Duisburger Bürgermeister über Roma: „Wir sind völlig überfordert“

Roma aus Südosteuropa fliehen vor der Armut. Auch nach Duisburg. Stadtdirektor Reinhold Spaniel verteidigt die Bürgerproteste gegen die Einwanderer.

Eines der von Roma bewohnten „Problemhäuser“ in Duisburg. Bild: dpa

taz: Herr Spaniel, seit über einem Jahr protestieren Duisburger Bürger gegen den Zuzug von Roma. Wird die Einwandererstadt Duisburg rassistisch?

Reinhold Spaniel: Nein! Die Bürger haben viel erduldet – und reagieren trotzdem besonnen. Da gibt es kein rechtsextremes Gedankengut.

Sie sehen Roma, aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger, als Zumutung?

Das Sozialverhalten vieler ist eine Zumutung. Das fängt beim Lärm an – auf der Straße wird bis um drei Uhr morgens Party gemacht. Die Gärten der Anwohner werden zugemüllt, die Straße wird als Toilette benutzt. Da ist es doch völlig legitim, dass sich die Bürger beschweren!

Und das rechtfertigt Aufrufe zu Anschlägen im Internet?

Natürlich nicht. Das Internet ist nicht die reale Welt. In der ist die Situation am vergangenen Freitag zum ersten Mal eskaliert: Eine von Bürgern organisierte Informationsveranstaltung ist von Linksautonomen gesprengt worden, es gab Verletzte …

61 Jahre, SPD, ist Stadtdirektor und Stellvertreter des Duisburger Oberbürgermeisters. Er leitet das Sozialdezernat und arbeitet seit 1991 für die Stadt.

die angeblich Linksautonomen waren Teil einer Nachtwache, mit der Menschen Roma vor Anschlägen schützen wollten. Sie behaupten, Neonazis hätten sie angegriffen …

Natürlich versucht die rechte Szene, die Stimmung auszunutzen. Nicht umsonst wollen die Rechtsextremisten von „Pro Deutschland“ heute in der Straße In den Peschen, wo besonders viele Roma leben, aufmarschieren. Als Stadt rufen wir natürlich zur Teilnahme an der Gegendemonstration auf. Aber: Vor Ort gibt es sozialen Sprengstoff – und seit Neuestem einen Krawalltourismus von rechts und auch von links. Deshalb ist die Polizei vor Ort, wenn auch nicht immer sichtbar, mit einem Streifenwagen.

Grund für Lärm und Müll ist doch, dass dort über 1.000 Menschen in nur 74 Wohnungen zusammengepfercht leben. Warum lassen Sie das zu?

Wir als Stadt pferchen niemanden zusammen. Die Wohnblöcke gehören einem Privatmann – und der vermietet an Menschen, die froh sind, wenn sie dort auf einer Matratze schlafen können. Das ist offenbar immer noch besser als die schreckliche Armut, vor der sie geflohen sind.

Der Vermieter ist Rocker, eine Rotlichtgröße. Warum helfen Sie den Roma nicht?

Das versuchen wir doch! Bisher konnten wir als Wohnungsaufsicht kaum einschreiten. Jetzt will die Landesregierung ein Gesetz verabschieden, das Fragen wie Überbelegung, sanitäre Grundversorgung, Stromversorgung klärt. Außerdem verhandeln wir mit dem Vermieter, um die Wohnungen leerzuziehen. Wir wollen besonders Familien mit Kindern anders unterbringen. Voraussetzung ist aber, dass sie mietfähig sind.

Mietfähig?

Ja. In Duisburg gibt es viele Schrottimmobilien, die ziehen Armutsflüchtlinge an. Die sind oft Analphabeten, die verstehen unsere ganzen Vorschriften nicht und müssen lernen, dass man den Müll nicht aus dem Fenster wirft. Wenn das nicht gesichert ist, gehen die restlichen Hausbewohner auf die Barrikaden.

Viele Kinder gehen nicht zur Schule, sind nicht krankenversichert.

In den vergangenen Jahren sind über 8.000 Menschen aus Südosteuropa nach Duisburg gezogen. Wir sind völlig überfordert. Jedes Jahr geben wir für Integrationsmaßnahmen wie Vorbereitungsklassen, Kita-Gruppen, Sprachförderung, bessere Wohnungen über eine Million Euro aus – dabei ist Duisburg mit mehr als 2 Milliarden Euro verschuldet.

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