EU-Politiker zur Zuckerberg-Anhörung: „Sonst machen wir nicht mit“
Er ist Europas größter Facebook-Dompteur – und heute Abend trifft er den Löwen. Wie bändigt Jan Philipp Albrecht den Facebook-Chef?
taz: Herr Albrecht, heute Abend soll Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor dem EU-Parlament Fragen beantworten. Was erwarten Sie sich davon?
Jan Philipp Albrecht: Ich hoffe natürlich, dass er Stellung dazu bezieht, was beim Datenskandal rund um Cambridge Analytica schief gelaufen ist. Wir wollen wissen, ob es noch weitere solcher Fälle gibt und ob wir überhaupt alle Fakten kennen.
Dazu hat Zuckerberg doch schon in den USA etliche Male ausgesagt. Was soll da Neues kommen?
Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass wir in der Sache noch nicht alles wissen. Damit wollen wir ihn heute konfrontieren. Außerdem erwarten wir, dass Mark Zuckerberg Fakten darlegt, die plausibel machen, wie sich Facebook künftig an die Europäische Datenschutzgrundverordnung halten will.
Die Datenschutzgrundverordnung tritt am Freitag in Kraft. Was genau soll Zuckerberg liefern?
Bislang agiert das Unternehmen nach dem Prinzip „Friss oder stirb“. Die Transparenz von Facebook lässt ja sehr zu wünschen übrig. Oft wissen Nutzer gar nicht, dass ihre Fotos zum Beispiel der automatischen Gesichtserkennung unterliegen und was damit geschieht. Künftig muss Facebook den Verbrauchern etwa die Möglichkeit geben, da nein zu sagen. Da haben sich bisher nicht dran gehalten. Wir wollen wissen, ab wann sie das endlich tun.
sitzt seit 2009 als Abgeordneter im Europäichen Parlament und ist dort digital-, innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion. Der Netzpolitiker war unter anderem an der Entwicklung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung beteiligt. taz-Autor Eric Bonse porträtierte Jan-Philipp Albrecht Mitte Mai.
Geht es darum auch heute Abend?
Natürlich. Zuckerberg hatte ja in seiner Anhörung vor dem US-Kongress auf seinem Sprechzettel verräterischerweise den Hinweis stehen, dass Facebook sich noch nicht an diese Regeln hält. Wir erwarten, dass er dazu Stellung bezieht.
Herr Albrecht, Sie sind Europas größter Facebook-Dompteur. Wie legen Sie den Löwen an die Leine?
Ich muss ihn nicht bändigen. Zuckerberg muss selbst wissen, wie viel Vertrauen er bei den europäischen Nutzerinnen und Nutzern gewinnen oder zurückgewinnen möchte. Wenn er nicht plausibel machen kann, was seine Linie ist, wird er Vertrauen verlieren. Im Kern geht es doch darum, ob das Unternehmen überhaupt ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell hat, das nicht nur darauf beruht, Nutzerprofile auszubeuten und zu überwachen.
Wenn Sie sich ein Geschenk von Zuckerberg wünschen dürften: Welches sollte er mitbringen?
Ich erwarte keine Geschenke, sondern dass er respektvoll und offen und ehrlich ist. Das wäre schon ein Fortschritt zu allem was wir bislang von Facebook gesehen haben.
Zuckerbergs Anhörung vor dem US-Kongress geriet teilweise zur Lachnummer, weil sich Politiker selbst profilieren wollten. Das kann heute nicht passieren: Das Gespräch soll insgesamt eine Stunde und 15 Minuten dauern. Wieviele Sekunden Fragezeit haben Sie?
Das weiß ich selber noch nicht so genau. Da wir aber eine überschaubare Runde sind, glaube ich schon, dass ich ein paar Minuten Zeit habe, um ihm Fragen zu stellen – und diese auch beantwortet zu kriegen.
Zuckerberg wollte das Gespräch ohne Beteiligung der Öffentlichkeit führen. Wie wurde er umgestimmt?
Wir haben enormen Druck auf die konservative Hälfte des EU-Parlaments ausgeübt. Der Parlamentspräsident wollte zunächst akzeptieren, dass das Gespräch hinter verschlossener Tür stattfindet. Wir Grünen, aber auch die Sozialdemokraten, Linken und Liberalen haben gesagt, dass wir unter solchen Bedingungen nicht teilnehmen werden. Das wäre auch für Facebook ein schlechtes Zeichen gewesen. So hat Zuckerberg letztlich eingelenkt.
Die Anhörung wird ab etwa 18.15 Uhr per Livestream übertragen. Sind Sie nervös?
Offen gesagt: Ein bisschen schon. Es ist natürlich wichtig, dass es ordentlich wird, damit das keine PR-Nummer für Mark Zuckerberg wird.
Die PR soll auf Seiten der Grünen sein.
Nein, sie soll auf Seiten des Europäischen Parlaments sein. Es geht ja hier um demokratische Rechte.
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