EMtaz: Deutschlands miese zweite Spiele: Löws retardierendes Moment

Bei der Nationalelf ist es Tradition geworden, dass auf einen Auftaktsieg die Ernüchterung folgt. So bleibt die Spannung bis zum Gruppenfinale hoch.

Ein Schiedsrichter zeigt dem Fußballer Bastian Schweinsteiger die rote Karte, auch Philipp Lahm ist im Bild

Rot für Schweinsteiger, Niederlage gegen Kroatien: Im zweiten Spiel geht immer irgendwas schief Foto: dpa

Auf „Hurra Deutschland“ folgt „Ach du Scheiße“. So laufen die Turniere der deutschen Mannschaft. Meistens. Ja ja, Ausnahmen gab's auch: 2000 und 2004 zum Beispiel, als auf „Ach du Scheiße“ nur „Ach du Scheiße“ und im dritten Spiel „Oh, mein Gott“ folgte. Oder 1990, als nach dem Hurra-Spiel gegen Jugoslawien (4:1) noch ein Hurra-Spiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (5:1) nachgelegt wurde.

Aber das war die Prä-Löw-Ära.

Unter Bundestrainer Joachim Löw gab es nur eine Ausnahme von der Das-zweite-Spiel-ist-das-mieseste-Regel: 2012 wurden die Niederländer mit 2:1 besiegt. Alle anderen zweiten Partien gingen in die Hose (Löw, in die Hose, zwinker, zwinker): 1:2 gegen Kroatien (2008), 0:1 gegen Serbien (2010), 2:2 gegen Ghana (2014). Die Statistik lügt nicht.

Es ist wie bei einer Trilogie, in der der zweite Teil auch häufig der schwächste ist: Es gibt keine Einführung der Figuren, kein episches Finale, es wird lediglich die Handlung vorangetrieben – ohne zu viel vorwegzunehmen. Siehe: „Herr der Ringe – Die zwei Türme“. Alles ist im dritten Teil noch möglich. Die zweiten Gruppenspiele sind unter Löw zum retardierenden Moment geworden: Wie im klassischen Drama wird die Illusion aufrechterhalten, dass es doch noch anders ausgehen könnte als gedacht: dass die Deutschen in der Gruppenphase scheitern könnten. Es ist die Grundlage für all die Dramatik im dritten Gruppenspiel.

Aber warum dieser Spannungsabfall in Spiel zwei? Die Erklärungen nach den Spielen hören sich immer wieder ähnlich an: „Wir waren nicht in der Lage, das Tempo zu erhöhen“ (Löw 2008); „Beim heutigen Spiel ist viel gegen uns gelaufen, das war nicht einfach wegzustecken“ (Löw 2010); „Wir waren nicht aggressiv genug“ (Lahm 2014). Nach rauschenden Festen zum Auftakt scheint die Motivation nicht so hochgehalten werden zu können, dass es zum Sieg reichte. Der Kater danach.

Aber: Natürlich ist trotz des zweiten Spiels nicht alles möglich. Natürlich geht es gut aus. Unter Löw geht es in der Gruppenphase immer gut aus: Mal hämmert Michael Ballack einen Freistoß rein, wie beim 1:0 gegen Österreich 2008; mal trifft Özil aus der Distanz, wie 2010 gegen Ghana; mal schlenzt Thomas Müller einen Ball ins Tor, wie 2014 im Regen von Recife gegen die USA.

Auch den Grundstein für diese stets erfolgreichen Vorrundenfinals scheint Löw schon 2008 gelegt zu haben, als er nach der Pleite gegen Kroatien sagte: „Wir sind stark genug, das zu schaffen.“ Aus Löws Mund ist das schon eine forsche Kampfansage – sie galt damals und gilt bis heute allerdings nur für das dritte Spiel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.