piwik no script img

EMtaz: Belgien vor dem ViertelfinaleEiner fällt besonders auf

Der Fighter hinter Belgiens Vier-Mann-Angriff: Radja Nainggolan hält den Stars Hazard und De Bruyne den Rücken frei.

Sehr schnell sehr viel erreicht: Radja Nainggolan Foto: reuters

Haillan/Lille taz | Radja Nainggolan fällt einfach am meisten auf. Am Donnerstag beim Abschlusstraining des belgischen Teams vor dem Viertelfinale gegen Wales (21 Uhr/ZDF) sticht er vor der Kulisse des Château du Haillan mehr heraus als seine Kollegen Eden Hazard oder Kevin De Bruyne.

Über seine blasse Haut spannen sich mehrere Dutzend Tattoos, und weil das nicht genügt, ist das Haar zwar kurz geschoren, aber ein Hahnenkamm darauf schrill blondiert. Und wenn denn dieser junge Mann will, dann schaut er noch furchterregender aus als auf den Plakaten einer Werbekampagne, in der sich die belgischen Fußballer wie neuseeländische Rugby­spieler gebärden.

Der 28-jährige Nainggolan fällt auf. Bei ihm stehen ein Siegtor (beim 1:0 gegen Schweden), eine Torvorlage (beim 4:0 gegen Ungarn) und formidable Passquoten (90 Prozent) in der Statistik. Dabei will Nationaltrainer Marc Wilmots vor allem, dass er „unserem Vier-Mann-Angriff“ (Wilmots) den Rücken freihält. Geht denen der Ball verloren, ist Nainggolan der Erste, der zurücksprintet.

Die Verhältnisse, in denen dieser Nationalspieler mit seiner Zwillingsschwester Riana in Antwerpen aufwuchs, sind mit prekär noch unzureichend beschrieben. Riana, mittlerweile zu ihm nach Rom gezogen, ist auch Nationalspielerin und tritt für die Res Romana an, das Frauenteam von Italiens Hauptstadt. Erst vor wenigen Wochen gaben die beiden ein Interview, im dem alle Tiefpunkte einer zerrütteten Familiengeschichte zur Sprache kamen.

Eine ganz besondere Mission

Anfangs war noch alles gut, der aus Indonesien stammende Vater nahm die Kinder oft in einen Hof, um ihnen Lieder mit der Gitarre vorzuspielen. Doch eines Tages, Radja und Riana gerade acht, war Papa nicht mehr da. Zurückgegangen in seine Heimat. Der Familie hinterließ er nichts als Spielschulden. Die Mutter beschloss, die Kinder allein durchzubringen; zeitweise hatte sie drei Jobs auf einmal: morgens in einer Reinigungsfirma, tagsüber in einem Krankenhaus, abends in einem Café.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Als der damals bei Germinal Beerschot spielende Radja Nainggolan das Angebot bekam, für ein Monatsgehalt von 1.400 Euro zum italienischen Zweitligisten FC Piacenza zu gehen, willigte der damals 17-Jährige ein. Die Hälfte des Geldes schickte er nach Hause.

Als er wegen des Heimwehs heimkehren wollte, drohte der große Bruder an, ihm dann die Beine zu brechen. Er hielt durch, aber das Schicksal war trotzdem noch nicht auf seiner Seite. Als er 2010 erfuhr, dass seine Mutter an Krebs litt und nur drei Monate zu leben hatte, waren die Tränen lange nicht zu trocknen.

Diese EM, sagte die Schwester jüngst, sei für ihren Bruder eine ganz besondere Mission, zumal er die WM ja verpasst habe. Nach Frankreich werde sie nicht kommen, „ich habe immer noch Angst vor einem Anschlag, aber ich beobachte ihn. Und ich bin sicher, unsere Mutter tut es auch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!