EMtaz: Hooligans aus Polen: Sie waren nie weg
Gegen Deutschland könnte es knallen. Polen verharmlost sein Hooliganproblem. In Frankreich sind die Chuliganis bloß noch nicht aufgefallen.
![Nackter dicker Mann zeigt einer Menschenmenge seinen Hintern Nackter dicker Mann zeigt einer Menschenmenge seinen Hintern](https://taz.de/picture/1270690/14/16128194.jpeg)
25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag, und die Fußballfans haben sich stets bemüht, ihn auf krude Weise mit Leben zu erfüllen: 1996 pilgerte ein deutscher Neonazi-Mob, etwa 300 Mann, zum Länderspiel ins schlesische Zabrze und provozierte mit dem Transparent „Schindler-Juden, wir grüßen euch“. Die Stunde der Polen schlug dann, als sie bei der WM 2006 den Part der Bösewichte übernahmen und vor dem Gruppenspiel gegen Deutschland die Innenstadt von Dortmund in ein Schlachtfeld verwandelten.
Wer jetzt, angesichts der massiven Ausschreitungen von Marseille, konstatiert, dass die Hooligans wieder da seien, dem sei gesagt, dass sie im deutsch-polnischen Kontext nie verschwunden waren. Und auch die Nähe zwischen Hooliganismus und Rechtsradikalismus, die nun als neueres Phänomen dargestellt wird, war aufgrund des historisch bedingten nationalen Antagonismus dieser Staaten hier immer schon sichtbar.
Ganz anders als in Deutschland ist in Polen jedoch die Akzeptanz offen nationalistischer und gewaltbereiter Fans in der Gesellschaft. Da das gesamte relevante politische Spektrum in Polen viel weiter rechts steht, sind die „Chuligani“ keine totalen Außenseiter, sondern werden bestenfalls als ein bisschen peinlich und unkultiviert wahrgenommen.
Dies mag ein Grund dafür sein, dass in der Berichterstattung der polnischen Medien über die Ausschreitungen bei dieser EM bisher fast ausschließlich von Russen, Engländern und einheimischen französischen Fangruppen die Rede ist, ohne dass man im nächsten Schritt nach dem polnischen Gewaltpotenzial fragt.
Frankreich ist schlecht gerüstet: Es könnte wieder knallen
Selbst im Hinblick auf die kommende Begegnung zwischen Deutschland und Polen erfährt der Leser viel über die Aktivitäten der deutschen Polizei, um potenzielle Gewalttäter an der Einreise nach Frankreich zu hindern. Sogar die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ in Duisburg wird mit ihren Erkenntnissen über deutsche Hooligans häufig zitiert.
Über die polnischen Fans in Frankreich erfährt man nur, dass diese vor dem Spiel gegen Nordirland von Ultras des örtlichen Fußballklubs OGC Nizza angegriffen wurden und sich „Schulter an Schulter“ mit den Nordiren zur Wehr setzten. Und obwohl im Internet Filme von Scharmützeln zwischen polnischen und nordirischen Fans kursieren, versichern sowohl bekannte Journalisten als auch ein Vizepräsident des polnischen Fußballverbands via Twitter, dass sich in Nizza kein Pole an Schlägereien beteiligt habe.
Ein wenig konkreter wird der Fanbeauftragte des Fußballverbandes, Dariusz Lapinski, in einem aktuellen Interview mit dem TV-Sender Polsat. Für ihn ist beim ersten Spiel der Polen in Nizza alles relativ ruhig geblieben, weil dort recht wenige polnische Fans vor Ort waren und die Organisation rund ums Spiel sehr gut war.
Zum Match gegen Deutschland in Paris erwartet er allerdings bis zu 30.000 polnische Fans, von denen viele keine Eintrittskarten haben. Ob es zu Ausschreitungen kommt, hängt seiner Ansicht nach stark davon ab, wie reibungslos die Organisation sowohl im Stadion als auch auf den Fanmeilen klappt. Da Lapinski aber ebenfalls betont, dass sich Frankreich bisher nicht besonders gut gerüstet zeigt, klingt durchaus eine gewisse Besorgnis an.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden