EMtaz: Die Deutschen und Italiens Fußball: Ist es wirklich wahre Liebe?

Die deutschen Fans haben großen Respekt vor Italien. Seit dieser EM erfreut sich das Conte-Team hierzulande auch noch größter Beliebtheit. Warum bloß?

Gianluigi Buffon zwinkert auf der Pressekonferenz

Gigi Buffon, der Torwart, der kein Spielmacher ist Foto: dpa

Zwei Worte reichen: Deutschland – Italien. Ein Hochfest des Fußballs steht an im Viertelfinale der Europameisterschaft 2016. Doch dort, in jener unbestimmten Magengegend, wo sich vor großen Spielen normalerweise ein vorfreudiges Kribbeln einstellt, herrscht bei vielen Deutschen nur ein flaues Gefühl vor. Könnte auch schiefgehn. Denn: Wenn es bisher um die Wurst ging, blieben der Repubblica Federale Tedesca stets nur die Zipfel übrig, wenn überhaupt.

Darum der Respekt, darum die Angst und – auch das ist bei vielen deutschen Fußballfans sehr ausgeprägt – die Missgunst. Niederlagen bringen diese Eigenschaften nun mal zum Vorschein. Bei dieser EM hat sich aber etwas verändert. Die italienische Elf ist bei vielen Deutschen beliebt, wird teilweise sogar geliebt.

Da gibt es ja diesen kauzigen Trainer, so leidenschaftlich und doch wieder smart. Springt aufs Dach der Auswechselbank, kickt kraftvoll die Bälle weg – und beherrscht sein Ensemble wie ein erhabener Dirigent. Was er vorgibt, wird umgesetzt, und sei's eine Altherrendreierkette, die von einem kernigen Führungsspielertorwarttyp wie Buffon gesteuert wird.

Und dann funktioniert das alles auch noch prächtig! Conte, das ist also einer, den der normale Fußballfan versteht, der ein klares Spielsystem vorgibt: Dreifünfzwei, ohne falsche Neun. Ohne Firlefanz. Das gefällt dem ausschließlich EM- und WM-Gucker.

Ein Tor mehr als der Gegner

Auch die italienischen Tugenden sind in Italien nicht abgeschafft worden. Allen voran die des Kämpfens mit allen Mitteln, natürlich so, dass der Catenaccio hält, gepaart mit der nötigen Gerissenheit. So wie's schon immer war in Italien, ein Tor mehr schießen als der Gegner lautet das Ziel. Da weiß man, was man hat. Toll!

Und diese Hymne! Ach, herrlich. Alle italienischen Kicker, die tatsächlich noch so aussehen wie echte Italiener nach allen Klischeevorstellungen auszusehen haben, singen inbrünstig mit. Sì! Da könnten sich die Deutschen, die ja gar nicht mehr deutsch sind, noch eine Mortadella-Scheibe abschneiden.

Apropos, die Deutschen. Wer leitet diesen wild zusammengewürfelten, „political korrekten“-, multi-, inter-, trans-, gender-, und was es sonst noch so gibt- Haufen eigentlich? Joachim „Jogi“ Löw, also so ein neumodischer Mensch aus dem Schwarzwald, der sich auf nichts festlegen möchte. Der Variabilität predigt, obwohl das doch gar kein Spielsystem ist! Selbst der Torwart muss Spielmacherpässe beherrschen. Nein, also wirklich.

Was hat das noch mit Fußball zu tun?

Und wie sieht des Bundestrainers Ziel vor dem Spiel nochmal aus? Ah ja, richtig, Jogi Löw geht es darum, dass seine vielseitig einsetzbaren Offensivkräfte (nicht: Mittelstürmer, die nur Mittelstürmer können) keine Tore schießen. Ja, sie sollen tatsächlich keine Tore schießen. „Räume aufreißen“, sollen sie stattdessen, in deren Tiefe dann andere flexible Kräfte nachstoßen können. Hä? Was hat das noch mit Fußball zu tun? Fragt sich der gemeine Fan und blickt sehnsuchtsvoll nach Italien.

Es ist Amore.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.