EU-Dreiergipfel auf Flugzeugträger: Baustellen statt Visionen
Auf einem Flugzeugträger beginnen drei Staatschefs mit den Planungen für eine attraktive Post-Brexit-EU. Die Probleme sind gravierend.
Nicht immer geht es dabei so spektakulär zu wie am Montag, als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef Francois Hollande und Italiens Premier Matteo Renzi auf einem Flugzeugträger vor der Küste von Neapel trafen.
Renzi und Hollande hätten das zwar gerne einen „Neustart“ der EU mit mehr Investitionen, weniger strikten Budgetregeln und einer expansiveren Wirtschaftspolitik. Doch Merkel steht auf der Bremse. Nicht „mehr Europa“, sondern eine bessere EU-Politik heißt ihr Motto. Aktuell lassen sich fünf Reform-Baustellen ausmachen:
Fünf ungelöste Streitpunkte
Eurozone: Die Währungsunion ist seit Beginn der Schuldenkrise in Griechenland unter Druck. Der Brexit könnte zu neuen Turbulenzen führen, vor allem Italien gilt als gefährdet. Doch die Reformen stocken. Deutschland blockiert die gemeinsame Einlagensicherung, die die Bankenunion krönen sollte. Merkel sträubt sich egen Maßnahmen, die Währungsunion solidarisch zu machen.
Verteidigung: Frankreich fordert eine Erhöhung der Rüstungsausgaben, Italien liebäugelt mit einer gemeinsamen Armee. Bisher haben die Briten das verhindert, nun könnte die EU handeln. Allerdings muss sie zunächst die Beschlüsse abarbeiten, die schon Ende 2014 getroffen – und bisher nicht umgesetzt – wurden. Ausgerechnet Deutschland hinkt bei den Rüstungsausgaben hinterher, schnelle Fortschritte werden nicht erwartet.
Innere Sicherheit: Auch hier macht Frankreich Druck. Doch bisher wurde nicht einmal der Maßnahmenkatalog umgesetzt, den die EU nach dem Terroranschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ Anfang 2015 beschlossen hatte. Nach den Anschlägen in Ansbach und Würzburg legt nun allerdings auch Deutschland mehr Tempo vor. Von einer gemeinsamen Linie ist man jedoch noch weit entfernt, wie der Streit um ein Burka-Verbot zeigt.
Jugendarbeitslosigkeit: Kurz vor der Europawahl 2014 hat die EU eine „Jugendgarantie“ beschlossen, die allen arbeitslosen Jugendlichen ein Job- oder Ausbildungsangebot sichern sollte. Doch bisher wurde sie nur mangelhaft umgesetzt. Vor allem in Südeuropa hat sich nichts an der katastrophalen Lage geändert. Ergebnis: Viele Jugendliche wenden sich enttäuscht von der EU ab; Europa droht eine „verlorene Generation“.
Demokratie: Für viele Briten war sie eins der wichtigsten Themen beim EU-Referendum. Doch Brüssel zögert hier. Im Rat, der Vertretung der EU-Staaten, gibt es sogar Pläne, die Direktwahl des Kommissionspräsidenten wieder abzuschaffen. Auch die Bürgerbeteiligung wird eingeschränkt: So lehnte es die EU ab, ein Bürgerbegehren zum Freihandelsabkommen TTIP anzunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren