ESC-Vorjahressiegerin: Verändert Conchita Wurst Europa?
Sie redet in Brüssel, Ban Ki Moon nennt sie Botschafterin für Respekt. Dabei hat Conchita Wurst nur einen Gesangswettbewerb gewonnen.
Am Samstagabend wird Conchita Wurst in Wien beim Eurovision Song Contest „Rise Like A Phoenix“ singen. 10.000 Menschen werden ihr zujubeln. Mit diesem Lied wurde sie im Vorjahr Siegerin des Gesangswettbewerbs.
Mehr als 200 Millionen Zuschauer weltweit werden das Popspektakel vor dem Fernseher verfolgen. Der Eurovision Song Contest ist die einzige gesamteuropäische Großveranstaltung. Sängerinnen und Sänger aus über 40 Ländern nehmen daran teil. Die Europäische Rundfunkunion, die das Event veranstaltet, richtet sich nicht nach EU-Außengrenzen. Zu ihren Mitgliedern zählen Länder wie Aserbaidschan, Russland und Israel. Zum ersten Mal in der 60-jährigen Geschichte wird auch Australien am Eurovision Song Contest teilnehmen.
Als Conchita Wurst im vergangenen Jahr in Kopenhagen gewann, hatte sie eine Botschaft: „We are unstoppable“ – Wir sind nicht aufzuhalten. Und das hat sie genau so gemeint. Denn seit diesem Zeitpunkt ist Conchita Wurst unaufhaltsam: Sie reist um die Welt, war in Australien und Amerika, hat Madonna getroffen und eine Biografie veröffentlicht.
Die 26-Jährige erzählt in dem Buch von ihrer Kindheit und Jugend in der österreichischen Gemeinde Bad Mitterndorf. Dort ist Tom Neuwirth, der Mann, der hinter Conchita Wurst steckt, aufgewachsen. Er hat viel Liebe und Offenheit von seiner Familie erfahren, aber auch Diskriminierungen von Nachbarn und Mitschülern. Dagegen kämpft Conchita Wurst heute an. Aber sie ist keine aggressive Kämpferin, sie setzt auf Verständigung, auf Liebe und Respekt.
„Politikerin mit Popmandat“
Und sie wird gehört: Elton John, Karl Lagerfeld und Jean Paul Gaultier sind begeistert von ihr. Conchita Wursts offizielle Facebook-Seite hat über 900.000 Likes. Der Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, sagte der österreichischen Gratiszeitung Heute, er freue sich für Thomas Neuwirth, der mit seinem Auftritt als Conchita Wurst einen solchen Erfolg habe. „Im bunten Garten Gottes“, gebe es auch Menschen, die sich als das jeweils andere Geschlecht fühlten. „Sie verdienen als Menschen den Respekt, auf den wir alle ein Recht haben“, sagte Schönborn.
Vor einem Jahr hat sie den Eurovision Song Contest gewonnen, mit Bart und Abendkleid. Heute ist sie so etwas wie die Botschafterin Europas. Eine Annäherung an Conchita Wurst lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23./24. Mai 2015. Schwaben meets Silicon Valley. Eine Woche tourt Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann mit einer Delegation durch Kalifornien – Peter Unfried hat sie zu den Weltmarktführern der Zukunft begleitet. Außerdem: Der Saxofonist Kamasi Washington brilliert mit seinem Debutalbum „The Epic“. Wir haben ihn in Los Angeles getroffen. Und: Eine Einführung in die orgasmische Meditation. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Die Grünen-Fraktion im EU-Parlament hatte Conchita Wurst im Oktober vergangenen Jahres nach Brüssel eingeladen. Dort hielt sie eine Rede für die Europäische Idee, für Völkerverständigung, gegen Antisemitismus, Rassismus und Homophobie: „All I'm asking for is respect, and freedem, and love.“
Nur wenige Wochen später hatte die Sängerin einen Auftritt in der UN-Niederlassung in Wien. Ban Ki Moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, nannte Conchita Wurst eine Botschafterin für Respekt und Vielfalt, für Grundwerte der Vereinten Nationen.
In der taz.am wochenende vom 23./24. Mai beschäftigen sich die taz-Autoren Jan Feddersen und Saskia Hödl in ihrer Geschichte „Die Unaufhaltsame“ mit Conchita Wurst als Botschafterin Europas. Sie stellen fest, dass Conchita Wurst eine neue Kategorie der ESC-Sieger eröffnet habe: „Politikerin mit Popmandat“.
Conchitas Sieg setzte ein Zeichen für ein offenes und vielseitiges Europa. Und das in einer Zeit, in der in einer Studie der EU-Grundrechteagentur aus dem Jahr 2013 fast die Hälfte aller Befragten aus den 27 beteiligten EU-Ländern angab, im vergangenen Jahr wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden zu sein, in einer Zeit, in der konservative und rechtspopulistische Parteien in Europa in den vergangenen Jahren stärker geworden sind.
Wird Conchita Wursts Botschaft dennoch gehört? Verändert sie Europa?
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Die Titelgeschichte „Die Unaufhaltsame“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23./24.Mai 2015.
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