EU-Handel mit Südamerika: Tausche Stinker gegen Gammelfleisch
Die EU-Kommission bietet den Mercosur-Staaten laxere Kontrollstandards bei Lebensmittelimporten an – wenn Europa mehr Autos exportieren darf.
![Mähdrescher ernten Sojabohnen Mähdrescher ernten Sojabohnen](https://taz.de/picture/2435864/14/67299966.jpeg)
Brasilien wurde vor wenigen Monaten von einem Gammelfleischskandal erschüttert. Statt das Prüfsystem zu verbessern, um den Export verdorbenen Fleischs zu verhindern, schlage die EU-Kommission laut den Dokumenten eine zwischenstaatliche Schnellkontrolle vor, kritisierte Greenpeace. So will die EU unter anderem den Export aus Lebensmittelbetrieben akzeptieren, ohne diese vorher zu begutachten.
Viele Standards für den Schutz der Verbraucher – etwa zum Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht – sind in südamerikanischen Staaten niedriger als in der EU. Während andere Wachstumsförderer wie die Substanz Ractopamin in Europa verboten sind, dürften Landwirte in Argentinien und Brasilien sie einsetzen, erklärten die Umweltschützer.
„Höhere Autoexporte dürfen nicht mit dem Risiko erkauft werden, dass demnächst brasilianisches Gammelfleisch in deutschen Kühlregalen liegt“, sagte Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. Die Kommission habe nichts aus dem „Fiasko“ um die inzwischen gestoppten Gespräche für ein Abkommen mit den USA (TTIP) gelernt. „Handelsabkommen müssen transparent verhandelt werden, und sie müssen Verbraucher schützen, nicht Konzerne.“
Streit um Schutz für Agrarimporte
Vertreter Deutschlands und anderer EU-Nationen billigten dem Abkommen „herausragende strategische Bedeutung“ zu, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Die EU wolle auch ein Signal gegen den Protektionismus von US-Präsident Donald Trump senden. Auch die europäische Autobranche setzte sich demnach in einem Brief an die Brüsseler Kommission vehement für den Vertrag mit den Südamerikanern ein: Unter den richtigen Bedingungen gebe es „ein echtes Potenzial für Wachstum, angesichts der Größe des Mercosur-Markts“.
Dem Bericht zufolge fordern Polen und Österreich aber starke Schutzklauseln für Agrarimporte. Deutschland und andere Nationen lehnten diese jedoch ab, weil sie fürchten, dass die Mercosur-Staaten dann nicht größeren Industrieexporten Europas zustimmen. Allerdings sei auch Frankreich skeptisch gegenüber Agrarimporten.
Die jetzt geleakten Dokumente gäben den Verhandlungsstand aus dem Sommer wider, hätten sich nach Informationen aus Verhandlungskreisen jedoch seither nicht grundlegend verändert, teilte Greenpeace mit. Laut Kommission handelten die EU und die Mercosur-Staaten vergangenes Jahr Waren im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro. Damit ist die wirtschaftliche Bedeutung des Mercosur-Abkommens deutlich höher als die des Ceta-Vertrags mit Kanada. (mit afp)
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