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EU-Handel mit GroßbritannienNebel über dem Kanal

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die EU stellt Regeln für den Handel mit Großbritannien auf: Kein Dumping von jenseits des Ärmelkanals. Klingt logisch, ist im Detail aber schwierig.

EU-Richtlininen oder britische Richtlinien? Wer bestimmt? Foto: Montage imago

D ie Frontlinien sind gezogen, der Kampf kann beginnen. Großbritannien und die EU haben ihre Ausgangspositionen für die Aushandlung der zukünftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Nicht-mehr-Mitglied Großbritannien geklärt. Erwartungsgemäß steckt am meisten Sprengstoff in der Frage nach der fortdauernden Einhaltung von EU-Regeln durch Großbritannien als Voraussetzung für Freihandel.

Für die EU-Seite ist selbstverständlich: Kein Dumping von jenseits des Ärmelkanals. Für die britische Seite ist ebenso selbstverständlich: Keine automatische Gültigkeit von EU-Regeln in einem Nicht-EU-Land. Beide Positionen sind in sich vollkommen logisch und miteinander vollkommen unvereinbar.

Der Teufel steckt, wie immer, im Detail. Während niemand bestreitet, dass in die EU importierte Produkte EU-Standards genügen müssen, ist die Forderung, EU-Standards auch darüber hinaus auf die Politik eines Drittlands anzuwenden, sehr fragwürdig. Den EU-Verhandlungsrichtlinien zufolge sollen EU-Standards künftig den „Referenzpunkt“ darstellen, nicht nur im bilateralen Handel, sondern auch insgesamt für „Staatsbeihilfen, Wettbewerb, Staatsunternehmen, Sozial- und Arbeitnehmerstandards, Umweltstandards, Klimawandel, relevante Steuerangelegenheiten“. Begründet wird das mit Großbritanniens „geografischer Nähe“, das Ziel besteht darin, „Handelsverzerrungen und unfaire Wettbewerbsvorteile zu verhindern“.

Im Extremfall heißt das: Wenn die EU findet, dass irgendein britisches Produkt unter Bedingungen entstanden ist, die der EU nicht gefallen, soll es nirgends auf der Welt und auch nicht in Großbritannien selbst angeboten werden dürfen. Das imperiale Selbstverständnis darin ist befremdlich – und das Potential zum Ausbremsen britischer Konkurrenz beunruhigend. In so manchen Bereichen der Umwelttechnologie, der Forschung oder der Start-up-Finanzierung ist Großbritannien dem Rest Europas deutlich voraus, auf den Finanzmärkten sowieso. Wer garantiert denn, dass die EU immer die besten Standards setzt?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • Die UK ist uns auf den Finanzmärkten voraus? Was soll da noch innovativ sein? Hochfrequenzhandel, Cum-Ex und dergleichen? Nein danke, die Börse hat schon längst ihre Daseinsberechtigung verloren mit all ihren Auswüchsen und Desastern.

  • "Beide Positionen sind in sich vollkommen logisch und miteinander vollkommen unvereinbar."

    Und die EU hat schon die Zähne gezeigt, Steueroasen werden nur toleriert, wenn man im Team mitspielt.

    www.nau.ch/news/eu...eroase-an-65664455

    Mir fallen da auch noch kleine Inseln im Kanal ein oder in der irischen See.

    Schauen wir doch mal, wer da zuerst zuckt, das Spiel wird mit der Schweiz seit mindestens 15 Jahren gespielt, die EU hat da Erfahrung.

  • "Die Frontlinien sind gezogen, der Kampf kann beginnen."



    Ach, Herr Johnson ....



    Wahrscheinlich besteht der Unterschied zwischen GB und den Staaten der EU eher darin, dass die einen es ausdrücklich nicht kapieren wollen, das der Krieg seit 75 Jahren vorbei ist, und die anderen versuchen, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.



    Don't mention the war - nicht wahr?

  • "st Großbritannien dem Rest Europas deutlich voraus, auf den Finanzmärkten sowieso."

    als Steueroase schon...

    PS: viel Interessanter: kein EU Politiker nimmt seit neuestem mehr das Wort "Freizügigkeit" in den Mund - und/oder die Journalisten berichten nicht darüber. Scheint als würde die EU vorauseilend umkippen!

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Dominic Johnson fungiert mal wieder als Sprachrohr für Boris Johnson.



    Und die taz mal wieder als Sprachrohr für die britischen Tories.