EU-Gegner in Großbritannien: „Dave-Deal“ nein, Brexit ja
Während David Cameron über einen Verbleib Großbritanniens in der EU verhandelte, trafen sich in London tausende Brexit-Fans.
Sogar der konservative Abgeordnete David Davis, einer der Sprecher der Lobbygruppe, stand vor geschlossenen Glastüren, bis man ihn gerade noch rechtzeitig vor seiner eigenen Rede in den mit 2.000 Gästen vollgepackten Raum ließ.
Einige der Brexit-Enthusiasten draußen gaben die Schuld für das Chaos der EU: „Europäische Sicherheitsvorkehrungen hätten keine weiteren Person für den übervollen Saal zugelassen“, witzelten sie.
Auf der Veranstaltung gaben sich Politiker aller großen britischen Parteien – mit Ausnahme der Liberaldemokraten und der Grünen – ein Stelldichein. Die Herren trugen Krawatten, auf denen das Wort „Go!“ auf neongrün-schwarzer Schattierung prangte, unter ihnen Nigel Farage, Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzender der EU-feindlichen „United Kingdom Independance Party“ (Ukip).
„Anders als Dave“, erklärte Farage schelmisch, „bin ich heute schon aus Brüssel zurückgekehrt.“ Dann verglich er Cameron mit dem bettelnden Oliver Twist und feuerte das Publikum an: „Wir Briten sind besser als das!“
Trotz der Verhandlungen David Camerons seien die britischen Grenzen nach wie vor so offen, dass sich Millionen Menschen vom britischen nationalen Gesundheitssystem behandeln lassen könnten.
„Der 'Dave Deal‘ ist nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben ist!“, so Farage weiter. „Wir haben einen Ausweg, und ich schlage vor, wir schlagen ihn ein, für unsere Freiheit, unser Recht und unsere Kinder und Enkel.“
Gegen die „EU-Knechtschaft“
Die Abgeordnete Kate Hoey – die einzige Labour-Rednerin neben vielen Konservativen und Geschäftsleuten auf der Veranstaltung – gab ihr Statement in sozialistisches Rot gekleidet ab. Im Zentrum stand dabei ihr Stolz britisch zu sein. Sie sprach von „verarmter Demokratie“ und „EU-Knechtschaft“.
Da war der Tory David Davis konkreter: Für ihn ist der Brexit nötig, um „unser eigenes Schicksal bestimmen zu können.“
Viele der Anwesenden, die aus London und Umkreis gekommen waren, wie die Lehrerin Roma Tahir, 37, Historiker Rupert Matthews, 53, Lastwagenfahrer Paul Kennedy, 54, und Student und Ukip-Mitglied Tony Emin, gaben an, sie wollten sich hier nur von Gleichgesinnten in ihrer Meinung bestätigen lassen.
Nur eine Minderheit war gekommen, um sich zu informieren. Die bisher zwischen den Fronten stehende 65-jährige Londoner Physiotherapie-Ausbilderin Glynis Watson verließ den Saal als Brexitbekennerin. „Ich bin heute überzeugt, dass wir auf unseren eigenen Beinen stehen können. Aber ich werde mir schon der Fairness wegen auch die Argumente des anderen Lagers anhören.“
Die Besucher waren bereits im Pub oder auf dem Weg nach Hause, als David Cameron aus Brüssel verkündete, er habe sein Versprechen eingehalten – und könnte deshalb den Briten einen Verbleib des Königreiches in der EU empfehlen.
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