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EU schont Malta, Irland und LuxemburgSteueroasen? Welche Steueroasen?

Europa gehen jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro an Einnahmen wegen Buchungstricks flöten. Schuld sind Steuerparadiese. Doch einige schont die EU.

In Irland haben es die Steuerschummler (im Hintergrund Apple) gut – und die Kühe Foto: afp

Die schwarze Liste der Steueroasen, die die EU-Finanzminister am Dienstag beschließen wollen, enthält keine Länder der Europäischen Union. Malta taucht darin ebenso wenig auf wie Irland oder die Niederlande, die wegen ihrer Steuersparmodelle in der Kritik stehen. Zudem sind zunächst keine Sanktionen gegen „nicht kooperative“ Länder geplant, sagten EU-Diplomaten.

Zwar ist die schwarze Liste noch nicht fertig; offiziell läuft die Frist erst kurz vor dem Treffen am Dienstag ab. Bis dahin können sich insgesamt 92 als Steueroasen verdächtigte Staaten und „Jurisdiktionen“ – wie die britischen Kanalinseln – noch zur Zusammenarbeit mit der EU bereit erklären. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Endergebnis enttäuschend ausfallen wird.

Die 28 EU-Staaten wurden von vornherein ausgenommen, da sie angeblich alle die Transparenzrichtlinien der OECD und andere internationale Standards umsetzen. „Es hat auch keine Selbstanzeigen gegeben“, scherzte ein EU-Diplomat. Geldwäsche auf Malta oder Briefkastenfirmen in den Niederlanden werden also ebenso wenig an den Pranger gestellt wie Steuer­sparmodelle in Irland oder Luxemburg.

Die EU-Finanzminister wollen offenbar keinen der ihren anschwärzen. Doch auch bei sogenannten Drittstaaten – also Nicht-EU-Mitgliedern – sind sie überraschend zögerlich. Von den 92 verdächtigen Staaten dürften am Ende höchstens 20 übrig bleiben, die tatsächlich als „nicht kooperativ“ eingestuft werden. Und selbst diese 20 Steueroasen müssen vorerst keine Strafen fürchten.

Man wollte hart durchgreifen

Über „Defensivmaßnahmen“ werde man erst im kommenden Jahr beraten, hieß es vor dem Treffen der Finanzminister in Brüssel. Dabei hatte es beim letzten Ratstreffen im November noch ganz anders geklungen. Unter dem Eindruck der Paradise Papers forderten mehrere Minister ein hartes Durchgreifen.

Frankreichs Kassenwart Bruno Le Maire setzte sich dafür ein, den Sündern Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank zu streichen. Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) verlangte „ein klares Ergebnis mit Signalwirkung“. Das zeichnet sich nun nicht mehr ab. Man werde einige Länder an den Pranger stellen, sagte ein Diplomat. Mehr sei bisher nicht drin.

Schweigekartell aus Superreichen und Finanzbürokratien

Udo Bullmann, SPD

Die EU-Kommission will sich mit diesem mageren Ergebnis aber nicht zufrieden stellen. Die schwarze Liste sei „die Liste der Finanzminister“, nicht die der Kommission, sagte Währungskommissar Pierre Moscovici. Es klang, als wolle er sich schon vorher davon distanzieren. Man müsse mehr Ehrgeiz an den Tag legen, forderte der Franzose.

Druck kommt auch aus dem EU-Parlament. Der SPD-Politiker Udo Bullmann forderte, das „Schweigekartell der Unternehmen, der Superreichen und der Finanzbehörden“ zu brechen. Der Finanzexperte der Grünen, Sven Giegold, forderte das Parlament auf, „seine Machtmittel zu nutzen“ und die Mitgliedstaaten unter Druck zu setzen.

Durch Steuertricks internationaler Konzerne wie Apple oder Nike gehen den EU-Staaten nach Schätzungen jährlich rund 60 Milliarden Euro verloren. Nach der umstrittenen Steuerreform in den USA könnten es sogar noch mehr werden. Wie man mit den Amerikanern und ihren Steuersparmodellen umgeht, dürfte zu den spannendsten Themen beim Treffen der Finanzminister zählen.

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5 Kommentare

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  • 60 Milliarden ist eine Menge Geld. Doch wenn man diese Summe dem gegenüberstellt, was jährlich nur in Deutschland in Form von Steuergeldverschwendungen, Setzen falscher Prioritäten und Klüngelwirtschaft verloren geht, dann sind gegenüber dem auch 60 Milliarden fast schon wieder Peanuts.

  • Natürlich schwärzt die EU keine EU-Staaten dabei an. Da ist zum einen das US-Modell, welches die ausländischen Steueroasen streng verfolgt aber die eigenen Steueroasen protegiert. Dieses Verhalten wird von der EU zunehmend kopiert. Zum anderen würde eine Auflistung eines EU-Staates bedeuten, dass die EU-Kommission hier untätig gewesen wäre. Sie würde sich also damit selbst an den Pranger stellen. Das will sie natürlich nicht.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wundert sich angesichts der umfassenden Verfilzung wirklich ernsthaft jemand darüber, dass die Ergebnisse im vorliegenden Fall so ausfallen?

     

    Der gestrige Beitrag der ARD (linker Umtriebe gänzlich unverdächtig) über die schwarzen Kassen des Helmut Kohl hat diese Verfilzung zwischen Konzernen, Banken und politischen Parteien anschaulich widergegeben.

     

    Über das geistige Klima dieses Landes ist alles gesagt, wenn ein Lügner und Gesetzesbrecher wie Kohl noch mit dem Hinweis auf andere (tatsächliche oder vermeintliche) Verdienste gefeiert wird.

     

    Hier zeigt sich die gleiche Unlogik, die die vermeintliche Kinderliebe von Mafiabossen herausstellt, die in ihrer Hauptbeschäftigung ihre Gegner alles andere als zimperlich ins Jenseits befördern.

     

    Zurück zur Ethik der deutschen und europäischen Steuerpolitik: wieso die Reichen angemessen besteuern, wenn das Geld doch bequem bei den Armen zu holen ist?

     

    Ich bin nur noch angewidert.

  • Man sollte sich immer Bewusst sein, welche Leute Entscheidungen zu den Steueroasen treffen!

     

    Es sind genau die Leute, die von Lobbyisten gesponsert werden, eben nicht gegen diese Steueroasen vorzugehen.

     

    Außerdem ist doch durch die Panama und Paradise Papers zu sehen gewesen, dass auch genug Politiker in diese Steuersparmodelle verwickelt sind.

    Jedes größere Unternehmen hat diverse Politiker auf Landes, Bundes oder EU Ebene auf ihrer Gehaltsliste, eben um zu verhindern, dass tatsächlich Steuern an die Staaten abgeführt werden müssen!

     

    Genau diese Firmen müssten aber genau von diesen Politikern, weil dem Volk verpflichtet, dazu gezwungen werden, ihre Steuern der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

     

    Wenn man sich aber dieses gesamte Gesellschaftsmodell der jetzigen Regierungen ansieht, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Verteilung der finanziellen Ressourcen ausschließlich von Unten nach Oben vorgenommen werden.

     

    Dem Otto - Normal - Verbraucher werden durch sehr genau ausgearbeitete Steuermodelle alle Möglichkeiten genommen an den Finanzämtern vorbei zu wirtschaften, während Industrie, Landwirtschaft und Banken ihre gesamten zu versteuernden Gewinne nur teilweise darlegen müssen und auch noch sogenannte Wirtschaftshilfen in Anspruch nehmen können, sogenannte Subventionen.

     

    Es ist ein derartig asoziales Verhalten, welches von diesen Regierungen und der Wirtschaft praktiziert wird, dass es inzwischen, wo es doch Jedermann/frau klar ist, noch weiter von der Bevölkerung der EU und der Einzelstaaten mitgetragen wird!

     

    EU Weite Proteste sollten doch eigentlich die Folge der Unterlassungen der Staaten und der EU sein, wenn man sich dieses Verhalten der Duldung weiterer Steuerbetrügereien einmal vor Augen hält.

     

    Von den Lobby - Hörigen Politikern wird es ohne EU Weite Proteste keine wirklichen Lösungen und Verschärfungen im Steuerrecht geben.

     

    Solange sich die Wirtschaft nicht solidarisch mit den Menschen, auf die sie ja angewiesen ist zeigt, ändert sich Garnichts!

  • Goldman Sachs sitzt in der Zentralbank und im Champs Elysee