EU-Grenzagentur scheitert: Kein Rezept gegen Afrikas Migranten

Die EU-Grenzagentur Frontex erklärte kürzlich ihre Arbeit für gescheitert. Die EU-Antwort: Frontex ausbauen.

"Boat People" - illegale Einwanderer aus Afrika. Bild: dpa

BERLIN taz Es war das größte einzelne Flüchtlingsboot, das jemals die Kanarischen Inseln erreicht hatte: 229 Afrikaner befanden sich auf dem Holzboot, das am 22. September 2008 90 Kilometer südlich von Teneriffa von der spanischen Küstenwache aufgegriffen und in den Hafen Los Cristianoa eskortiert wurde. Wenige Wochen später, am 10. Oktober, wurde ein ähnlicher Rekord im Mittelmeer erreicht, vor der italienischen Insel Lampedusa: 217 Menschen saßen auf einem völlig überfüllten Boot, das die italienische Küstenwache aufgriff. Nur zwei Tage vorher waren innerhalb von 24 Stunden rund 1.000 "Boat People" aus Afrika auf Lampedusa gelandet, so viele wie noch nie an einem einzigen Tag zuvor.

Europa kriegt die illegale Seewanderung aus Afrika nicht in den Griff. Über den Atlantik, aus Westafrika auf die Kanaren, gehen die Zahlen zwar zurück: 2006 kamen über 30.000 auf diesem Weg, 2007 noch 6.655, und dieses Jahr waren es bisher weniger als 6.000. Aber dafür nehmen die Zahlen über das Mittelmeer aus Nordafrika rapide zu. 2007 landeten allein an Italiens Küsten 14.000 illegale Afrikaner, dieses Jahr sind es bereits über 23.000 gewesen. Auf Lampedusa ist das Internierungslager für illegale Migranten mit rund 2.000 Insassen auf 850 Plätzen hoffnungslos überfüllt.

Die meisten Migranten starten ihre Seereise in Libyen, wo viele unterwegs in der Wüste sterben. Auf hoher See sollen dieses Jahr bereits über 400 ertrunken sein. Die Patrouillen der EU-Grenzagentur Frontex, die seit zwei Jahren die Migrationsrouten auf hoher See zwischen Afrika und Europa überwachen, haben am Zustrom von Bootsflüchtlingen nichts geändert. Kein Geringerer als Frontex-Chef Illka Latinen selbst erklärte die Frontex-Arbeit am 20. September für gescheitert. Die Patrouillen zögen vielmehr Flüchtlingsboote an, sagte er, denn Schleuser leiteten nun bewusst die Boote in Richtung der europäischen Patrouillen um, damit die Migranten von den Küstenbewachern gerettet werden können.

Ungeachtet dessen plant die EU eine weitere Stärkung von Frontex. Der neue Einwanderungspakt der französischen EU-Ratspräsidentschaft, der heute auf einem EU-Gipfel formell beschlossen werden soll, wertet die Grenzagentur zu einer Behörde der Koordination aller Kontrollen der EU-Außengrenzen auf und verspricht ihr mehr Ressourcen. Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich darin auch zu einem verstärkten und besser koordinierten Kampf gegen illegale Einwanderung, unter anderem durch die EU-weite Gültigkeit von nationalen Ausweisungsbeschlüssen sowie die "Mobilisierung aller verfügbaren Ressourcen für eine effektivere Kontrolle der Außengrenzen zu Land, See und Luft".

In der Praxis bedeuten solche Beschlüsse eine Zunahme von Abschiebungen. Auf einer Tagung in Senegal wurde vor wenigen Wochen vorgerechnet, Abschiebungen aus Frankreich hätten im vergangenen Jahr um 80 Prozent zugenommen.

Auch die nordafrikanischen Staaten schieben schwarzafrikanische Migranten in ihre Heimatländer ab und kassieren im Gegenzug EU-Entwicklungshilfe. Libyen nutzt die Möglichkeit, Migranten auf der Durchreise entweder die Weiterfahrt zu gestatten oder sie abzuschieben, als Druckmittel gegenüber Europa. Mauretaniens Gendarmerie stoppte am letzten Freitag ein Boot mit 139 Gambiern, das nach sechs Tagen Fahrt aus Gambia Richtung Europa in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott Station gemacht hatte. Sie wurden noch am gleichen Tag in die Heimat ausgeflogen, außer einem, der an schwerem Durchfall litt. Mit solchen Aktionen hofft Mauretaniens neue Militärregierung, drohende EU-Sanktionen abzuwenden.

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