EMtaz: Zu viel Patriotismus, wieder mal: Die Feinde Kroatiens
Hooligans stören das EM-Spiel gegen Tschechien, indem sie Bengalos zünden. Es ist der nächste Skandal in einem großen braunen Fußballsumpf.
Dutzende bengalische Feuer auf dem Rasen, Böller, die Ordner treffen, Spielunterbrechung, Schlägereien im kroatischen Block. Nach dem Spiel Kroatien-Tschechien am frühen Freitagabend darf sich die Uefa-Disziplinarkommission wieder über Arbeit freuen. Am 20. Juni soll das Strafmaß gegen den kroatischen Verband HNS verhandelt werden. Ihm droht eine empfindliche Strafe, die ähnlich wie bei Russland zum EM-Ausschluss auf Bewährung reichen könnte.
Die Bilder bewiesen wieder einmal, dass die kroatischen Fans das sind, was ihr prominentester Gegner, Michel Platini, ihnen im Jahr 2012 bescheinigt hatte: „Arschlöcher“.
Platini und die Uefa sind allerdings Teil des Problems, um das es den kroatischen Hooligans geht. Mit gleichem Recht nämlich hätte Platini auch die führenden Figuren des HNS als Arschlöcher titulieren können. Das passierte jedoch nicht. Im Gegenteil.
2015 wurde Davor Suker, amtierender Präsident des HNS und ehemaliger Weltfußballer, in das Exekutivkommittee der Uefa berufen, wo er immer noch ist. Und das, obwohl die Uefa gegen ihn im Zusammenhang mit dem Wettskandal rund um Ante Sapina eine Disziplinaruntersuchung einleiten musste, die freilich im Sande verlief. Dass Suker wegen illegalen Schmuggels antiker griechischer Münzen im Wert von 25.000 Euro verurteilt wurde, machte ihn für die Uefa auch nicht weiter suspekt.
Die kroatischen Länderspiele sorgen seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen. So waren allein alle drei EM-Qualifikationsspiele im vergangenen Jahr von Skandalen begleitet, rassistische Sprechchöre waren gesungen worden, die Partie in Split musste zur Strafe sogar vor leeren Rängen ausgetragen werden. Aber selbst hier waren die Fans präsent: Das Match fand auf einem Rasen statt, in den jemand zuvor wie von Geisterhand ein riesiges Hakenkreuz mit chemikalischen Mitteln eingraviert hatte, das während des gesamten Spiels zu sehen war.
Das Ustaša-U geht in Ordnung
Das Hakenkreuz war ein Trick. Zwar bejubeln etliche kroatischen Hooligans auch den kroatischen Faschismus. Dessen Symbol aber ist das U, das für die Ustaša steht, die kroatischen Faschisten unter dem Führer Ante Pavelic, der von 1941 bis 1945 das Land von Hitlers Gnaden regierte. Das U sieht man im ganzen Land an Bushaltestellen, an Häuserwänden und oft auch auf Fußballfanmalereien. Mit dem Hakenkreuz, so muss man annehmen, wollten die Fans keine ideologische Nähe demonstrieren, sondern eher größtmöglichen Schaden für den kroatischen Verband anrichten. Das Hakenkreuz wird als Symbol des größten Bösen in der ganzen Welt erkannt, das Ustaša-U eher nicht.
Mit der Nähe zu rechter Ideologie hat im HNS ohnehin niemand so ein richtig großes Problem. Schon vor der EM hatte Davor Suker, der 1996 am Grab des Ustaša-Führers Pavelic in Madrid salutiert hatte, die Bitte von SOS Racisme, ein Lied des rechten Sängers Thompson auf den Tribünen der Uefa-Stadien zu verbieten, verweigert: „Solange ich noch Präsident des kroatischen Fußballverbands bin, wird der Song `Lijepa Li Si` in den Stadien laufen, weil das Lied ein Symbol des Patriotismus, Stolzes und der Liebe gegenüber der Heimat ist!“
Auch der amtierende kroatische Trainer hatte vor der EM stolz verkündet: „Wir haben etwas, was andere nicht haben: Eine Leidenschaft für die Nationalmannschaft, eines der Symbole des Patriotismus.“ Dazu passt, dass sein Co-Trainer ausgerechnet der ehemalige Verteidiger und Herthaner Josip Simunic wurde. Dieser verpasste seinen letzten internationalen Auftritt als Fußballer, weil ihn die Fifa für die WM 2014 disqualifiziert hatte, nachdem er beim letzten Quali-Spiel die Hymne der Ustaša im Stadion mitgesungen hatte.
Dass Simunic sich in irgendeiner Weise als Trainer qualifiziert hat, ist nicht bekannt. Aber auch Ante Cacic ist den meisten ein unbeschriebenes Blatt. Bis auf eine Station als Trainer der libyschen Mannschaft und eine kurze Zeit beim NK Maribor hat er wenig vorzuweisen.
Trainer Ante Cacic gilt als Marionette
Cacic sagte nach dem Spiel am Freitag, die Hooligans, die die Bengalos geworfen hatten, seien keine Fans, sondern es sei Terror, um den sich der kroatische Staat nicht kümmern würde. Auch Davor Suker machte nach dem Spiel die Politik verantwortlich für das Desaster. Das Desinteresse an der kroatischen Nationalmannschaft sehe man auch daran, dass kein kroatischer Politiker im Stadion gewesen sei.
Präsidentin Kolinda Grabar Kitarovic
Einer aber war im Stadion. Der inoffizielle Herrscher über den kroatischen Fußball: Zdravko Mamic, ehemaliger Manager des erfolgreichsten kroatischen Teams Dinamo Zagreb, heute dessen Berater, mit besten Verbindungen in Justiz, Politik, Polizei und Medien. Es kursieren Fotos aus dem Stadion von St. Etienne, auf denen er vor dem Spiel zu sehen ist und, wenige Meter vom Spielfeld entfernt, mit dem Trainer Cacic spricht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Trainer nur Trainer wurde, weil er als leicht zu lenkende Marionette von Mamic gilt.
Der kroatische Verband gilt als Mamic' privates Unternehmen. Spieler, Trainer und Verbandsposten, heißt es, werden nicht ohne seine Zustimmung besetzt. Gegen ihn gab es zahlreiche Gerichtsverfahren wegen Veruntreuung von Vereinsgeldern, Steuerhinterziehung und Bestechung, er saß mehrfach in Haft und wurde zu hohen Strafen verurteilt. Etliche Spieler, die er ins Ausland verkauft hatte, darunter Luka Modric, mussten ihn für den Transfer bezahlen. Modric soll als junger Spieler sogar unterzeichnet haben, dass er so lange er aktiver Fußballer ist, 20 Prozent seines jährlichen Einkommens an den Verband, also Mamic, abtreten muss.
Den Hooligans ist es wegen dieser offen mafiösen Politik mittlerweile egal, ob ihr Team oder ihr Verein ein Spiel gewinnt. Die Dinamo-Fans gehen schon seit Jahren nicht mal mehr in ihr eigenes Stadion, sondern bleiben davor stehen und singen lautstark Protestlieder gegen Mamic und den Verband.
1. CRO: 3 - 5:3 - 7
2. ESP: 3 - 5:2 - 6
3. TUR: 3 - 2:5 - 3
4. CZE: 3 - 2:3 - 1
Natürlich ist ganz Kroatien entsetzt und verärgert über die hässlichen Szenen, die der Mannschaft wahrscheinlich den Sieg gegen Tschechien gekostet haben und vielleicht auch mehr. Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar Kitarovic teilte auf ihrer Facebookseite sogar extrem hart aus: „Ihr Feinde Kroatiens, dafür werdet ihr bezahlen. Schämt euch.“
Und dennoch: Ganz Kroatien weiß auch, dass die Hooligans mit ihrer Kritik nicht ganz falsch liegen. Ob sie mit ihren brutalen Aktionen erreichen, dass sich der Verband von seinem mafiösen Filz befreit, ist allerdings fraglich. Realistisch ist wahrscheinlich die Aussage des Mittelfeldstürmers Ivan Perisic nach dem Spiel: „Vielleicht ist es das beste, wenn wir gar nicht spielen, dann kann so etwas nicht mehr passieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers