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ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #1Gut für die Verkehrssicherheit

Jan Feddersen
Kolumne
von Jan Feddersen

Kurz vorm 60. Eurovision Song Contest landen wir in Wien und stehen erfreut vor genderpolitisch korrekten Ampelpersonen.

Händchenhaltend und mit Herzchen: Wiener Lichtsignalanlagen. Bild: reuters

N ein, da wurde fast niemand mitgenommen und abgeholt, die Vizebürgermeisterin ölte nicht von „Kommunikation auf Augenhöhe“ mit dem Wiener Volk: Montag, faktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, waren 49 (der 1280) Verkehrsampeln in Wien an prominenten Straßenübergängen plötzlich anders.

Besser: Das Grün strahlte plötzlich nicht mehr, wie man es gewohnt ist, das Rot auch. Nicht mehr ein Männchen wird gezeigt, wenn das Signal zum gefahrlosen Passieren des Zebrastreifens auf Grün oder Rot schaltet – sondern Paare sind es, die man von der anderen Straßenseite, sozusagen in wartender Position sieht.

Auch ungewöhnliche – wenigstens aus der Perspektive der Mehrheit der Fußgänger - Paare. Genauer gesagt: drei Paarmöglichkeiten aus Zwei-Mensch-Kombinationen. Einmal ein mann-weibliches Paar (der heteronormative Klassiker sozusagen), aber auch ein schwules und ein lesbisches Paar.

Federführend für dieses Projekt ist die Wiener Grüne Maria Vassilakou, zweitwichtigste Politikern der rot-grünen Koalition im Wiener Stadtparlament. Die war vor einigen Monaten in Australien zu einer Fußgängerkonferenz – ja, so etwas gibt es! – und erfuhr, dass es in Wellington, Neuseeland, einen Verkehrsampelversuch gab, der das auch dort übliche Männchen nicht ersetzte, aber durch ein Weibchen ergänzte. Die Absicht war keine genderpolitische, sondern eine, um die Sicherheit an Straßenübergängen zu erhöhen.

Peter Kraus, Büroleiter der Vizebürgermeisterin und mitverantwortlich für die Realisation der Wiener Aktion, sagte: „Die Menschen gucken besser auf den Verkehr, auf die Gefahren, die an Fußgängerüberführungen liegen – indem man durch das neue Symbol überrascht wird, ist man besser fokussiert auf den Verkehr auch selbst.“

Ampel mit Herz

Aber in Wellington war es nur ein Akzent – immerhin –, doch in Wien war noch noch vollkommen überwältigt von Conchita Wurst, von ihrem Sieg beim ESC und vom Gefühl, in ihr dem Publikum noch andere Wirklichkeiten anbieten zu können: Man ersetzte die Männchen durch Paare – und bei genauem Blick fällt auf, dass zwischen allen Paaren je ein Pünktchen sichtbar wird, von Nahem erkennt man ein – Herz. Das ist so wienerisch, wie es irgend geht: Alles der Selbstachtsamkeit im Trubel des Straßenverkehrs.

Berlin hatte neulich keinen Mut, seine Verkehrslichtzeichen umzustylen: Schon das Wellingtoner Modell führte zu brüsken Protesten. Aber Deutschland hat ja auch keine Conchita Wurst hervorgebracht, insofern ist Berlin da kein Vorwurf zu machen, hasen-, besser häsInnenherzig, wie es ja meist in puncto Stadtdesign oft ist.

Im Übrigen ist die Wiener Aktion eine Pilotgeschichte. Bis Ende Juni sollen die 49 (von insgesamt 1280 Ampeln) im Wiener Stadtgebiet in dieser Weise an 120 Zebrastreifen weiter leuchten. Offen ist, ob dieser Paradigmenwechsel in der Verkehrssymbolpolitik dann bleiben darf. Das pure Männchenzeichen blieb ja 64 Jahre unangefochten: 1926 wurde die erste Ampel in Wien installiert, an der Oper, der neumodischen Autos wegen, die den Pferdedroschken in die Quere kamen. 1951 die erste für Personen.

Queere Wochen

Bürgermeisterin Vassilakou möchte freilich die queere Verkehrsaktion nicht als Symbolpolitik missverstanden. Durch Kameras und Kontaktmelder wird momentan untersucht, ob die Änderung der Genderkonstruktionen auf den gläsernen Ampelscheiben wirklich zu einem gewissen „Oops!, was ist das denn?“ der Fußgänger führt. Sicher ist nur: Es ist auch ein Zeichen der queeren Wochen in Wien. Am 23. Mai ist ESC-Finale, am Wochenende der Life Ball (das gesellschaftliche Benefiz-Ereignis), im Juni schließlich die CSD-Parade.

Und die Bevölkerung, die man nicht einband mit ermüdenden Debatten? Unter 1000 Mails erhielt das Bürgermeisterinnenamt bislang. Ein Drittel wünscht sich, dass die Umcodierung bestehen bleibt, ein weiteres Drittel empörte sich über den neuen Beleg für „Genderwahn“ – und das letzte Drittel schrieb in etwa: „Geh' doch zurück nach Griechenland.“

Aber ob es an den Ampeln allein liegt? Wien strahlt über das übliche hinaus – es feiert den kommenden Eurovision Song Contest, alle scheinen freundlich: Conchita Wurst sei Dank!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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4 Kommentare

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  • Homosexualität hat mit Gendern und Genderwahn nichts zu tun.

    Europa hatte lange Jahre eine gesetzlich verordnete Homophobie. Homosexuelle Männer wurden ins Gefängnis geworfen - Frauen wurden nicht verfolgt. Vor ca. 20-40 Jahren wurde die Strafbarkeit schrittweise aufgehoben und jede_r durfte so sein wie sie oder er wollte und auch gut finden was sie oder er wollte.

    Inzwischen wurde diese Freiheit durch den Homophobiewahn abgelöst. Jede_r die oder der Homosexualität nicht genauso gut, anziehend etc. wie Hetereosexualität findet, ist plötzlich homophob. Homosexuelle, die Heteros spiessig oder was auch immer finden, wären demnach heterophob - aber genauso wie der Genderwahn geht der Homophobiewahn nur in eine Richtung.

    Lasst uns doch jede_n so leben wie sie oder er mag - mit seinen bzw. ihren Vorlieben. Homophobie sollte dort angekreidet werden wo Homosexuelle Menschen verfolgt werden - wie z.B. in

    Russland, Algerien, Jordanien oder Afghanistan und erst recht dort wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht wie in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Iran und Somalia.

  • Dürfen auch "Heteros" die so beampelten Zebrastreifen benutzen?

    • @lichtgestalt:

      Klar - in Begleitung Erwachsener

  • "…Kurz vorm 60. Eurovision Song Contest landen wir in Wien und stehen erfreut vor genderpolitisch korrekten Ampelpersonen.…"

     

    Jau - "und staunend liest's der anbetroffne Chef."