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EU-Gipfel zu GriechenlandNeue Liste sorgt für versöhnliche Töne

Der Streit Griechenlands mit seinen Gläubigern droht in einer Staatspleite zu enden. Ein neues Angebot Athens könnte die trübe Stimmung wenden.

„Death of euros“: Grafitti des französischen Sprayers Goin in Athen. Foto: reuters

Brüssel/Athen taz/afp/dpa | Bricht in dieser Woche die Eurozone auseinander? Oder finden Griechenland und seine Gläubiger doch zusammen? Kurz vor dem Sondergipfel der Euroländer am Montagabend in Brüssel gehen Erwartungen, Hoffnungen und Ängste auseinander. Während sich Großbritannien auf den „Grexit“ – also den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro – vorbereitet, hofft die Regierung in Athen auf eine Einigung in letzter Minute.

Hoffnung machte ein Tweet: Die neuen Vorschläge der Athener Regierung zur Beilegung ihres Streits mit den internationalen Gläubigern seien eine „gute Grundlage für Fortschritte“ bei dem Gipfel am Montag in Brüssel, kommentierte der Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr, in dem Kurznachrichtendienst. Details des Angebots wurden zunächst nicht bekannt.

Die griechische Vorschlagsliste sei bei der Kommission sowie bei der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und der Europäischen Zentralbank (EZB) eingegangen, bestätigte Selmayr in der Nacht zum Montag in einer englischsprachigen Twitter-Mitteilung.

Griechische Medien berichteten, Athen sei nun bereit, die Mehrwertsteuer im Bereich Tourismus zu erhöhen, die meisten Frührenten abzuschaffen und die Reichen des Landes mit einen Sondersteuer zu belegen. Griechenland fordere seinerseits eine Umschichtung und Umlegung der Schulden des Landes. Details dazu aus offiziellen Quellen gab es in Athen am Montag nicht.

Appell an Kanzlerin Merkel

Finanzminister Gianis Varoufakis appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich für eine „ehrenvolle Einigung“ einzusetzen. Sonst trage Deutschland die Verantwortung, sollte Griechenland über Bord geworfen werden, schrieb Varoufakis in einem Beitrag für die FAS. Athen sei zu Kompromissen bereit.

Bereits am Sonntag hat Premier Alexis Tsipras in Telefonaten unter anderem mit Merkel neue Reformpläne präsentiert – Inhalte blieben jedoch zunächst offen. Die Kreditgeber hatten Einsparungen von rund 2 Milliarden Euro gefordert, Athen hatte das bisher strikt abgelehnt. Allerdings hatte sich Varoufakis bereits bei der gescheiterten Eurogruppe am Donnerstag zu Reformen bereit erklärt. Voraussetzung sei eine Umschuldung und ein Wachstumsprogramm.

Nach Angaben aus Athen haben sich die Positionen zuletzt angenähert: Im Streit über das Sparprogramm gehe es letztlich nur noch um Maßnahmen für 450 Millionen Euro. Demgegenüber steht fast 500-mal so viel auf dem Spiel – nämlich jene 240 Milliarden Euro, die das seit fünf Jahren von der Pleite bedrohte Land bereits an Hilfskrediten erhalten hat. Auf Deutschland entfällt davon mit rund 80 Milliarden Euro der größte Anteil.

Bei einem Grexit wären diese Kredite wohl verloren. Allerdings bedeutet ein Zahlungsausfall, der am 30. Juni droht, nicht sofort den Rauswurf aus der Eurozone. In den EU-Verträgen ist ein Austritt aus dem Euro gar nicht vorgesehen, niemand kann Athen zwingen, den Euro aufzugeben. Allerdings könnte sich Griechenland nicht mehr in der Währungsunion halten, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn zudreht.

Der EZB kommt daher die zentrale Rolle zu. Bei einer Krisensitzung am Montag will sie entscheiden, ob sie neue Notkredite freigibt, um die klammen griechischen Banken über Wasser zu halten. Sollte sie sich dagegen entscheiden oder mit einem Stopp der Geldversorgung drohen, stünden Tsipras und Varoufakis mit dem Rücken zur Wand. Sie hätten dann kaum noch eine Wahl, die zur Mittagszeit tagende Eurogruppe und der Euro-Gipfel am Abend könnten ihnen die Bedingungen diktieren.

Reformen zum Ausbau der Eurozone

Auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann Tsipras nicht mehr hoffen. Zwar wollten beide am Sonntagabend noch einmal miteinander telefonieren. Juncker ist jedoch nicht mehr bereit, an den Forderungen der Gläubiger zu rütteln, die vor zwei Wochen auf einer Nacht-und-Nebel-Sitzung im Berliner Kanzleramt formuliert wurden. Allenfalls könne man noch über Details reden, hieß es am Sonntag in Brüssel.

Dass die Euroländer nicht mehr auf Griechenland warten wollen, zeigt auch ein Reformkonzept, das Juncker am Montag in Brüssel vorlegen will und das die taz einsehen konnte. Unter dem Titel „Die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden“ formulieren Juncker und fünf weitere EU-Präsidenten Vorschläge für einen Ausbau der Eurozone bis 2025. So soll die Eurozone ihre Vertretung im Internationalen Währungsfonds verbessern und mehr Geld gegen Schocks wie Finanzkrisen bereitstellen. 2025 soll sogar ein eigenes Euro-Schatzamt stehen. Die Botschaft an Athen ist klar: Wir rücken zusammen – zur Not ohne euch.

In Athen demonstrierten am Sonntagabend nach Polizeiangaben mehr als 7000 Menschen vor dem Parlament, um die linksgeführte Regierung zu unterstützen und gegen weitere Einsparungen zu protestieren. In mehreren europäischen Städten gab es Solidaritätskundgebungen, darunter in Brüssel, wo rund 3500 Menschen auf die Straße gingen.

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18 Kommentare

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  • ...und die Griechen holen weiterhin ihr Geld vom Automaten ab.

     

    Davon könnten die Sparer in Deutschland nur träumen.

     

    Die dt. Einlagensicherung würde uns nur max. 20% unseres Kapitals auszahlen.

  • Der Zusammenbruch der Eurozone wird auf jeden Fall kommen. Das ist aber keine Frage von irgendwelchen Verhandlungen, sondern systembedingt vorprogrammiert.

     

    Eine Union, die ihre eigenen Mitglieder in die Schuldensklaverei treibt, kann nicht bestehen. Sie ist vom Kern weg durch und durch verrottet.

  • Zu viele Zugeständnisse von Tsipras und Varoufakis, zu wenig Druck auf Schäuble und Brüssel aus ganz Europa gegen das Spardiktat.

    • @nzuli sana:

      Beim Chicken-Game kuschen? Pfui, solche Weicheier. Die haben das Spiel nicht verstanden!

  • Es geht alles in die falsche Richtung mit den reichen Deutschen.

    Es gibt eine Überakkumulationskrise. Wer zu viel hat muss abgeben.

    • @nzuli sana:

      Ich besitze definitiv weniger als die reichen Griechen, die es ja auch gibt. Komischerweise verlangt niemand ernsthaft, dass die etwas abgeben - zumindest kenne ich hierzu keinen konstruktiven Initiativen.

      Es sind nicht nur die Reichen, sondern auch die steuerzahlenden Wenigverdiener - von denen es viel mehr gibt - , welche das griechische Desaster mitfinanzieren sollen.

  • Je länger ich das Drama um Griechenland verfolge, um so mehr gelange ich zu der Einsicht, dass das Hauptproblem die neoliberalen "Regeln" sind, auf deren Einhaltung Schäuble u.a. stur pochen. Es sollte nach Alternativen gesucht werden, die auf andere Weise verhindern, dass eine Euroregierung ihre Politik auf Kosten aller anderen finanziert. Mir kann keiner erzählen, dass der gegenwärtige Neoliberalismus diesen berechtigten Anliegen gegenüber alternativlos ist. Europa muss insgesamt transparenter und demokratischer werden, damit nicht immer mehr BürgerInnen Zuflucht in neuem nationalismus suchen. Zuviele europäische PolitikerInnen und ihe WählerInnen lassen sich derzeit im Namen vermeintlicher nationaler Interessen auseinanderdividieren. Leuten wie Ulrike Guerot sollte mehr Gehör geschenkt werden, nur scheinen die Mehrheiten derzeit leider anders zu sein. Wenn der europäische Karren endgültig im Dreck stecken geblieben ist, will es hinterher wieder keiner gewesen sein.

  • "Illegitime Schulden"!? Der war gut....

    Ich gehe dann auch mal zu meiner Bank und sage denen, dass sie selbst Schuld wären mir Kredite zu geben. Totaaal illegitim. Mal sehen, wieviel Schulden gestrichen warden. ;-)

    • @Micha Mille:

      Wenn Sie das rechtsstaatliche Mittel der Privatinsolvenz nutzen, sind Sie nach 6 Jahren schuldenfrei.

       

      Sie schlagen also vor, dass Griechenland das gleiche Recht wie Sie bekommt und in 6 Jahren schuldenfrei ist?

      • @Age Krüger:

        Gute Idee, Insolvenz für Griechenland mit kompletter Anrechnung aller verwertbaren Güter und dann Pfändung bis runter auf Existenzminimum. Danach Schufaeintrag und Kreditunwürdigkeit für die nächsten dreissig Jahre.

  • Je länger ich das Drama um Griechenland mitverfolge, um so mehr scheint mir das Hauptproblem, bei allem was in Griechenland seit Jahrzehnten im Argen liegt, in den neoliberalen "Regeln" zu bestehen auf deren Einhaltung viele Finanzminister stur pochen. Kein vernünftiger Mensch wünscht sich Regeln, die es einer Seite ermöglichen, die andere auszunutzen. Mir kann keiner erzählen, dass es keine für alle akzeptablen Alternativen zu den derzeitigen Regeln der gemeinsamen Währung geben kann, die ohne den Zwang zu "Reformen" auskommen, deren Konsequenzen die Leute am stärksten spüren, die am wenigsten für den Schlamassel können. Auch alle anderen Länder, deren Ausscheren aus ihrer derzeitigen Politik bei einem Nachgeben gegenüber Griechenland befürchtet wird, sollten m.E. von den neoliberalen Zwängen befreit werden, die zuviel Leid erzeugen. Strenge Regeln bedarf es, bevor Kredite überhaupt vergeben werden, nicht erst, wenn deren Rückzahlung bereits problematisch bis unmöglich ist.

  • Scheiße Syriza lässt sich über den Tisch ziehen.

    Das wird in GR neue Proteste auslösen.

     

    Keine weiteren Privatisierungen!

    Schuldenstreichungen!

    Arbeiter müssen keine rechtliche Schlechterstellung und Lohn- und Rentenkürzungen hinnehmen, nur weil eine weitere Schuldentilgungsrate ansteht.

    Die meisten Schulden sind illegitim

     

    Die Bunderegierung, die tagesschau sagen nicht die Wahrheit und nennen die Positionen von Varoufakis Spielchen.

  • "Bei einem Grexit wären diese Kredite (240 Milliarden EU/EZB/IWF) wohl verloren."

    Es gibt keinen einzigen historischen Fallk einer Staatspleite, bei dem die Schulden weggefallen sind.

    Selbst bei der argentinischen Staatspleite 2002 lag der Schuldenschnitt bei 50%.

    Im Fall Griechenland gab es aber in den vergangenen 3 Jahren bereits 3 Schuldenschnitte (1 der Privatglaeubiger, 2 von EU), dehalb ist es sehr unwahrscheinlich dass eine Staatspleite die griechischen Schulden merklich senken wuerde.

  • Zur Erinnerung: Die griechische Finanzkrise entstand, weil die Staatsausgaben nicht durch entsprechend hohe Einnahmen gedeckt waren. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Leider wurde das im Beitrag nicht erwähnt.

     

    Ein Kompromiss in Richtung Schuldenschnitt würde nur die bisher aufgelaufene griechische Schuldenlast tilgen, auf Kosten der übrigen europäischen Steuerzahler. Anschließend würde sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben sofort wieder öffnen, es sei denn, die griechische Regierung kann die übrigen Euro-Staaten überreden, auf unbestimmte Zeit die Differenz zu übernehmen. Alternativ wären in regelmäßigen Abständen Schuldenschnitte fällig.

     

    Gesetze können bei Bedarf erlassen, geändert oder außer Kraft gesetzt werden. Aber nicht die Gesetze der Mathematik, die gelten unerbittlich, ob es einem passt oder nicht. Daran können auch die im Beitrag erwähnten Demonstrationen nichts ändern!

  • „Staatspleite“ bedeutet nicht, dass alle im Land ansässigen Unternehmen und alle Bewohner des Landes ihren Schuldendienst nicht mehr leisten können, ihre Einnahmen nicht (mehr) ausreichen, um ihre Schulden („Verbindlichkeiten“) zu tilgen.

     

    Pleite ist also dessen „Staat“ dann, wenn er mit seinen eingenommenen von den Unternehmen und Bewohnern des Landes gezahlten Steuern seine Verbindlichkeiten („Staatsschulden“) nicht mehr begleichen kann.

     

    Griechenland kann mit den Möglichkeiten der Wirtschaft des Landes keinen „Staat“ begründen, also mit Steuereinnahmen ihn nicht aufrechterhalten. Mittel und Bedingungen Griechenlands reichen nicht aus, um damit einen von Mitteln anderer Länder unabhängigen „Staat“ zu ermöglichen.

     

    Auch Deutschland – ein Klein-Europa – hat Länder, deren Mittel und Bedingungen nicht ausreichen, um damit deren „Staat“, unabhängig von Mitteln anderer Länder Deutschlands, aufrechterhalten zu können.

     

    Die „Krise“ Griechenlands und weiterer Länder Europas ist Folge politischer Entscheidungen, welche aus einer Ideologie resultieren, dass die Wirtschaften aller bestehenden Länder so „wettbewerbsfähig“ sein können, dass sie mit ihrem „Staat“ unabhängig von Mitteln anderer Länder bestehen bleiben können.

     

    Bewältigung der „Krisen“ bedürfen politisch-ökonomischer Entscheidungen!

  • "Finanzminister Gianis Varoufakis appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich für eine „ehrenvolle Einigung“ einzusetzen. Sonst trage Deutschland die Verantwortung, sollte Griechenland über Bord geworfen werden ..."

     

    Für meinen Geschmack macht man sich in Griechenland bei weitem zu viele Sorgen um "Ehre" und öffentliches Erscheinungsbild - also um Kosmetik -, und bei weitem zu wenig darüber, wie man es schaffen kann, durch substanzielle, gern an linken Grundsätzen orientierte Modernisierungen von Staat und Gesellschaft sozusagen "von innen heraus" gut auszusehen.

     

    Aber vielleicht schätzt ja Varoufakis seine Landsleute richtig ein, wenn er meint, dass Kosmetik für sie einen hohen Stellenwert hat, und möglicherweise schreibt er also das, was nötig ist, um nach der Beschaffung neuer Geldmittel tatsächlich eine Modernisierung in diesem Sinne einzuleiten.

     

    Ob Syriza das nun wirklich will oder ob man auch dort nur ein paar hübsche tänzelnde Bewegungen macht, die so aussehen, als ob ... das wird sich zeigen. Dass eine Modernisierung auch tatsächlich in absehbarer Zeit erfolgreich umgesetzt wird, wage ich allerdings nicht zu glauben.

    • @Marzipan:

      Die bisherige Bilanz von Tsipras der letzten 5 Monate ist sehr bescheiden:

      - Nepotismus bei der Regierunsbildung

      - Schuldenerlass fuer Steuerschuldner

      - Nepotismus bei Wiedereroeffung des staatlichen Ruindfunks

      - geplanter Schuldenerlass fuer Steuerhinterzieher

      Ich kann da nichts vom versprochenem Reformprogramm erkennen, ich seh die Klientelpolitik der alten Regierungen (Pasok,ND) nahtlos fortgefuehrt.

      • @naemberch:

        Dass mit dem Schuldenerlaß für Steuerhinterzieher gab es auch in der BRD, solange es möglich war, sich selber anzuzeigen und damit der Geldstrafe für Steuerhinterziehung zu entgehen.

         

        Afaik hat das Mrd. in die deutschen Steuerkassen gespült.

        Inwiefern glauben Sie also, dass diese Maßnahme unsinnig war?