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EU-Freihandel mit den USACinéma bleibt vorerst geschützt

Vor dem Besuch von Präsident Obama: Frankreich setzt Ausnahmen bei der Freihandelszone für den Kulturbereich durch. Die Europäer feiern das als Erfolg.

Darf weiter vom Staat subventioniert werden: Audrey Tautou als "Amelie" im Film von Jean-Pierre Jeunet. Bild: ap

BRÜSSEL taz | US-Präsident Barack Obama darf sich freuen: Pünktlich zu seiner Europareise hat die EU grünes Licht für Verhandlungen über eine vollständig liberalisierte transatlantische Freihandelszone gegeben. Allerdings wissen wenige, was dieses Willkommensgeschenk beinhaltet: Das Mandat der EU-Kommission für die Gespräche mit den USA ist nämlich geheim.

Klar ist nur, dass Film und Fernsehen ausgeklammert werden – vorerst. Für die „exception culturelle“ hatte sich vor allem Frankreich stark gemacht. Unterstützt von Belgien und Rumänien, drohte die französische Handelsministerin Nicole Bricq bei einem EU-Treffen in Luxemburg stundenlang mit einem „Non“. Erst als EU-Handelskommissar Karel de Gucht am späten Freitagabend zustimmte, den audiovisuellen Sektor auszuklammern, lenkte sie ein.

Frankreich behält nun das Recht, das heimische Cinéma zu subventionieren und sich gegen die Studios aus Hollywood zu verteidigen. Auch den digitalen Markt für Film und Fernsehen will Paris ausnehmen. De Gucht ist damit jedoch nicht einverstanden. Man habe nichts ausgeklammert, die Kultur könne jederzeit wieder in den Liberalisierungs-Katalog aufgenommen werden. Dazu ist allerdings ein einstimmiges Votum der 27 EU-Staaten nötig, Paris könnte erneut in Veto einlegen.

Sogar Merkels Ex-Sprecher erfreut

Die europäische Kulturszene feierte die Einschränkung als Erfolg. „Europa hat gesiegt, die Zivilisation hat gesiegt“, jubelten die belgischen Filmemacher Jean Pierre und Luc Dardenne. Sogar der frühere Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, heute Intendant des Bayerischen Rundfunks, lobte die Übereinkunft.

Bei den Verhandlungen, die nach EU-Schätzungen jedem Haushalt 545 Euro Mehreinnahmen im Jahr bescheren sollen, werden auch Reizthemen wie US-Hormonfleisch und genveränderter Mais angepackt. Verbraucherschützer fürchten einen Angriff auf mühsam erkämpfte EU-Standards. Die Grünen kritisierten, dass nicht einmal alle Europaparlamentarier Zugang zum geheimen Verhandlungsmandat erhalten.

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13 Kommentare

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  • F
    FMH

    @EU-Kommission für Korruption, Verrat und Verkauf

     

    Was haben Sie denn? Sie Kritisieren die Rundfunkzwangsabgabe damit was RTL bringt? Wann haben Sie denn zum letzten Mal die öffentlich-rechtlichen Programme angesehen?

    Ich habe Dank DVT nur solche Sender und kann Ihnen sagen, dass dort fast ausschließlich überteuerte deutsche Liebesschmonzetten und Krimis, sowie Importe aus Skandinavien neben der üblichen Volksmusik-, Talkshow- und Nazidokudreck läuft. (Zu letzteren: ZDFinfo scheint täglich 60% seiner besten Sendezeit mit Hitler zu füllen).

    Ich kann ihnen sagen, ein wenig US-Einfluss in den ÖR wäre nicht schlecht. Vor allem beim Tatort, weil ich diese Superheldenpolizisten da nicht mehr sehen kann. Antihelden braucht das Land.

  • EF
    EU-Kommission für Korruption, Verrat und Verkauf

    Derzeit werden wir mithilfe der Zwangsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gezwungen, den Unterhaltungsmüll aus den VSA zu finanzieren. Das trifft nicht nur auf Deutschland zu, sondern die gesamte EU. Daran wird ein Freihandelsabkommen nichts ändern. Natürlich werden die Amis dafür sorgen, dass sich am status quo nichts ändert. Mit oder ohne Erpressung und Bestechung. Profitieren tun aber auch andere Interessensgruppen, z. B. RTL-Mutterkonzern Bertelsmann:

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/datengeschaefte-wie-bertelsmann-an-der-rundfunkgebuehr-verdient/8125564.html

     

    Ändern muss sich etwas in der EU! Ein wenig Distanz zu dem Dreck, der als Unterhaltung verkauft wird, wäre ein wichtiger Anfang. Dann kann man sich vernünftige Gedanken darüber machen, ob Grundrechte für diesen Dreck geopfert werden dürfen.

     

    Ich erwarte, dass zum Ende der geheimen, undemokratischen Verhandlungen die Beteiligten mit prall gefüllten Taschen und Stolz auf ihr Ergebnis sehen werden, während wir EU-Bürger, mal wieder über den Tisch gezogen, uns nur fragen, wohin dieses System führt. Mit der EU-Kommission sind und bleiben wir stets verraten und verkauft.

     

    Wie wäre es, mal mit den Amis das Thema Menschenrechte anzusprechen? Oder haben unsere EU-Pussies zu viel Angst davor?

  • Y
    Yaltenbrucker

    Na ja, davon ist Deutschland ja nicht betroffen - hier gibt es schon lange keine audiovisuellen Kulturleistungen (mehr). Dass diese Ausnahme den zivilisierteren Franzosen wichtig ist, ist natürlich klar - und verständlich!

  • KW
    Kaiser Wilhelm

    @Bismarck

     

    Ich glaube, Du hast mich mißverstanden, Bissi. Ich habe zum Glück und Dank vieler Freunde und Helfer mehrere Low- und No Budget Produktionen realisieren können, die zuvor von deutschen Förderern und Sendern abgelehnt wurden. Alle diese Produktionen haben Publikumspreise auf Festivals erhalten und sind teilweise ans Fernsehen verkauft worden. Nicht ans deutsche Fernsehen, soweit ging die Liebe der Redakteure dann doch nicht. Aber von Al Jazeera bis zu HBO waren viele dabei - weil es eine Haltung und eine Handschrift gibt. Das sind Dinge, die in Deutschlands Fernsehförderwelten kaum noch durchkommen. Filmemachen braucht keine Zensur und auch keine Filmförderung. Die ÖR-Sender sollten einfach verpflichtet werden, sämtliche ausgestrahlten Filme auf dem freien Markt anzukaufen (ohne zuvor mitzumischen), dann wäre die gesamte Situation extrem entspannt.

  • MS
    Mario Simeunovic

    Zu ergänzen wäre noch, dass nach einem Bericht der Financial Times sowohl London als auch Berlin versucht haben, die Forderung Frankreich nach Ausnahme des kulturellen Sektors zu unterlaufen.

    Ohne den "Förderscheiss", gegen den hier in einem Beitrag polemisiert wird, gibt es kein europäisches Kino, dass gegen Hollywood Produktionen konkurrieren kann. Sind die Förderstrukturen erst einmal zerstört, wird die kulturelle Eigenständigkeit dem Untergrund kaum noch entkommen können. Damit wird kulturelle Vielfalt und Identität in Europa nicht mehr zur Erfahrungswelt aller Europäerinnen und Europäer gehören sondern geriete zum exklusives Vergnügen einer kleinen interessierten Minderheit.

  • B
    Bismarck @Wilhelm

    Hallo Wilhelm!

     

    Sie wollen selber für die Schublade produzieren? Oder gar nicht? Viel Spaß!

  • J
    JadotA

    Politrickser wollen insgeheim verhandeln.

    Klaro, kein Gauner lüftet vorher seine Ziele.

    Als Gegenzug will uns aber das Politkrämerpack total überwachen (lassen).

    Stets vogelfrei und kostenlos.

    Ich finde solche Vertrauensteste sehr wichtig für, für, für… Mist! Ich hab’s vergessen.

  • J
    JadotA

    Zitaz: »Das Mandat der EU-Kommission für die Gespräche mit den USA ist nämlich geheim.«

    Klasse !

    Das macht Laune.

    Ich hab sowieso ein blindes Vertrauen zu unseren Polytickern. Sie wollen uns Wähler nur mit technischen Details verschonen. Manche denken hier, es würde sich insgeheim nur um Sex, Geld, Macht und Wetter gehen. Falsch gefehlt! Nicht immer. Das Wetter spielt praktisch keine Rolle.

  • KW
    Kaiser Wilhelm

    Ich als Filmemacher der jüngeren Generation hätte mir die vollständige Liberalisierung des Film- und Fernsehsektors erhofft.

     

    Die gängige Förderpraxis führt dazu, daß ungefähr 10x soviel produziert wird, wie die Zuschauer vertragen können und dazu alles nach immer stärkerer inhaltlicher Mitbestimmung der Förderer (ja, der Filmförderer, die ganz unverhohlen sagen, welche Art Stoffe in welcher Schreibart sie gerne hätten für die nächste Förderrunde - und bitteschön immer auch massenkommunikationstauglich).

     

    Das Ergebnis: Alles perfekt durchkomponierte Stoffe ohne eigene Handschrift, die in der Masse kolossal langweilen und überhaupt erst zu den rückläufigen Kinobesucherzahlen führen.

     

    Lieber weniger Filme und dafür bessere!!! Mit der Digitaltechnik kann heute ohnehin jeder drehen, der etwas zu sagen hat, jeder seinen Stil finden, der etwas kann. Mit Crowdfunding lässt sich das auch noch finanzieren. Und wer sich bewährt, kann dann ja aufsteigen. Bloß: Kampf diesem unsäglichen Förder-Mittelmaß! Mehr Anarchie! Weg mit dem Förderscheiss!

  • TF
    Thomas Fluhr

    545€ im Durchschnitt pro Haushalt? d.h. wie immer 99% für 1%, der Rest für die restlichen 99%. Warum macht ihr das mit und lasst euch so vor das Pferd spannen? Diese Verlogenheit ist unerträglich, wie kaum jemand etwas von der EU hat wird's auch mit diesem Abkommen werden. Und wir sollen vieles schlucken...

  • KW
    Kaiser Wilhelm

    Ich als Filmemacher der jüngeren Generation hätte mir die vollständige Liberalisierung des Film- und Fernsehsektors erhofft.

     

    Die gängige Förderpraxis führt dazu, daß ungefähr 10x soviel produziert wird, wie die Zuschauer vertragen können und dazu alles nach immer stärkerer inhaltlicher Mitbestimmung der Förderer (ja, der Filmförderer, die ganz unverhohlen sagen, welche Art Stoffe in welcher Schreibart sie gerne hätten für die nächste Förderrunde - und bitteschön immer auch massenkommunikationstauglich).

     

    Das Ergebnis: Alles perfekt durchkomponierte Stoffe ohne eigene Handschrift, die in der Masse kolossal langweilen und überhaupt erst zu den rückläufigen Kinobesucherzahlen führen.

     

    Lieber weniger Filme und dafür bessere!!! Mit der Digitaltechnik kann heute ohnehin jeder drehen, der etwas zu sagen hat, jeder seinen Stil finden, der etwas kann. Mit Crowdfunding lässt sich das auch noch finanzieren. Und wer sich bewährt, kann dann ja aufsteigen. Bloß: Kampf diesem unsäglichen Förder-Mittelmaß! Mehr Anarchie! Weg mit dem Förderscheiss!

  • F
    FaktenStattFiktion

    Wie lange muss der deutsche Steuerzahler eigentlich noch Filme aus Frankreich und deutsches "auf-die-Bühne-urinieren"-Schauspiel finanzieren?

     

    Das ist auch eine Form des Kulturimperialismus. Schluss damit - und stattdessen Steuern senken!

  • D
    D.J.

    "Europa hat gesiegt, die Zivilisation hat gesiegt."

     

    Bei einem solchen Maß an Arroganz, das sich Europa nach einem Jahrhundert voller Barbarei sicher nicht leisten kann, habe ich das dringende Bedürfnis mich zu übergeben.