EU-Umfrage zu Übergriffen: Jede zweite Frau sexuell belästigt

Es ist die größte Erhebung zu körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen in der EU. Die Unterschiede zwischen den Länden sind groß. Das Ausmaß ist erschreckend.

Die meisten Übergriffe passieren im eigenen Zuhause. Bild: dpa

WIEN dpa | In der Europäischen Union ist laut einer Umfrage jede zweite Frau schon einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden. Das berichtet die EU-Grundrechte-Agentur (FRA). Am häufigsten kommen Übergriffe in den eigenen vier Wänden vor. 22 Prozent aller Befragten gaben an, körperliche oder sexuelle Gewalt durch den eigenen Partner erfahren zu haben. Dagegen vorzugehen, wagen sich die wenigsten: Viele sagten, sie würden sich zu sehr schämen oder seien peinlich berührt und würden deshalb nicht zur Polizei gehen.

Vergewaltigungen durch Fremde, wobei dabei oftmals mehrere Männer beteiligt sind, würden schneller angezeigt. Sechs Prozent aller Befragten gaben außerdem an, dass es bereits zu einer versuchten Vergewaltigung kam. Gleich viele Frauen nahmen bereits an sexuellen Aktivitäten teil, weil sie Angst vor möglichen Konsequenzen hatten. Zu körperlicher Gewalt zählt die Studie etwa, wenn Frauen geschlagen, an den Haaren gezogen, geschubst oder mit harten Objekten attackiert werden. Sexuelle Gewalt bedeute Vergewaltigung oder versuchte Vergewaltigung.

Die höchste Gewalt-Rate meldeten Frauen der Studie zufolge in den drei nordischen Ländern Dänemark (52 Prozent), Finnland (47 Prozent) und Schweden (46 Prozent). In Polen, Österreich und Kroatien gibt es mit jeweils rund 20 Prozent demnach vergleichsweise am wenigsten Gewalt. Deutschland liegt mit 35 Prozent etwas über dem EU-Schnitt (33 Prozent). Die Zahlen sollen laut Studienautoren aber nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen führen. Angaben zu Übergriffen und die tatsächlich ausgeübte Gewalt stimmten nicht immer überein.

Kulturelle Unterschiede im Umgang mit Gewalt hätten einen Einfluss darauf, wie offen Frauen dieses Thema ansprechen. Bei stärkerer Gleichberechtigung der Geschlechter herrsche deutlich mehr Bewusstsein und es gebe mehr Anzeigen. Von sexuellen Belästigungen seien noch mehr Frauen betroffen, als von Gewalt. Vor allem gut ausgebildete Frauen in Spitzenpositionen sprachen davon. Dies könnte aber damit zusammenhängen, dass diese Gruppe Grenzüberschreitungen besser einschätzen könne und dies auch meldet.

42.000 Frauen befragt

Insgesamt sind laut der Studie schätzungsweise zwischen 83 und 102 Millionen Frauen von sexueller Belästigung betroffen. Das sind zwischen 45 und 55 Prozent aller Frauen in der EU ab 15 Jahren. Die breite Spanne ergibt sich daraus, weil es bei den Befragten unterschiedliche Ansichten gab, ob etwa Annäherungsversuche durch Männer, sexistische Witze oder ungewollte Nacktfotos per SMS bereits zu einer sexuellen Belästigung zählen.

„Frauen sind nicht sicher auf den Straßen, am Arbeitsplatz und schlussendlich auch nicht zu Hause, dem Platz, an dem sie Schutz finden sollten“, sagte FRA-Direktor Morten Kjaerum. Insgesamt wurden 42.000 Frauen in den 28 EU-Ländern im Alter zwischen 18 und 74 Jahren befragt. Die Gespräche fanden 2012 persönlich statt.

Viele dieser Attacken beginnen bereits in der Kindheit. 12 Prozent aller Befragten gaben an, bereits vor ihrem 15. Lebensjahr in irgendeiner Form sexuell belästigt worden zu sein. In Deutschland sind es 13 Prozent. Dazu zählt, wenn Erwachsene ihre Genitalien demonstrativ zur Schau stellten oder unsittliche Berührungen im Intimbereich vornahmen. Täter waren in diesem Fall fast ausschließlich Männer, wie die Frauen laut Studie berichteten. Solche Übergriffe führe bei einem Drittel der Frauen dazu, in späteren Beziehungen wieder zum Opfer zu werden.

Noch verbreiteter sei körperliche Züchtigung: Mehr als ein Viertel der Befragten hat bis zum Jugendalter physische Gewalt erlebt. In Deutschland ist die Zahl mit 37 Prozent noch deutlich höher. Erwachsene Frauen wie Männer schlagen in diesem Fall laut Studie fast gleich oft zu. Am 5. März wird die FRA die Ergebnisse ihrer Umfrage zu geschlechterspezifischer Gewalt bei einer hochrangigen Konferenz in Brüssel vorstellen. Es handelt sich dabei um die erste und größte EU-weite Erhebung über das Ausmaß und die Art von Gewalt gegen Frauen in den 28 EU-Mitgliedstaaten.

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