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EU-Hilfe für libysche Flüchtlingsblockade„Die Europäer sind naiv“

Die EU will Libyen benutzen, um Schlepper und Flüchtlinge fernzuhalten. Doch der dortige Regierungschef hat keinerlei Einfluss.

Libysche Soldaten vertreiben Flüchtlinge aus ihren Verstecken Foto: dpa

Brüssel taz | Die Europäische Union meint es ernst mit Libyen. So ernst, dass die 28 EU-Außenminister am Montagabend sogar eine Videokonferenz mit dem designierten libyschen Ministerpräsidenten Fajes al-Sarradsch führten.

Dabei versprach die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini umfangreiche Hilfen, die vor allem den Zweck verfolgen, Flüchtlinge aus Libyen an der Überfahrt nach Italien zu hindern. Doch die Umsetzung des nicht ganz uneigennützigen Angebots lässt auf sich warten.

Denn zum einen ist Regierungschef al-Sarradsch ein Mann ohne Volk – und ohne Land. Bisher residiert er auf der Marinebasis Abu Sitta bei Tripolis, in die der Politiker erst vor wenigen Wochen mit westlicher Hilfe eingeschifft worden war.

Doch ohne eine funktionierende Regierung können die Pläne der EU nicht umgesetzt werden. Sie bestehen aus zwei Teilen: zu Wasser und zu Land. Vor der Küste Libyens möchte die EU ihre umstrittene Militärmission „Sophia“ ausweiten, die sich dem Kampf gegen Schlepper verschrieben hat.

An Land wollen die Europäer die Küstenwache wiederherstellen, den Grenzschutz unterstützen und auch sonst alles tun, damit libysche Behörden den Kampf gegen die „illegale“ Einwanderung und Flucht nach Europa aufnehmen. Über das Land, das nach dem Sturz des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi im Bürgerkrieg versunken ist, kamen 2015 mehr als 150.000 Menschen in die EU.

Herrschaft auf dem Papier

„Libyen ist ein Schlüsselland in der Bewältigung der Flüchtlingskrise“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die an dem Treffen der Außenminister teilgenommen hatte. Allerdings gebe es noch „viele rechtliche Fragen“.

Die erste europäische EUBAM-Mission, die im Mai 2013 ihre Arbeit aufnahm, war nach einigen Drohungen und Überfällen gescheitert. Es hatte damals nicht lange gedauert, bis die Kommandeure der verschiedenen Milizen herausfanden, dass ein paar kleinere Angriffe den Abzug der rund 200 europäischen Experten zur Folge hatte. „Die Europäer waren 2013 sehr naiv“, sagte der libysche Analyst Feisal Swehli in Tripolis. „Ich fürchte, dass sich daran nichts geändert hat“, fügt er hinzu.

Unklar ist, ob die neue libysche Einheitsregierung handlungsfähig ist. Ihr fehlt noch immer die Legitimation durch das international anerkannte Parlament. Premier al-Sarradsch herrscht nur auf dem Papier.

Die EU braucht jedoch eine „Einladung“ aus Libyen, so von der Leyen. Ohne ein offizielles Gesuch aus Tripolis kann vor allem der Aktionsradius der Marinemission nicht ausgeweitet werden. Sie soll künftig auch in libyschen Hoheitsgewässern nach Schlepperbooten jagen. Bisher können die EU-Militärs nur in internationalen Gewässern in Seenot geratene Flüchtlinge aufgreifen.

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3 Kommentare

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  • Die unfähige EU-Politik versteht es immer noch nicht: wer auch immer in Libyen sich mit den Europäern verbündet, der wird zum Feind aller anderen. Entweder man marschiert in Libyen ein, und sorgt für den Sieg einer Seite, oder man kann das ganze lassen.

    Dieses Herumgepfusche nach dem Prinzip "Wünsch die was" ist völlig sinnlos.

  • Ich fürchte, dieser "Analyst" (ist das eigentlich ein anerkannter Beruf?), den die taz da zitiert, irrt sich. Und zwar gleich zweimal. Es waren nicht "die Europäer". Es waren ein paar wenige, die sich angemaßt haben, alle Europäer zu vertreten. Und sie waren auch nicht "sehr naiv". Sie waren ignorant. Wobei die Ignoranz das Mittel der Wahl zum fragwürdigen Zweck gewesen ist.

     

    Man wollte unbedingt ein Ziel erreichen, das zwar auch nicht besonders sinnvoll ist, aber immerhin "alternativlos" nach Ansicht der "Entscheidungsträger". Da man kein brauchbares Mittel gefunden hat (was nicht erstaunlich ist angesichts der Tatsache, dass europäische Führungskräfte als Nicht-Libyer in Libyen nicht all zu viel "Gefolge" haben), hat man kurzerhand zum untauglichsten Mittel gegriffen, das verfügbar war - und es mal eben kurzerhand für brauchbar erklärt. Pippi Langstrumpf wäre stolz auf ihre gelehrigen Schüler!

     

    Wer böse sein möchte, kann so etwas Neokolonialismus nennen. Wer guten Willens ist, sagt Entwicklungshilfe dazu. In einem Punkt hat der "Analyst" aber recht: Geändert hat sich nichts. Bzw. nicht sehr viel: Die Könige lassen sich nur demokratisch legitimieren.

  • Ich schätze Libyen wird nicht vor 2050 wieder als Staat funktionieren wie unter Gaddafi. Und natürlich wollte man damals nicht (bewusst) ein Einfallstor für den Immigrantenstrom aus Afrika kreiren, ebenso nicht die lukrativen Erdölquellen.Nein, nein bitte nich vergessen es diente der Demokratie, je suis arab spring (vielleicht auch irgendein anderer superslogan). Und jetzt auf einmal stehen wir vor der Entdeckung von Warmwasser , wow! Da kann man wahrlich den Hut ziehen vor den "naiven Europäern" und nicht zu vergessen die guten Ratgeber aus Übersee.