spd vs. „bild“: Dummheit muss bestraft werden
Bild ist klug, die SPD dumm. Ist es das Grauen vor dem 22. September, das den Genossen das Gehirn vernebelt? Um die Bild-Kampagne in Sachen privat verflogener Bonusmeilen von Abgeordneten zu stoppen, haben führende Sozialdemokraten einen Angriff auf die Pressefreiheit gestartet und Strafanzeigen im Dutzend gestellt. Daraus hat Bild prompt und instinktsicher eine neue Kampagne gestrickt: Mit dem üblichen Empörungsgestus verteidigt das Boulevardblatt nun das Recht auf freie Berichterstattung und hat sich dabei der Unterstützung prominenter Medienmacher versichert. Das hätte jeder, der von Berufs wegen mit den Spielregeln einer Medienrepublik vertraut ist, voraussehen müssen.
Kommentarvon BASCHA MIKA
Dabei war Ende vergangener Woche scheinbar ein wenig Ruhe an der Bonusmeilenfront eingekehrt. In der veröffentlichten Meinung hatte sich die Überzeugung durchgesetzt, dass sich die überführten Abgeordneten zwar eines Vergehens, aber keines Verbrechens schuldig gemacht haben. Die Meilensünder sollten sich bekennen, über die Regeln nachdenken, die sie sich selbst gegeben haben. Und sich für ihr Verhalten entschuldigen. Eine Affäre – kein Skandal. Der Vorgang war auf sein rechtes Maß zurückgestutzt worden.
Gleichzeitig blieb das Misstrauen gegenüber der Bild-Zeitung und deren Veröffentlichungsmethoden. Es ist schon seltsam, dass das Blatt bisher fast nur namhafte rote und grüne Politiker beim Missbrauch erwischt haben will. Der Verdacht einer parteipolitisch motivierten Kampagne liegt durchaus nahe. Zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung gehört eben auch eine möglichst vollständige Darstellung. Dass die Bild, die ihren Lesern jeden Tag häppchenweise neue rote und grüne Politiker zum Fraß vorgeworfen hat, diese publizistische Regel missachtet hat, darf man getrost annehmen. Ebenso, dass das Blatt eher im eigenen als im Interesse der Öffentlichkeit gehandelt hat.
Eine souveräne SPD hätte auf diesen Verdacht gelassener reagieren können. Die Bild-Kampagne war längst kein echter Aufreger mehr. Unabhängig von möglichen weiteren Outings war sie dabei, ins Leere zu laufen. Sie fing sogar an, Rot-Grün zu nützen. Diesen Bonus haben SPD-Generalsekretär Müntefering und Fraktionsvorsitzender Stiegler mit ihrem Geschrei gegen die Pressefreiheit zunichte gemacht. Sie haben Bild die Chance gegeben, auf die alte Kampagne eine neue zu setzen, bei der die SPD nun wirklich schlecht aussieht. Das ist mehr als dumm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen