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Durchsuchung bei Augsburger Allgemeinen„Ich hoffe auf eine Entschuldigung“

Die „Augsburger Allgemeine“ musste die Daten eines Online-Nutzers herausrücken. Ordnungsreferent Volker Ullrich erklärt, warum er das veranlasst hat.

Volker Ulrich hat den Durchsuchungsbefehl bei der „Augsburger Allgemeinen“ veranlasst. Bild: privat
Interview von Marion Bergermann

taz.de: Herr Ullrich, wurden Sie im Internet nicht schon einmal schlimmer beleidigt als der Vorwurf der „Rechtsbeugung?“

Volker Ullrich: Ich wurde schon oft beleidigt, auch unter der Gürtellinie. Das muss man als Politiker und Ordnungsreferent aber aushalten. Mich hat aber der Vorwurf der Rechtsbeugung gestört, weil es um meine Integrität in der Funktion als Ordnungsreferent, Beamter und Amtsträger ging. Die Rechtsbeugung ist ein Verbrechen, Mindeststrafe ein Jahr, das muss man sich nicht nachsagen lassen.

Es gibt eine gewisse Grenze zwischen Meinungsfreiheit und anonymen Verleumdungen.

Was genau stand in dem Kommentar außer der Vorwurf der „Rechtsbeugung“?

„Dieser Ullrich verbietet sogar erwachsenen Männern sein Feierabend-Bier ab 20.00 Uhr, indem er geltendes Recht beugt und Betreiber massiv bedroht.“

Spielt das auf Ihr verfolgtes Ziel des Verbots der Straßenprostitution in Augsburg an?

Volker Ullrich

Der CSU-Politiker ist Ordnungsreferent bei der Stadt Augsburg. Er sorgte dafür, dass die Augsburger Allgemeine mit einem Durchsuchungsbefehl die Daten von einem Nutzer herausgeben musste. Dieser hatte Ullrich auf der Onlineseite der Zeitung in einem Kommentar kritisiert.

Das spielt auch auf die Tankstellensache an. Ich habe den politischen Vorschlag gemacht, dass man nachts an Tankstellen keinen Alkohol mehr verkaufen sollte.

War es von Ihnen juristisch maßvoll, dafür zu sorgen, dass die Augsburger Allgemeine die Daten des Verfassers des Kommentars rausgeben musste?

Über die juristische Dimension des Falls lässt sich natürlich streiten. Auch darüber, ob ich das nicht auch gelassener hätte ertragen sollen. Juristisch gesehen besteht möglicherweise eine Verpflichtung der Augsburger Allgemeine die Daten herauszugeben. Mir ging es bei der Sache darum, dass ich in Erfahrung bringen wollte, wer das behauptet. Das Amtsgericht Augsburg hat einen Beschluss gefasst und aufgrund dessen hat die Augsburger Allgemeine die Daten herausgegeben.

Aber sorgten nicht Sie dafür, dass das Amtsgericht einen Durchsuchungsbefehl ausstellt?

Nein. Mein Anwalt hat sich an die Augsburger Allgemeine gewandt und gesagt, dass wir gerne die Nutzerdaten hätten, weil es verleumderisch sei, den Ordnungsreferenten der Rechtsbeugung zu bezichtigen. Wir haben lediglich Strafanzeige gestellt. Ich selbst habe es aus der Augsburger Allgemeinen erfahren, dass einem Polizeibeamten nach Beschluss des Amtsgerichts die Nutzerdaten ausgehändigt wurden.

Aber haben Sie nicht schon zweimal vorher versucht, an die Daten zu kommen?

Nein. Einmal vorher ging es auch um eine Sache unter der Gürtellinie und die Augsburger Allgemeine sagte, sie lösche es. So war das dann auch in Ordnung.

Sie sagten, dass Sie den Verfasser des Kommentars nicht anzeigen wollen, wenn er sich entschuldigt. Was ist, wenn er sich nicht bei Ihnen entschuldigt?

Ich hoffe auf diese Entschuldigung. Wenn er sich nicht entschuldigt will ich das letzten Endes nicht an die große Glocke hängen. Mir ist die Debatte, wie respektvoll man im politischen Diskurs miteinander umgeht, auch und gerade in anonymen Foren, viel wichtiger als diese eine persönliche Entschuldigung.

Steht Ihnen dieser Fall im Wege, dieses Jahr für die CSU für den Bundestag zu kandidieren?

Nein. Natürlich habe ich im Internet starke Kritik einstecken müssen. Das gehört dazu und diese Kritik nehme ich ernst. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass ich zahlreiche positive Rückmeldungen und Zusprüche mit dem Tenor bekomme, dass es gut sei, wenn endlich mal jemand die Debatte angestoßen hat, ob man sich anonyme Anschuldigungen im Netz immer bis zur letzten Konsequenz gefallen lassen muss.

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17 Kommentare

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  • G
    guteronkel

    Welche Konsequenzen hat der gesamte Vorgang nun denn jetzt für den ehrenwerten Herrn Dr. Ullrich, für die Frau Richterin vom Amtsgericht Augsburg deren Namen wir bislang nicht erfahren durften und für den zuständigen Herrn von der Augsburger Polizei?

    Keine? Das kann nicht sein. Es wird entgegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bzw. entgegen den Vorgaben des Bundesgreichtshofes in Karlsruhe gehandelt. Entweder wissentlich oder unwissentlch. Dies gilt es zu ermitteln und nach Sachlage ein Dienstaufsichtsverfahren einzuleiten. Weiter ist zu erwarten dass der Augsburger Wähler in seiner Dummheit die Angelegenheit bis zur nächsten Wahl wieder vergisst. Deshalb fragt man sich, was die Opposition in Augsburg hier dazu sagt.

  • DS
    Dennis S.

    Tja,da einige Politiker schon des öfteren bewiesen haben,daß die Demokratie nicht immer funktioniert,

    muss sich dieser Herr über solche Vorwürfe auch nicht wundern.

    Durch seine Überreaktion hat er sich wahrscheinlich sowieso selbst ins Aus katapultiert.

    Meine herzlichsten Glückwünsche dazu.

  • SF
    Solidarität Für Berndi

    Die Antwort zur Einleitungsfrage muss lauten:

    "Ich wurde schon oft beleidigt, auch unter der Gürtellinie. Das muss man als Politiker und Ordnungsreferent aber aushalten. Mich hat aber der Vorwurf der Rechtsbeugung gestört, weil er so sehr der Wahrheit entsprach!"

  • ZU
    zitat ullrich

    "Berufsmäßiger Stadtrat und Leiter des Ordnungsreferats"

     

    http://www.xing.com/profile/Volker_Ullrich

     

    Ich suche neue Herausforderungen, zündende Ideen, begeisternde Menschen

  • MH
    Marco Hoffmann

    "

    Ob der Vorwurf der „ Rechtsbeugung“ nun eine Beleidigung ist oder nicht, sei ebenso dahingestellt wie die Meinung, dass ein Ordnungsreferent kein Recht spricht. Im engeren Sinne macht er das natürlich nicht (so wie beispielsweise ein Richter) — jedoch wendet er Rechtsvorschriften an, die er dann wohl auch beugen kann .

    "

    ( 30. 01. 2013 11: 58 UHR von Frank Jermann http://www.taz.de/Polizei-bei-Augsburger-Allgemeinen/Kommentare/!c110026/ )

     

    Ein Mitarbeiter der Leistungsabteilung der arge-hh (name z. Zt. Jobcenter für schwerbehinderte Menschen) veranlasste eine Pfändung durch das Hamburger Hauptzollamt und nach meiner telefonischen Mitteilung dort, dass es sich um ein anhängiges Verfahren vor dem Hamburger Sozialgericht handelt, hat das Hamburger Hauptzollamt widerstand geleistet und in frankfurt o.ä. nachgefragt, jedoch dennoch den Ausführungsbefehl bekommen. Es kam kein Gerichtsvollzieher, aber plötzlich wurden meine abgebuchten überweisungen vom auch danach noch gedeckten konto zurückgebucht wegen mangelnder deckung, denn das hauptzollamt hatte gepfändet, unter umgehung der rechtssprechung. Mir sind Mahngebühren und ich glaub telefonabschaltung entstanden, aber ich habe mich nicht umgebracht und hatte keinen autounfall.

     

    Derselbe arge-mitarbeiter hat die vorrangige mietzahlung (festbetrag) eingestellt und so die fristlose kündigung erwirkt. Nachdem die Selle für Wohnungsnotfälle eingriff, erfolgte nachzahlung ohne Bescheid, auch ein jahr später auf mehrfache anmahnung kein bescheid, jedoch eine mahnung vom neuen vermieter gwg/saga, es sei von der arge zuwenig miete überwiesen worden. Nach hinweis auf festbetrag/vorrangig hat der mitarbeiter sich erneut erinnert.

     

    Ich bin zeuge in der von mir erzwungenen ermittlung, vgl. Gutachten der hamburger Staatsanwaltschaft 7102 Js 316/10 vom februar 2012.

     

    http://www.taz.de/Spielfilm-ueber-realen-Kindermoerder/Kommentare/!c110048p3304/

    • @Marco Hoffmann:

      Vor allem liegt der Volljurist mit seinem angeblichen Verbrechen völlig daneben.

      Unter "Rechtsbeugung" versteht man eine unzulässige Rechtsausübung. Für eine Strafbarkeit müsste noch der subjektive Tatbestand erfüllt sein.

      Das ist genau so als wenn man manchmal jemanden als Betrüger bezeichnet, weil man der Meinung ist betrogen worden zu sein aber nicht genau einen Betrug im Sinne des §263 StGB verwirklicht zu haben.

      "...so liegt in diesem Bereich eine objektive Beugung des Rechts bei jeder Rechtsfindung praeter oder gar contra legem vor; ansonsten jedenfalls dann, wenn Normtext und gesetzgeberischer Regelungszweck klar mißachtet werden und keine der hier nicht näher zu erörternden diskutierten Ausnahmen vorliegt.



      Allgemein gesprochen: Jede unzulässige richterliche



      Rechtsfortbildung ist objektiv Rechtsbeugung!"



      www.rewi.europa-un...-Rechtsbeugung.pdf

      Das bedeutet also nur, dass der objektive Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt ist und das ist eben bereits Rechtsbeugung.

      Die verfolgte Äusserung der CSU-Justiz gegenüber eines CSU-Politikers fällt also unter die Meinungsfreiheit.

      Kammergericht Berlin, Aktenzeichen: 9 U 211/06 vom 27.07.2007



      …Zwar handelt es sich bei der Titulierung des Klägers als „Puff – Politiker“ nicht um eine – stets unzulässige – Schmähkritik. Eine solche liegt nicht bereits in der herabsetzenden Wirkung des Werturteils. Die Freiheit der Meinungsäußerung schützt auch die polemische, ausfällige und überspitzte Kritik, die auch mit harten Worten vorgetragen werden kann. Sie endet erst dort, wo die Kritik sich nicht mehr auf die Sache bezieht, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfG NJW 2003, 3760; BVerfG NJW 1993, 1462; BGH NJW 1994, 124, 126).

      www.augsburger-all...rs-id23659806.html

  • W
    wauz

    Schon interessant

     

    dass taz-leser sich für dieses Thema anscheinend gar nicht interessieren. Auf SPON findet man locker das 90-fache an Kommentaren...

    Liebe taz-Redaktion, ihr werdet doch nicht etwa focus und büglet einfach unter, was euch nicht gefällt?

  • W
    wauz

    Der Bumerang

     

    Wer ist eigentlich dieser Herr Ulrich, der so generös Über Beschuldigungen oder Gnade entscheiden darf? Ah, ein Abteilungsleiter in einer städtischen Behörde, ein Staatsdiener also. Auch jenem solchen sei gesagt, dass es Bediensteten nicht geziemt, solchermaßen in der Öffentlichkeit gehört zu werden. Die Exekutive hat Politik umzusetzen, nicht zu machen.

    Es ist ganz eindeutig an der Zeit, dass sein Dienstherr diesen übermütigen Herrn Ulrich auf Maß zurückstutzt. Das bedeutet die Entbindung von seinen Aufgaben und, wenn möglich, die Entfernung aus dem Dienst. Sollte dies rechtlich nicht möglich sein, findet sich sicher noch ein "Sterbezimmer" im 2. UG für ihn.

  • W
    Wieduwünscht

    Meine Persönliche Meinung miss Ullrich, die darf ich dir hier leider nich an kopf werden.

    ich hoffe sehr, dass so etwas wie sie nicht in den Bundestag gewählt wird. Wär nur ne weitere blamage unserer stumpfen politiker

  • P
    pablo

    welche anonymität? die nutzerdaten waren ja der zeitung bekannt und von daher war die anonymität nur schein. und eine bundesweite debatte hat das ganze nicht ergeben, sein ziel hat er verfehlt eine debatte über anonymität los zu reisen.

  • BL
    Bürger Lars

    Nun wird es ernst in Deutschland. Der Augsburger Ordnungsreferent fühlt sich in seiner Ehre gekränkt, wenn ein anonymer User etwas behauptet was nicht ganz wasserdicht ist.

    habe ich mich nun mit diesem User solidarisiert und wird nun die taz auch genötigt meine Unterlagen herauszugeben......

    Dieser Vorfall zeigt, wie tief wir hier in D schon gesunken sind und wie gottgleich sich mancher Beamter fühlt.

    Die Schere geht eben immer weiter auf zwischen denen da oben und uns hier ganz unten.

  • PW
    peter wolf

    .... lasst uns Bayern besetzen und aushungern....

  • IN
    Ihr Namehuber

    Wer so einen Holzkopf nochmals wählt soll alle technischen Geräte mit denen man ins Internet kommt weg werfen!

  • HD
    huber der lustige

    weil die eitelkeit eines provinzbeamten gekränkt wurde, stürmt die polizei in die redaktionsräume und beschlagnahmt computer, damit die identität des kommentators festgestellt wird?

     

    ich will hier nicht von rechtsbeugung sprechen, aber es sieht doch stark nach amtsmissbrauch aus.

     

    wird die taz jetzt auch mal eben gestürmt, um meine identität festzustellen? oder handelt es sich mal wieder um eine dieser unglaublichen geschichten die es nur in bayern gibt? man wundert sich doch immer wieder, was da hinter den sieben bergen so alles passiert.

     

    (btw: ich kommuniziere nur verschlüsselt. sparen sie sich also ihre bemühungen - sie "ordnungsreferent".

  • E
    Eingeschüchterter

    Ich traue mich schon gar nicht mehr, irgend was dazu zu

    schreiben.Schöne neue Welt.

  • AR
    alter Rammler

    Pfui Deibel!

  • CS
    Christian S.

    Kann man sich denn nun überhaupt noch trauen, hier einen Leserkommentar zu verfassen?

    Wenn ich das lese,kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Mögen die Wähler in Augsburg Deutschland verschonen!