EU-Asylsystem GEAS: Sechsjährige ins Lager
In Brüssel läuft die letzte Verhandlungsrunde zur Reform des EU-Asylrechts. Der Rat will, dass auch Kinder für Schnellverfahren interniert werden.

Parlament, Rat und Kommission beraten dabei über die letzten von insgesamt zehn Einzelnormen. Sie werden weitgehende Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen und Migrant:innen in der EU bringen.
Auf dem Tisch liegt unter anderem ein Konzept zu Schnellverfahren an den Grenzen – aber auf EU-Territorium – während denen die Ankommenen als nicht eingereist gelten.
Die Grünen hatten die Schnellverfahren, die Deutschland 2019 ins Spiel gebracht hatte – lange kategorisch abgelehnt. Im Frühsommer aber stimmte Deutschland im Rat den Kommissionsvorschlägen zu. Die Bedingung der Ampel – und insbesondere der Grünen – war dabei lange, dass Minderjährige von diesen Verfahren ausgenommen werden. Schon früh aber war klar: Andere EU-Staaten bestehen auf einer möglichst lückenlosen Anwendung der neuen Regelung.
Nach Beratungen mit dem Parlament entschied sich die spanische Ratspräsidentschaft nun, sechs Jahre als Kompromiss vorzuschlagen.
Faeser will zustimmen
„Ein Skandal“, kritisierte Meike Riebau von der Hilfsorganisation Save the Children Deutschland. Dass nun auch Sechsjährige in die Lager kommen sollen, sei „Ergebnis einer Reihe von überstürzten Absprachen in letzter Minute“, sagte Michele LeVoy, die Direktorin der Europäischen Plattform für Menschen ohne Papiere (PICUM). „Dies ist ein Tiefschlag für die international anerkannten Kinderrechte, die vorschreiben, dass kein Kind in Einwanderungshaft genommen werden darf.“ Länder auf der ganzen Welt haben sich verpflichtet, auf die Beendigung der Inhaftierung von Kindern im Transit hinzuarbeiten, so Le Voy. „Das kann nicht die Art und Weise sein, wie Europa regiert wird.“
Am Dienstag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt, Deutschland werde dem GEAS-Gesetzestext auch zustimmen, wenn die Ausnahme für Minderjährige nicht durchsetzbar sein sollte.
Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 18. Dezember angesetzt. Offen sind unter anderem die so genannte Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung (AMMVO/AMMR), die das Dublin-System ablösen und die Asylverfahrensverordnung. Andere Elemente des GEAS wie die Aufnahmerichtlinie sind bereits ausverhandelt. Die spanische Ratspräsidentschaft will noch in diesem Jahr zu einer Einigung kommen. Die Abstimmung des Europäischen Parlaments wäre dann für Anfang März 2024 vorgesehen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens