EU-Militärhilfe für die Sahelzone: Europas Operation Wüstensand
In Mali will die EU mit Militärausbildern helfen, Islamisten zu besiegen. In Niger sind sie bereits vor Ort. Ein Besuch bei „EUCAP Sahel“.
NIAMEY taz | Während in Deutschland über die Beteiligung an einem EU-Einsatz in Mali diskutiert wird, ist die EU längst vor Ort. Seit August sind 50 europäische Sicherheitsexperten in Niamey stationiert, der Hauptstadt des Nachbarlandes Niger. Aufgabe der Mission EUCAP-Sahel ist es, lokale Sicherheitskräfte im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität zu schulen. Also Polizisten, Zöllner und Militärs, wie Oberst Francisco Espinoza Navas erklärt, Leiter von EUCAP Sahel und ehemals beim Geheimdienst der spanischen Guardia Civil.
Niger hat mit Mali eine gemeinsame Grenze, und das Nomadenvolk der Tuareg lebt in beiden Ländern. Eine Rebellion der Tuareg in Mali hatte Anfang 2011 die politische Krise ausgelöst, die nun den ganzen Sahelraum bedroht.
Nigers Premierminister Brigi Rafini begrüßt das Engagement der EU. „Wir haben selbst um diese Unterstützung gebeten“, sagt er der taz. Ziel seiner Regierung sei es, „unsere Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terror und gewaltsame Konflikte zu schulen“. Es gehe „auf keinen Fall darum, dass hier Militärbasen oder Posten europäischer Polizisten errichtet werden“.
EUCAP Sahel könnte auf Mali ausgeweitet werden. Denn „das Mandat umfasst die gesamte Region“, sagt Oberst Espinoza, „auch Mali und Mauretanien. Wir haben zudem Kontakt mit Algerien aufgenommen, weil es in der Region eine wichtige Rolle spielt.“ Allerdings können die EU-Experten in Niger nicht selbstständig die Ausbildung von Sicherheitskräften auch in Mali beginnen. „Das muss die Europäische Union entscheiden.“
Ausbildung ohne Waffen
Wie Oberst Espinoza betont, handelt es sich bei EUCAP Sahel um eine rein zivile Mission. Die Experten sind also ohne Waffen gekommen. Aber die Schulung von Militärs gehöre dennoch zum Programm. „Wir wollen die Ausbilder ausbilden.“ Erst aber müssten sie sich einen Überblick über den Bedarf verschaffen.
Der Ruf der nigrischen Armee ist deutlich besser als jener der Truppe im Nachbarland Mali. Über den geradezu verheerenden Zustand der malischen Armee wird immer wieder berichtet: Sie sei schlecht ausgebildet und ausgerüstet, dazu notorisch korrupt. Malis Armee hat die Krise ihres Landes mitverschuldet, als sie im März 2011 angesichts der ständigen Niederlagen gegen die Tuareg-Rebellen die gewählte Regierung stürzte und damit zuließ, dass Tuareg-Aufständische und Islamisten den Norden des Landes unter ihre Kontrolle bringen konnten.
Nigers Armee dagegen erwarb sich eher Anerkennung, als sie im Frühjahr 2010 gegen den zunehmend autokratisch regierendenden Präsidenten Mamadou Tandja putschte. In den folgenden Monaten beseitigte eine Militärjunta die Blockaden von politischer Opposition, Presse- und Meinungsfreiheit, und sie hielt ihr Versprechen, das Land zur Demokratie zurückzuführen. Im März 2011 wurde der jetzige Präsident Mahamadou Issoufou gewählt, die Armee kehrte in die Kasernen zurück – eine Rückkehr zur Demokratie, die in Mali noch aussteht.
Islamisten mit Waffen
Auch in Niger sind bewaffnete Islamisten aktiv. Sie haben in dem Land bislang aber wohl keine Basis, sondern ziehen sich nach einzelnen Aktionen immer wieder nach Mali zurück. Dennoch sind Entführungen und anschließende Lösegeldforderungen auch im Niger eine reale Bedrohung. Vier Franzosen, die 2010 in Niger von „al-Qaida im Islamischen Maghreb“ entführt wurden, sind immer noch in der Gewalt der Kidnapper. Und erst vor Kurzem wurden fünf nigrische und ein tschadischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation entführt. Das nigrische Militär erschoss die Geiseln samt den Entführern, in einer Aktion, die im Niger Fragen aufwirft.
Die Mitglieder der EU-Mission sollen anonym bleiben, bis auf die führenden Verantwortlichen, deren Namen ohnehin bekannt sind. Einer der europäischen Ausbilder nennt die „Stärkung des Rechtsstaats“ als einen der wahrscheinlichen Inhalte des künftigen Trainings in Niger. Dazu gehöre vor allem die Schulung der Kriminalpolizei, um zum Beispiel ihre Ermittlungs- und Verhörmethoden zu verbessern. Außerdem müssten die unterschiedlichen Einheiten vor Ort effektiver kooperieren und auch enger mit der Justiz zusammenarbeiten.
Gleichzeitig wächst im Niger die Angst vor den Folgen, die ein Militäreinsatz in Mali hätte. Viele Nigrer befürchten, dass Kämpfer aus Mali über die Grenze ausweichen, wenn sie militärisch verfolgt werden. Jean-Jacques Quairiat, EU-Repräsentant in Niger, kann die Besorgnis verstehen: „In allen Nachbarstaaten stellt sich die Frage nach den Konsequenzen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies