EU reagiert verhalten auf Katalonien: Politikverweigerung in Brüssel
Die Sezession wurde aufgeschoben, Brüssel schweigt. Europa-Abgeordnete fordern Neuwahlen in Spanien und eine Schlichtung durch die EU.
Dabei kommt Puigdemonts Entscheidung, die Sezession zunächst nicht zu vollziehen, der EU weit entgegen. Noch am Dienstag hatte Ratspräsident Tusk an Puigdemont appelliert, keine Entscheidung zu treffen, „die den Dialog unmöglich machen würde“. In Europa solle man immer danach schauen, „was uns vereint“, forderte der polnische EU-Politiker. In Barcelona ist dieser Appell offenbar angekommen.
Doch wird er auch in Madrid erhört, willigt nun auch Regierungschef Mariano Rajoy in Verhandlungen ein? Auf diese Frage hat man in Brüssel noch keine Antwort – und so lange diese nicht vorliegt, möchte man sich auch nicht äußern. Vor allem Juncker hat bis zuletzt den Schulterschluss mit Rajoy gesucht. Auch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) – in der auch CDU und CSU mitarbeiten – stützte den starrsinnigen Spanier.
Doch das könnte sich nun ändern. So forderte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok Neuwahlen in Spanien und damit auch in Katalonien. „Ich würde Neuwahlen als den geeigneten Weg ansehen“, sagte Brok am Mittwoch im Südwestrundfunk (SWR). Möglicherweise werde Rajoy den Weg dafür schon an diesem Mittwoch frei machen. Einer Vermittlung durch die EU werde er aber sicher nicht zustimmen, so Brok.
Grüne und Linke fordern Schlichtung
Genau das sei jetzt aber gefragt, meinen Grüne und Linke im Europaparlament. Die EU müsse endlich ihre Zurückhaltung aufgeben und sich um eine Schlichtung bemühen.
Allerdings hagelt es auch Kritik am Vorgehen der Katalanen. Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer warf Puigdemont vor, mit gezinkten Karten zu spielen. Statt der offenen Konfrontation habe er „einen politischen Schwindel gewählt“, sagte Bütikofer. „Das ist der Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende ist.“ Die Gefahr einer politischen Explosion sei damit noch nicht gebannt. Umso wichtiger sei es, dass sich die EU einschalte.
Elmar Brok
Doch die wartet auf Rajoy, der sich am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz äußern will. Denn noch gilt der Konflikt als rein innerspanische Angelegenheit. Erst wenn Rajoy offiziell um Vermittlung bitten sollte, könnte auch Juncker aktiv werden – endlich. Bisher übt sich der Chef der „politischen“ EU-Kommission vor allem in Politik-Verweigerung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind