Drei Verfassungsklagen gegen Klimagesetz: Die Zukunft kommt vor Gericht
Das Klimagesetz der Regierung sei unzureichend, finden Umweltverbände und junge Aktivist*innen. Sie haben in Karlsruhe Beschwerde eingelegt.
Für das Parlament, den Bundesrat und die Regierung hat ihr Verhalten jetzt aber erst einmal ein juristisches Nachspiel: Mit gleich drei neuen Verfassungsbeschwerden greifen Umweltverbände und vor allem junge Betroffene das Klimagesetz an, kündigten sie am Mittwoch in Berlin an. Ob und wann das höchste Gericht diese Frage entscheidet, ist bislang offen.
Aktuell unterstützen Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch drei neue Beschwerden: 10 Kinder und Jugendliche aus Deutschland sehen ihre Grundrechte ebenso verletzt wie 15 Betroffene aus Nepal und Bangladesch. Eine dritte Beschwerde kommt von neun jungen Menschen, unter ihnen die FFF-Aktivistin Luisa Neubauer, die teilweise auch schon auf EU-Ebene klagen. Dazu kommt eine Verfassungsbeschwerde von Betroffenen, die vom BUND unterstützt wird und bereits seit November 2018 beim Verfassungsgericht liegt.
Die Kläger bemängeln, das Klimaschutzgesetz sei „unschlüssig, ungeeignet und mit Schutzpflichten unvereinbar“, es erlaube zu viele Emissionen und nehme „damit der Generation der Beschwerdeführer die Entscheidungsmöglichkeit über ihre eigene Zukunft“. Sie monieren Verstöße gegen ihre Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit, Eigentumsrechte, Berufsfreiheit oder gegen die Pflicht des Staates zur Bewahrung der Umwelt.
Miriam Siebeck, 15-jährige FFF-Aktivistin aus Stuttgart, sagte: „Die Regierung hält sich nicht an ihre Pflicht, unsere Lebensgrundlagen zu schützen.“ Und für Luisa Neubauer geht es nach einem Jahr der Demonstrationen „nicht mehr nur darum, sich mehr Klimaschutz zu wünschen. Ab heute geht es um die Frage: Ist das Nichthandeln der Regierung mit der Verfassung zu vereinbaren?“
Weiter Spielraum bei Umweltfragen
Doch ob über diese Frage überhaupt entschieden wird, ist unklar. Denn das Verfassungsgericht befindet selbst darüber, ob es die Beschwerden annimmt – und dann möglicherweise entscheidet, ob und in welchen Punkten das Gesetz unzureichend ist.
Einerseits hat das höchste Gericht bei Umweltfragen oft dem Gesetzgeber weiten Spielraum eingeräumt. Und mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes wurde durchaus gehandelt – wenn auch für die Umweltverbände zu wenig. Nach Sicht der DUH wäre etwa auch mit dem Gesetz das Budget für Deutschlands weltweit vertretbare Emissionen bereits 2025 erschöpft.
Andererseits habe das Verfassungsgericht für die Verfassungsklage des BUND von 2018 großes Interesse erkennen lassen, berichtet BUND-Anwalt Felix Ekardt: Es hat Stellungnahmen von Parlament und Regierung angefordert, die jetzt langsam eingehen.
Und die Kläger hoffen, dass der erfolgreiche Prozess der niederländischen Umweltorganisation urgenda zum Vorbild wird: Dort hatte erst am 20. Dezember der oberste Gerichtshof in letzter Instanz die Regierung zu einem effektiveren Klimaschutz verdonnert. „Wir hoffen, dass das Verfassungsgericht die Beschwerden annimmt und bündelt und noch in diesem Jahr eine mündliche Verhandlung ansetzt“, sagte Anwältin Roda Verheyen, die eine der Klagen vertritt.
Die Klagen liegen im Trend. Immer häufiger fordern Betroffene bei Gerichten besseren Klimaschutz ein: Weltweit laufen hunderte von „Klima-Prozessen“. Im letzten Jahr scheiterten etwa Bauern mit der Unterstützung von Greenpeace vor dem Verwaltungsgericht Berlin; Kläger von Inseln und Betroffene aus ganz Europa klagen vor EU-Gerichten. Und im Prozess eines peruanischen Bergführers gegen RWE, den Germanwatch unterstützt, hat das deutsche Gericht inzwischen einen Ortstermin in den Anden angesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste