EPH übernimmt Vattenfalls Braunkohle: Viel Schotter für die Kohle
Rund 1,7 Milliarden Euro legt Vattenfall auf den Tisch, um die Braunkohle loszuwerden. Der Käufer EPH ist fürs rigorose Geldmachen bekannt.
Der schwedische Staatskonzern Vattenfall will seine Braunkohlesparte an den tschechischen Energiekonzern EPH und dessen Finanzpartner PPF Investments abstoßen. Das gab das Unternehmen am Montag bekannt.
Das Geschäft umfasst alle Kraftwerke und Tagebaue von Vattenfall in Deutschland mit zusammen 7.500 Mitarbeitern: die Kraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe sowie den 50-Prozent-Anteil am Kraftwerk Lippendorf, außerdem die Tagebaue Jänschwalde, Nochten, Welzow-Süd, Reichwalde und den kürzlich ausgekohlten Tagebau Cottbus-Nord.
Vattenfall hat dem Käuferkonsortium Barmittel in Summe von umgerechnet rund 1,7 Milliarden Euro angeboten. Dafür wollen die beiden Unternehmen das Braunkohlegeschäft einschließlich aller Anlagen übernehmen sowie außerdem die Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die sich für Rekultivierungen auf rund 2 Milliarden Euro belaufen.
Vattenfall teilte mit, das Geschäft werde sich in der Konzernbilanz des zweiten Quartals mit einem Verlust von rund 2,5 Milliarden Euro niederschlagen. Allerdings, so der Konzern, würden die negativen Auswirkungen auf die Bilanz noch größer ausfallen, würde Vattenfall die Braunkohlesparte behalten.
Greenpeace kam nicht zum Zug
Die Mitgift Vattenfalls liegt nicht weit entfernt von jenem Betrag, den Greenpeace im Herbst ausgerechnet hatte: Die Organisation hatte angeboten, bei Zahlung von 2 Milliarden Euro Vattenfalls Braunkohle zu übernehmen, wurde im Weiteren Verfahren aber nicht mehr zugelassen. Interesse gezeigt hatten auch das Stadtwerke-Konsortium Steag sowie der überwiegend staatseigene tschechische Energiekonzern CEZ, doch beide stiegen aus.
Vattenfall teilte außerdem gestern einige Rahmenbedingungen mit: Während der ersten drei Jahre nach der Transaktion dürfen keine Dividenden an den neuen Eigentümer gezahlt oder Rückstellungen aufgelöst werden. In den folgenden zwei Jahren ist die Gewinnabschöpfung vertraglich auf eine betriebsübliche Rendite begrenzt. Ein unmittelbarer Kapitalabfluss soll so verhindert werden.
Was nach diesen Fristen geschehen wird, ist schwer abschätzbar – denn die genauen Pläne der Investoren sind unklar. Schließlich sind die wirtschaftlichen Perspektiven der Branche angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks auf die Braunkohle in Deutschland und der massiv gefallenen Strompreise im Großhandel eher bescheiden.
Es liegt zumindest nahe, dass der Investor EPH (Energetický a prumyslový holding) auf Synergien hofft, nachdem er über seine Tochter EP Energy seit 2012 bereits alleiniger Gesellschafter der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag) ist.
Reichster Mann Tschechiens
EPH ist bekannt dafür, Energiefirmen günstig aufzukaufen, um dann Geld herauszuziehen. Zentraler Akteur ist der Unternehmer Petr Kellner, der als reichster Mann Tschechiens gilt und Mehrheitseigner der PPF ist. Seine Geschäftsmethoden werden zuweilen als „knallhart“ beschrieben. Laut Medienberichten im Zusammenhang mit den jüngsten Enthüllungen der Panama-Papiere besitzen er und seine Frau mehrere Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln.
Obwohl Vattenfall sich nun mit dem Käufer-Konsortium geeinigt hat, ist das Geschäft noch nicht gesichert. Denn die schwedische Regierung als Eigner von Vattenfall muss es noch genehmigen.
Und das könnte in Schweden zu einer öffentlichen Debatte führen. Denn es steht vor allem eine Frage im Raum: Will ein Staat, der mit dem Abschied von der Braunkohle klimapolitische Ziele verfolgt, ein Portfolio an einen Investor verkaufen, der das Geschäft unverändert weiterbetreibt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?