: Drückerkolonnen für den deutschen Meister
■ Verbraucherschützer monieren: Fußballklubs als Aushängeschilder für dubiose Geschäfte
Hamburg (taz) – Zwischen drei und sechs Millionen Mark zahlen Unternehmen zwischen Rostock und Nürnberg für die Werbung allein auf einem Bundesligatrikot. Die letztliche Höhe der Zuwendung ist üblicherweise vom erreichten Tabellenplatz abhängig. Werbebanden, Einblendungen auf einer Multimediawand oder Lautsprecherdurchsagen sind nach offiziellen Angaben in den meisten Stadien ausverkauft, obwohl selbst so banale PR-Pakete wie der „Spielstand-Presenter“ über 50.000 Mark kosten. Dafür leuchtet siebzehn Heimspiele lang das Firmenlogo auf einer Anzeigetafel auf, wenn der aktuelle Spielstand eingeblendet wird.
Übertroffen wird der Spielstand-Presenter noch vom Mannschafts-Presenter vor Spielbeginn, er kostet 65.000 Mark. Nach Schätzung des Fachblattes Kicker ist etwa dem krisengeschüttelten Autohersteller Opel das Sponsorpaket bei Bayern München bis zu 20 Millionen Mark wert. Für seinen finanziellen Großeinsatz beim Fußballprimus der Bundesliga hat Opel ein Rundumpaket erworben, das von der Hemdbrust bis zum Event mit der Fußballmannschaft in der ostdeutschen Provinz reicht.
Neu auf den prominenten Trikots sind die Namenszüge von zwei Drückerkolonnen mit äußerst mäßigem Leumund unter Verbraucherschützern. Die DVAG ersetzte diese Saison den Keksbäcker Bahlsen als Hauptsponsor beim Meister 1. FC Kaiserslautern. Werbeeinsatz der Deutsche Vermögensberatung AG: geschätzte sieben Millionen Mark. Europas größter eigenständiger Finanzvertrieb, der auch mit den Schumacher-Brüdern aus der Formel 1 oder dem Golfer Bernhard Langer wirbt, wird sich die PR-Millionen locker leisten können: Mehr als 15.000 Verkäufer haben nach Firmenangaben in über zwei Millionen Wohnungen Versicherungspolicen, Investmentanteile oder Bausparverträge abgeschlossen. Das DVAG-Vertragsvolumen beträgt mehr als 107 Milliarden Mark.
Selbst mit Politikern locken die „Oberabzocker“, so ein Branchenblatt, der Göttinger Gruppe (Securenta, Gutingia Versicherung, zwei Banken). Kanzler Kohl, Ex-Wirtschaftsminister Lambsdorff oder auch Baden-Württembergs Finanzminister Mayer-Vorfelder tauchen in der Reklame der Göttinger auf.
Letzterer überrascht mit seiner Präsenz nicht, schließlich ist MV auch Präsident des Europacup-Finalisten VfB Stuttgart – dessen Hauptsponsor ist die Göttinger Gruppe. Obendrein hat die Göttinger Drückerkolonne in den Zweitliga-Aufsteiger Tennis Borussia Berlin investiert. Ein erfolgreicher Imagetransfer: Fußballklubs dienen als (scheinbar) seriöse Aushängeschilder für dubiose Finanzprodukte. Hermannus Pfeiffer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen