EU-Verhandlungen Agrarreform: Ilse Aigner wäscht sich grün
Die Ministerin gibt sich als Unterstützerin von ökologischen EU-Subventionen. Doch in Brüssel sorgt sie dafür, dass Bauern weiter umweltschädlich arbeiten dürfen.
BERLIN taz | Verkehrte Welt in Brüssel bei den entscheidenden Verhandlungen der EU-Staaten über die Agrarpolitik ab 2014: Bundesministerin Ilse Aigner setzt sich als Unterstützerin einer Ökoreform in Szene. Dabei galt die CSU-Politikerin bisher als die wichtigste Gegnerin einer Umverteilung der jährlich rund 58 Milliarden Euro Subventionen zugunsten von umweltfreundlicher und sozialer wirtschaftenden Betrieben.
Doch in Wirklichkeit arbeitet Aigner ihren Gegnern zufolge weiter dafür, den Status quo zu erhalten. Und der ist miserabel: Die Populationen etwa von Schmetterlings- und Vogelarten gehen zurück. Die Hauptschuld daran haben Wissenschaftlern zufolge die Bauern.
Zudem verursachen sie laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Gleichzeitig führt auch der Trend zu größeren Betrieben dazu, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten. Die EU-Kommission hat deshalb ein „Greening“ der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen, vorgeschlagen.
Die Bauern sollen das Geld nur noch bekommen, wenn sie zum Beispiel 7 Prozent ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen: etwa mit Hecken, Brachen oder Terrassen. Ob auch sie dafür sei, wollte der Deutschlandfunk am Montag von Aigner wissen. Ihre Antwort: „Ja, wir haben das von vornherein unterstützt, weil es in der Tat eine richtige Forderung ist.“
Aigner will es klein
Doch ihre Politik sieht anders aus. „Frau Aigner hat sich dafür eingesetzt, dass die ökologischen Vorrangflächen möglichst klein sind“, sagt Ulrich Jasper, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Dieser Wunsch der deutschen Regierung ist auch in das Kompromisspapier der irischen Ratspräsidentschaft für die Verhandlungen der EU-Staaten eingeflossen: Es sieht zunächst nur 3 Prozent, ab Anfang 2016 5 Prozent Ökofläche vor.
7 Prozent sollen es frühestens 2018 und nur nach einem entsprechenden weiteren Beschluss der EU werden. Schon jetzt haben die deutschen Landwirte nach einer Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts im Schnitt auf 2,1 bis 3,5 Prozent ihrer Ackerfläche Brachen oder Landschaftselemente wie Hecken, Baumreihen oder Tümpel.
„Die Betriebe sollen also möglichst wenig ändern. Dann wird die Artenvielfalt aber weiter abnehmen“, warnt AbL-Aktivist Jasper. Weiter wie bisher will Aigner auch Großbetriebe päppeln. Sie erhalten die höchsten Direktzahlungen, weil diese nur nach der Fläche berechnet werden. Die Kommission fordert, die Beträge auf 300.000 Euro zu begrenzen.
Wer viele Arbeitsplätze hat, dem sollen weniger Subventionen gekürzt werden. Doch der EU-Rat hat sich bereits darauf festgelegt, dass jedes Mitgliedsland auf die Deckelung verzichten dürfen soll. Und wie Aigner entscheiden wird, ist klar: „In Deutschland träfe das ungefähr 28 Betriebe“, sagt sie – zu wenige, um den bürokratischen Aufwand für die Kontrolle zu rechtfertigen.
Jasper: „Wenn so wenige Betriebe betroffen sind, dann muss man die Regel schärfer machen, zum Beispiel die Obergrenzen senken – und nicht ganz abschaffen.“ Dennoch wird Aigner sich wahrscheinlich in zentralen Punkten bei den Verhandlungen der EU-Länder bis Dienstag durchsetzen. Da das Europäische Parlament eine ähnliche Linie fährt, könnte das Ganze auch in die Praxis umgesetzt werden.
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