Drohbriefe an Moscheen: 50-Jähriger gesteht Serie
Jahrelang erhielten muslimische Gemeinden Drohschreiben, die immer den selben Unterzeichner hatten. Der mutmaßliche Urheber wurde nun gefasst.
Den Behörden zufolge handelt es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand um einen Einzeltäter. Es seien keine „rechtsradikalen Anhaltspunkte“ für seine Taten bekannt, zudem könne eine politische Motivation bislang ausgeschlossen werden, hieß es. Die Schreiben waren im Namen einer tatsächlich existierenden Familie aus Osnabrück verfasst – hier sehen die Ermittler auch das Motiv. Demnach gab es 2016 zwischen dem Beschuldigten und einem Angehörigen dieser Familie einen geschäftlichen Konflikt. Der 50-Jährige habe damals einen finanziellen Schaden erlitten und in der Folge die Familie durch die rechtsextremen Drohbriefen in deren Namen in Verruf bringen wollen.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt wegen übler Nachrede und Verleumdung, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. Der Mann sitzt nicht in Untersuchungshaft. Er sei nach einer fünfstündigen Vernehmung und erkennungsdienstlicher Behandlung mit Speichelprobe wieder entlassen worden. Zuvor sei der Beschuldigte nicht polizeilich in Erscheinung getreten.
Tatbezug nach NRW deutet sich an
Die Schreiben gingen hauptsächlich an muslimische Religionsgemeinschaften, aber auch vereinzelt an öffentliche oder christliche Einrichtungen. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte: „Die unsäglichen Drohschreiben, die mit dem rechtsextremistischen Kürzel NSU 2.0 unterschrieben waren, haben bei den betroffenen Personen, Einrichtungen und Glaubensgemeinschaften in den vergangenen Monaten eine Menge Verunsicherung und Angst geschürt.“ Behrens dankte den Polizistinnen und Polizisten für ihren Ermittlungserfolg.
Wie die Ermittler am Dienstag schilderten, deutete sich nach Auswertung der Spurenlage und Zeugenvernehmung ein Tatbezug nach Nordrhein-Westfalen an. Unterstützt durch die „Deutsche Post security“ seien verstärkt die Postverteilwege in die Ermittlungen einbezogen worden. Am 5. Oktober wurde schließlich die Wohnung des Verdächtigen in Hagen durchsucht. Hier wurde umfangreiches Beweismaterial wie zum Beispiel für die Taten typische Papierschnipsel sichergestellt.
In Niedersachsen hatte Ende Juli eine Moschee in Hannover einen mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Drohbrief erhalten. Darin stand: „Euer Imbiss ist nur der Anfang. Wir kommen wieder.“ Auf ein Restaurant an der Moschee war wenige Wochen zuvor ein Brandanschlag verübt worden. Verletzt wurde dabei niemand. Hinweise darauf, dass der Brandanschlag und der Drohbrief zusammenhingen, gab es nicht. Die Drohbriefe in Niedersachsen gingen davor auch an Adressen in der Stadt Osnabrück, an die Ditib-Gemeinde in Göttingen sowie an Gemeinden in Bramsche (Landkreis Osnabrück) im Landkreis Diepholz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin