nachhaltiges Wachstum und die Durchsetzung von Menschenrechten“, sagt er. „Da gibt es keinen Automatismus“, widerspricht Lochbhiler. „Mehr wirtschaftlicher Erfolg gibt einer Regierung mehr Glaubwürdigkeit und nimmt den Druck, etwas zu ändern.“
Vietnam ist kein Einzelfall. Das Abkommen mit Kolumbien wurde 2012 unterzeichnet, obwohl in keinem anderen Staat der Welt so viele Gewerkschafter ermordet werden wie in Kolumbien und Guatemala. Eine Studie der linken Fraktion im EU-Parlament zeigt, dass mit dem Freihandelsabkommen Geldwäsche, Steuerflucht und Drogenhandel zunehmen. „Das Abkommen nimmt viel zu früh den Druck von der Politik, Menschenrechtsverletzungen aufzuarbeiten und zu verhindern“, sagt der linke EU-Abgeordnete Jürgen Klute.
Leser*innenkommentare
Hady Khalil
Gast
Vorstellungsbesuch
Gestern war ja der neue amerikanische Außenminister Kerry bei seinem Vorstellungsbesuch in Berlin. Ich finde das schon ansich bemerkenswert, das der US-Außenminister zuerst Deutschland besucht. Es soll ua. Auch um ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA gegangen sein. Das klingt gut, aber was bedeutet das eigentlich? Vielleicht steht das in irgendwelchen Fachartikeln, aber dafür bezahlt man mir zuwenig mich durch so eine langweilige Materie zu quälen. Außer, das sich Geschäftsleute die Hände reiben. Was Freihandelszone in der Vergangenheit bedeutet hat, will ich lieber nicht sprechen. Da über die Medien das nicht erklärt wird, oder villeicht gar nicht bekannt, weil geheim ist, leg ich mal vor und schreib, was das auch sein könnte, oder ich mir wünschen würde, was das bedeutet. Es werden nicht einfach die Zölle abgeschafft, sondern gesenkt und für alle Produkte, die nicht aus fairer Produktion kommen, alsomit Mindestlöhnen statt Billiglöhnen bis Sklavenarbeit hergestellt sind, sind entweder Verboten einzuführen, oder hohen Sonderzöllen belegt, um die Einheimischen Märkte zu schützen. Anzustreben ist eine ausgeglichene Handelsbilanz. Alle Waren aus umweltfreundlicher Herstellung, oder der Umweltschonung dienen werden begünstigt und umgekehrt. Vor einigen Tagen hielt ein CDU Abgeordneter eine Rede und entgegnete auf eine Kritik: Es gibt ca 800 000 Finanzprodukte auf den Finanzmärkten. Soll man die alle kontrollieren“ Was ist das eigentlich für eine Frage. Hat man denn gar nichts aus der Krise gelernt. Zum Mitschreiben: JA, die muss man alle kontrollieren, oder vom Markt nehmen, es sei denn, man will den betrügerischen Blasenkapitalismus befördern. Dies solte auch Teil des Handelsabkommens mit den USA sein.
hans
Gast
Menschenrechte waren der EC & EP schon immer egal (genauso wie die Umwelt). Das will die Lobby der großen Unternehmen so, also bekommen sie es auch.
Agrarpolitik? Immigrationspolitik? Fischereipolitik? (mit ihrer lachhaften GFP ist die EU sogar noch weit hinter den USA in Sachen Nachhaltigkeit, und das will was heißen)
Egal wo man hinschaut, überall dasselbe.
Franz Pet
Gast
Hilfe, wir werden amerikanisiert!
EU-Kommission?
Gast
Komisch, ich kann mich gar nicht erinnern, daß die gewählt wurden von irgendeinem Bürger.
Und die sollen was zu bestimmen haben?
Warum?