piwik no script img

EU-Geberkonferenz für Corona-ImpfstoffDie EU muss ihre Redlichkeit beweisen

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die EU will die Forschung zu einem Impfstoff fördern. Doch das reicht nicht – es geht auch um Verteilungsfragen.

Wenn ein Corona-Impfstoff gefunden wird, müsste die EU ihn auch schnell und günstig verteilen Foto: reuters

I st die Geberkonferenz der EU für einen Corona-Impfstoff ein Versuch, sich in Konkurrenz zu den USA und China besser aufzustellen? Oder diente sie tatsächlich dem offiziell proklamierten Ziel einer schnellen Entwicklung und gerechten Verteilung eines Impfstoffs zur Eindämmung der Pandemie? Anlass zu Zweifeln gibt es aus mehreren Gründen. Nichtregierungsorganisationen, die bei der Bekämpfung der Coronapandemie engagiert sind, waren nicht eingeladen, Vertreter*innen von Ländern des Südens nur in unzureichender Zahl. Reichlich zugegen waren indes Pharmakonzerne, obwohl gerade die in den letzten drei Monaten eher blockiert als geholfen haben, beispielsweise beim Zugang zu Schnelltests.

Die Erfahrungen der letzten 30 Jahre sind auch kein Grund für Optimismus: Anfang der 90er Jahre wurde etwa das Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Bekämpfung von Aids unter dem Druck der USA eingestellt. Die US-Pharmakonzerne wollten Anti-HIV-Medikamente wegen der Aussicht auf künftige Milliardengewinne nicht mehr gemeinsam mit Forschern anderer Länder entwickeln, sondern lieber in Eigenregie.

Seit Ende der 90er Jahre setzten die Standortländer der weltgrößten Pharmakonzerne, USA, Deutschland, Schweiz und Großbritannien, zudem bei der Welthandelsorganisation strikte Patentschutzregeln durch. Das bedeutet: Sie verhindern, dass Menschen in armen Ländern mit Aids, Malaria oder anderen Krankheiten erschwingliche Generikamedikamente aus Südafrika oder Indien kaufen können. Die Forderung, diese Blockade durch Zwangslizenzen zu umgehen – also ohne ausdrückliche Genehmigung des Originalherstellers –, hat bis heute keine Chance. Kurzum: Pharmakonzerne haben sich bisher nicht damit hervorgetan, sich für weltweite Lösungen jenseits ihrer Gewinninteressen einzusetzen.

Öffentliche Gelder ohne klare Mechanismen

Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese ist deshalb schon jetzt höchst alarmiert. Er sieht „die Gefahr, dass Donald Trump das Prinzip,America first' durchsetzt und vorrangig die USA versorgen würde, falls dort ein Durchbruch für den Impfstoff gelingt“. Die Sorge ist nicht nur berechtigt, sie ist zugleich ein Indiz dafür, dass es der EU bei der Geberkonferenz um mehr geht als finanzielle Mittel für die Suche nach einem Impfstoff. Es geht auch darum, schneller zu sein als die anderen Akteure und das Rennen zu gewinnen.

Aber: Sollte der erhoffte Durchbruch zu einem Corona-Impfstoff zuerst in der EU gelingen, ist noch lange nicht garantiert, dass er dann auch schnell und preisgünstig für alle Erd­­be­woh­ner*innen zur Verfügung gestellt wird. Schließlich ist noch unklar, wer die zugesagten Mittel der Geberkonferenz überhaupt kontrolliert und wie sie verteilt werden. Die Hilfswerke Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe sind äußerst skeptisch, ob die EU-Kommission die richtige Instanz für diese Aufgabe ist. Es flössen öffentliche Gelder ohne klare Mechanismen zur Rechenschaftslegung, kritisieren sie. Es ist nun an der EU, alle Zweifel an der Redlichkeit ihres Engagements für den dringend gebrauchten Corona-Impfstoff auszuräumen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Es ist schon eine eigenartige Verbiegung von Informationen

    Die europäischen Länder unterstützen einen globalen Fond mit signifikanten Spenden...andere Länder folgen oder lehnen ab. Und der Artikel redet schlecht über die Spender und ignoriert die Nationen die einen Beitrag ablehnen.

  • Was soll denn das für einen Unterschied machen, ob nun die USA, China oder Europa den Impfstoff zuerst bereitstellen kann? In all diesen Fällen wird es um Profit gehen und nicht um die Gesundheit der Menschen. Wie der Autor schon treffend formulierte:

    'Pharmakonzerne haben sich bisher nicht damit hervorgetan, sich für weltweite Lösungen jenseits ihrer Gewinninteressen einzusetzen.'

    Und zwar ganz unabhängig davon, wo sie beheimatet sind, wenn man bei diesen global agierenden Konzernen überhaupt noch von Heimat sprechen kann.

    Wenn also Geld eingesetzt werden soll, dann wäre es endlich an der Zeit, dieses für zwei wesentliche Dinge auszugeben:



    1. Stärkung der körpereigenen Immunabwehr der Menschen



    2. Wirklicher Schutz der Risikogruppen in einer Form, die diese Menschen nicht wegsperrt.

    Es ist ein Skandal, dass diese beiden Themen auf allen Ebenen der Politik keine Rolle spielen. Diese kennt nur Restriktionen und Überwachung bis endlich der Impfstoff da ist. Das ist ziemlich arm.