Dürre in Ägypten: Ein Pflug gegen Wasserknappheit
Die Ägypter leiden unter hohen Wasserpreisen und Wasserknappheit. Ein neuartiger Pflug könnte die Probleme lösen.
Mit Hilfe des Geräts erzielt Scheich fast den doppelten Ertrag auf seinem rund 8.000 Quadratmeter großen Weizenfeld. Er kann die Saat in ordentlichen Hochbeeten mit kleinen Ackerfurchen aussäen und braucht so ein Drittel weniger Wasser. „Er (der Pflug) spart uns viel Arbeit, Samen und Mühe“, sagt der Bauer und spricht von einem Segen für seine Familie. Acht Angehörige helfen ihm bei der Feldarbeit.
Der Pflug könnte Ägypten künftig eine große Hilfe sein im Kampf gegen die Wasserknappheit, die dem größten Land der arabischen Welt in den kommenden zehn Jahren droht. Viele Organisationen und Unternehmen beschäftigen sich unter Zeitdruck mit Technologien zur Bewahrung der kostbaren Ressource, die zu einem Viertel von der Landwirtschaft verbraucht wird.
Schon seit der Zeit der Pharaonen greift Ägypten bei der Wasserversorgung auf den Nil zurück. Tausende Jahre lang spülten jährliche Überschwemmungen reichhaltigen Schlamm an die Ufer, und das Land war eine der größten Getreidekammern im Mittelmeerraum. Doch mit der Fertigstellung des Assuan-Staudamms 1970 endete das jährliche Hochwasser. Ägypten mit seinen inzwischen mehr als 90 Millionen Einwohnern wurde zum größten Weizenimporteur der Welt.
Zunehmende Versalzung
Schon heute gilt Wasser im Land als knapp. Jedem Einwohner stehen pro Jahr rund 600 Kubikmeter davon zur Verfügung. Doch Experten erwarten, dass dieser Wert bis zum Jahr 2025 unter die 500-Kubikmeter-Grenze fallen wird, die nach internationalen Standards als „absolute Knappheit“ gilt. Die zunehmende Versalzung aufgrund steigender Meeresspiegel könnte die Wasservorräte künftig weiter schrumpfen lassen.
Präsident Abdel Fattah al-Sisi monierte Anfang des Jahres in einer Ansprache, Wasser werde zu günstig angeboten. Seitdem haben sich die Kosten der Haushalte für Wasser verdoppelt oder sogar verdreifacht, wie aus Rechnungen hervorgeht, die Ägypter in sozialen Medien posteten.
Besorgt ist die ägyptische Regierung zugleich über den Bau eines Damms und eines Wasserkraftwerks nilaufwärts in Äthiopien. Es wird befürchtet, dass daraufhin Ägypten in seinem Teil des Flusses weniger Wasser zur Verfügung stehen könnte. Beide Staaten beraten gerade darüber, wie die Folgen für Ägypten minimiert werden könnten.
„Es ist, als würde man zwei langsam aufeinander zufahrenden Zügen zuschauen, die demnächst aufeinander prallen“, sagt Richard Tutwiler, Wasserexperte an der American University in Kairo. „Jeder weiß, dass sich das Bevölkerungswachstum beschleunigt, und dann kommt noch dieser Damm hinzu, der zum Problem werden könnte, wenn er zu schnell aufgefüllt wird.“ Tutwiler forderte die Ministerien und Unternehmen in der Wasserbranche auf, mit Blick auf die landwirtschaftliche Bewässerung stärker an einem Strang zu ziehen.
Nur für wenige Stunden pro Woche
Das Problem der steigenden Nachfrage nach Wasser hat bereits einige Regierungen beschäftigt. Doch eine Lösung wurde bislang nicht gefunden. Wasserhebewerke und Verteilsysteme im Land sind hochgradig ineffizient. Die Behörden in der Hauptstadt Kairo kürzen in den Sommermonaten regelmäßig die Wasserversorgung. Einige ländliche Gebiete werden immer wieder von Dürren geplagt. Die Bauherren neuer Siedlungen in der Wüste locken Interessenten mit dem Versprechen einer zuverlässigen Wasserzufuhr – und können dies später meist nicht einhalten.
Eines dieser Gebiete ist Neu-Gurna westlich der berühmten Pharaonenstadt Luxor. Die Bewohner beschweren sich, tagelang ohne Wasser leben zu müssen. Manchmal stehe es nur für wenige Stunden pro Woche zur Verfügung. „Wenn ich gewusst hätte, dass es so schlecht sein würde, wäre ich nicht hier raus gezogen“, sagt der Lehrer Abdullah Said, der eine Protestaktion von 15 .000 Siedlern gegen die Wasserknappheit leitet.
Bei den Bewohnern handelt es sich häufig um Menschen, die aus ihren Häusern in der Nähe archäologischer Stätten umgesiedelt wurden. Der Staat ließ die alten Siedlungen aus Angst vor Schäden an den Sehenswürdigkeiten abreißen. Die Bewohner klagen, der Wasserspeicher von Neu-Gurna habe ein Leck. Sie zeigten Reportern der Nachrichtenagentur AP Videos, auf denen Wasser durch eine nahegelegene Schlucht schießt. Die örtlichen Behörden weisen die Angaben zurück.
Auch andere Gruppen engagieren sich im Kampf gegen die Wasserknappheit. Zu den Geldgebern gehören unter anderem die Europäische Union und Microsoft-Gründer Bill Gates. Die ägyptische Regierung brachte mehrere Initiativen auf den Weg, um Wasser zu recyceln und die Effizienz der Versorgung zu verbessern.
Regional produziert
Die kleine Pflug, der für die Familie Scheich im Nildelta so vieles veränderte, könnte der mehrheitlich von Kleinbauern betriebenen Landwirtschaft landesweit helfen. Das Gerät wird regional produziert und kostet umgerechnet nur rund 4.400 Euro. „Mein eigener Vater war dagegen, von unseren alten Methoden (auf den Pflug) umzusteigen, aber die Vorteile haben ihn überzeugt“, sagt der Wissenschaftler Atef Swelam, der den Pflug im Auftrag des Internationalen Zentrums für Landwirtschaftliche Forschung in Trockengebieten (Icarda) entwickelte.
„Hochbeete manuell anzulegen ist schwierig und teuer, aber mit dieser Maschine fällt es leicht.“ Bisher wurden erst 35 Exemplare des Pflugs gebaut. Doch Swelam hofft, dass die Zahl mit Hilfe öffentlicher und privater Investitionen bald ansteigen wird.
Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO, die die Entwicklung des Pflugsystems unterstützt, setzt darauf, dass die ägyptische Regierung mittelständische Unternehmen ermutigt, weitere Pflüge zu produzieren. „Dann würde das zum Selbstläufer werden“, sagt der FAO-Gesandte in Ägypten, Pasquale Steduto.
Der Bewässerungsexperte Massen Mostfass wirbt für einen Umbau der alten Kanäle in moderne Beregnungsanlagen, um die grünen Gebiete entlang des Nils auszuweiten und so neue landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu schaffen. „Das jetzige System ist Tausende Jahre alt und seit der Zeit der Pharaonen nicht geändert worden“, sagt er. „Das ist nicht nur eine Investmentgelegenheit, sondern angesichts der bevorstehenden Knappheit ein absolutes Muss.“
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