EU-Handelsabkommen mit Kanada: Länder sollen über Ceta abstimmen
Trotz der gegenteiligen Ansage von EU-Kommissionschef Juncker sollen nun die nationalen Parlamente über das Ceta-Abkommen abstimmen.
Allerdings ging der Chef der Brüsseler EU-Behörde nicht selbst in die Bütt, um seine Kehrtwende zu erklären. Das überließ der politisch angeschlagene Luxemburger seiner Handelskommissarin Cecilia Malmström. Und die pries erst einmal die Vorteile dieses „fortschrittlichsten Freihandelsabkommens aller Zeiten“. Damit all die Vorteile von Ceta schnell greifen, wolle man aber keine Zeit mehr verlieren, so Malmström weiter. Deshalb soll das Abkommen nun so schnell wie möglich ratifiziert werden – durch das Europaparlament und 42 nationale und regionale Parlamente, Großbritannien eingeschlossen.
Nach Zustimmung der EU-Abgeordneten soll Ceta vorläufig in Kraft treten, fügte die Schwedin hinzu. Im Herbst könnte es schon so weit sein. Doch was ist, wenn ein nationales Parlament Nein zu Ceta sagt? Was passiert, wenn das höchste EU-Gericht, das noch über ein Handelsabkommen mit Singapur befinden muss, neue rechtliche Hürden aufstellt?
Dazu wollte sich Malmström nicht äußern. Auch Juncker hielt sich bedeckt. „Ich habe auf die Staats- und Regierungschefs und auf die nationalen Parlamente gehört“, ließ er schriftlich mitteilen. Dabei hatte er noch vor einer Woche beim EU-Gipfel erklärt, dass die nationalen Abgeordneten bei Ceta nichts zu melden hätten.
Nun sollen sie doch mitentscheiden. Damit geht ein wochenlanger Machtkampf zu Ende. Im Kern geht es dabei um die Rolle der Mitgliedstaaten in der Handelspolitik, aber auch um den künftigen Kurs der EU.
Jubel für die Kehrtwende
Juncker und Malmström kämpfen gleich an drei Fronten: Zum einen haben sie es mit einer breiten Bewegung gegen den „neoliberalen“ Kurs der EU und gegen Sonderrechte für Konzerne und andere private Investoren zu tun.
Sie wird von außerparlamentarischen Bewegungen wie Attac und Campact organisiert, die mit Petitionen gegen das „trojanische Pferd Ceta“ anrennen. Diese bejubelten am Dienstag die Kehrtwende der EU-Kommission. „Die Kritik von Bürgerinnen und Bürgern ist in Brüssel angekommen“, twitterte auch LobbyControl.
Widerstand kommt aber weiter aus Städten wie Barcelona, die sich zur „TTIP- und Ceta-freien Zone“ erklärt hat. Eine weitere Front steht auf der Ebene der nationalen und regionalen Parlamente. Sie fordern ein Mitspracherecht bei wichtigen EU-Entscheidungen. Während sich der Bundestag noch nicht auf eine Position festgelegt hat, sagt die französischsprachige belgische Region Wallonie „Non“ zu Ceta.
Stärkere Beteiligung versprochen
Die dritte und wohl entscheidende Front verläuft zwischen der EU-Kommission und den nationalen Regierungen. Sie werfen sich wechselseitig vor, im Streit um den Freihandel versagt zu haben. Vor allem die deutsche Regierung habe es versäumt, offensiv für Ceta und TTIP zu kämpfen, heißt es in Brüssel.
Angeheizt wird der Streit durch den Sieg der EU-Gegner in Großbritannien. Auf britischen Druck hatte die EU-Kommission schon vor dem Brexit-Referendum angekündigt, nationale Parlamente künftig stärker an EU-Entscheidungen zu beteiligen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml