Drogenkonsument*innen in der Coronakrise: Kaum Geld, teurer Stoff

Das Leben drogenkranker Menschen hat sich „drastisch verschlechtert“, sagt die Suchthilfeorganisation „comeback“. Es fehlt an Substitutionsplätzen.

Ein Mann komnsumiert illegale Drogen

Für Drogenabhängige ist das Leben in Zeiten der Corona noch schwieriger geworden Foto: Boris Roessler/dpa

BREMEN taz | „Denkst Du, wir werden das überleben?“ Immer wieder hört Cornelia Barth von der ambulanten Drogenhilfeorganisation „comeback“ gerade diese Frage von ihren Klient*innen. „Klar hab ich Angst“, sagt Sophie Meyer*, die eine von ihnen ist. Ein großer Teil der Drogenkonsument*innen sind Risikopatient*innen, wenn es um das Corona-Virus geht: Sie haben Vorerkrankungen an der Lunge oder am Herzen, HIV, Hepatitis oder auch mal offene Wunden.

Und viele von ihnen können nicht einfach zu Hause bleiben, „denn sie haben kein Zuhause im normalen Sinne“, sagt Barth. Die Notübernachtungen seien voll, Einzelzimmer gebe es meist eh nicht. Und Kliniken und stationäre Wohnangebote nähmen derzeit in der Regel keine neuen Patient*innen auf, so Barth, vielfach würden Patient*innen sogar entlassen. „Viele Menschen wohnen und schlafen weiter auf der Straße oder leben in prekären Verhältnissen bei Bekannten.“

Viele Einrichtungen, die die Konsument*innen sonst aufsuchen, sind überdies zur Zeit geschlossen oder haben nur beschränkte Öffnungszeiten und beraten nur noch telefonisch. Auch das Café von comeback im Tivoli-Hochhaus, das sonst täglich von 80 Leuten besucht wird, hat nun zu.

Die Klient*innen könnten aber zum Telefonieren und Post abholen kommen und auch ihre Nadeln und Spritzen tauschen, erklärt comeback. Außerdem gebe es zumindest etwas Kaltes zu essen, belegte Brötchen, Frikadellen, Salate. Zwar stehen die Suppenengel nun täglich auf der Bürgerweide und verteilen Lebensmittel – Sophie Meyer aber geht da nicht hin: „Da sind zu viele“, sagt sie. Zu groß ist ihre Angst vor einer Ansteckung.

Drogen werden teurer

Ihr Geld verdiene sie mit dem Verkauf von Straßenzeitungen, sagt sie. „Aber das ist schwer geworden.“ Je mehr Menschen sich isolieren, von zuhause arbeiten, unter Quarantäne stehen und den Kontakt zu Fremden meiden, desto schwieriger wird der Verkauf der „Zeitschrift der Straße“, zumal deren Vertriebsbüro gerade geschlossen ist, die Magazine also nur noch von den wenigen Streetworker*innen verteilt werden können, die unterwegs sind. Dabei braucht Sophie Meyer gerade mehr Geld als vor der Corona-Krise, denn: das Gramm Stoff koste sie zur Zeit 30 Euro mehr als sonst.

In der Szene heißt es: Es gibt gerade „mehr Stress“ mit der Polizei. Die kann dazu gerade nichts sagen – weil sie im Stress ist

„Manche können sich die Drogen nicht mehr leisten und im schlimmsten Fall kommt es dann zu einem kalten Entzug, was für viele lebensbedrohlich sein kann“, sagt Bertold Reetz von der Ambulanten Suchthilfe. Die Alternative: Die Drogenkriminalität steigt. „Aber auch die Leute, die klauen, haben mehr Probleme“, erzählt Meyer. Denn viele Geschäfte und Kioske haben ja zu, sind also vor Diebstahl geschützt – aber die Läden der Hehler sind damit eben auch zu.

Konsumiert werde derzeit vermehrt draußen, sagt Meyer, denn einen geschützten Drogenkonsumraum gibt’s nicht. Und so gebe es gerade „mehr Stress“ mit der Polizei als sonst. Die kann dazu gerade nichts sagen: Alle Mitarbeiter*innen seien „aufs Höchste gefordert und müssen sich auf die elementaren Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in unserer Stadt fokussieren“, heißt es dort.

Drogenkranken fehlt es aber nicht nur an Wohnungen, Essen und Geld: „Es fehlt auch an Substitutionsplätzen“, sagt Barth, also an der Möglichkeit zur Vergabe von legalen Drogenersatzstoffen unter ärztlicher Aufsicht. „Neben den Therapie- und Haftentlassenen bitten derzeit auch diejenigen um Substitution, die sich bisher gut ohne durchschlagen konnten.“

Und gerade hat die Justizsenatorin ja verfügt, dass jene, die Ersatzfreiheitsstrafen absitzen, den Knast vorerst verlassen dürfen. Von rund 650 Gefangenen sind das etwa 50. „Leute, die bisher nicht an Substitution gedacht haben, kommen und fragen nun danach“, erzählt Barth. Für EU-Ausländer*innen etwa gebe es derzeit keine Möglichkeit, sich substituieren zu lassen. In Bremen gibt es drei Substitutionsambulanzen, die etwa 150 Menschen betreuen. „Viele wollen den Ausstieg“, sagt Barth – „und wieder Chef im Ring sein“.

Insgesamt habe sich die Lage für die Drogenkonsument*innen mit der Corona-Krise „drastisch verschlechtert“. Wie lange das noch gutgeht? „Nicht mehr lange“, sagt Sophie Meyer.

*Name von der Redaktion geändert

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