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Drei Tote in Reading, EnglandTerror am Sommerabend

In einem Park in Reading tötet ein libyscher Flüchtling drei Menschen mit einem Messer. Die Behörden behandeln die Tat als Terrorismus.

Schock über Attentat: Ein Mann legt Blumen am Zaun der Forbury Gardens in Reading ab Foto: Peter Nicholls/reuters

London taz | Eine Messerattacke in der englischen Stadt Reading ist am Sonntag von der Polizei offiziell als Terrorismus eingestuft worden. Andere schätzen es als Tat einer Person mit psychischen Störungen ein.

Drei Menschen verloren ihr Leben, drei weitere wurden bei dem Angriff am Samstagabend gegen 19 Uhr verletzt, einer von ihnen schwer. Der Täter hatte eine Gruppe von rund zehn Männern, die wie viele andere ihren Samstagabend am längsten Tag des Jahres gemeinsam im Park Forbury Gardens im Stadtzentrum Readings verbrachten und auf dem Rasen Bier tranken, mit seinem urplötzlichen Angriff überrascht.

Er habe gezielt mit einem „riesigen“ Messer, so ein Augenzeuge, auf die Oberkörper und den Halsbereich eingestochen. Dabei soll er laut Augenzeugen etwas Unverständliches geschrien haben. Nachdem er auch noch eine andere nichtsahnende Gruppe attackiert hatte, soll er die Flucht ergriffen haben und wurde danach den Berichten zufolge von einem Polizisten zu Boden gerungen.

Laut Aussagen der zuständigen Thames-Valley-Polizei handelt es sich beim festgenommenen Täter um einen 25-jährigen Libyer. Die Behörden gaben an, dass sie derzeit nach keiner anderen Person suchen. Des Weiteren wurde bestätigt, dass die Tat nichts mit den aktuellen Protesten im Zusammenhang mit Black Lives Matter zu tun habe. Erst zwei Stunden zuvor hatte die antirassistische Protestbewegung eine friedliche Kundgebung in dem Park abgehalten.

Ein von anderen abgeschottetes Leben

Britische Medien nannten am Sonntagmittag den Namen eines libyschen Flüchtlings, der vor mehreren Jahren nach Großbritannien gekommen sei, auch schon im Gefängnis gesessen habe und einmal wegen des Mitführens einer Waffe eine Geldstrafe bekam.

Eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der ärmeren Viertel Readings, in welcher der Täter gewohnt haben soll, wurde noch in der Nacht zum Sonntag von der Polizei durchsucht. Gegenüber Journalisten sagten befragte Nachbarn, dass der mutmaßliche Täter ein abgeschottetes Leben führt. Er soll Nachbarn oft mit Schlägen gegen die Wände gestört haben.

Ein Nachbar glaubte, der Mann sei oft weg gewesen und sei von einem Sozialarbeiter betreut worden. Aus diesen Angaben wird geschlossen, dass der 25-Jährige psychische Probleme hatte, die ein Faktor bei der Tat gewesen sein könnten. Doch all dies wurde noch nicht offiziell bestätigt.

Sollte der Täter tatsächlich an psychischen Störungen gelitten haben, könnte dies Fragen bezüglich der Fürsorge für psychisch labile Menschen während der Coronapandemie aufwerfen. Doch dass die Antiterrorpolizei nun die Ermittlungen übernommen hat, weckt auch Erinnerungen an andere Anschläge.

Johnson deutet Konsequenzen an

Erst am 2. Februar hatte ein kurz zuvor aus der Haft wegen Verbreitung terroristischen Gedankenguts entlassener Täter bei einem Messerangriff in Streatham im Süden Londons mehrere Menschen verletzt, bevor er erschossen wurde. Im Mai 2017 hatte ein Libyer bei einem Selbstmordanschlag auf ein Popkonzert in Manchester 23 Menschen getötet.

Premierminister Boris Johnson und andere Politker*innen sprachen ihr Entsetzen und ihre Anteilnahme nach dem Angriff aus und gaben an, dass vielleicht Gesetze geändert werden müssten, um besser vor derartigen Angriffen zu schützen. Es sei für Festlegungen noch zu früh, so Johnson in einem TV-Interview, „aber wenn Veränderungen nötig sind, werden wir nicht zögern, so wie schon bei der automatischen vorzeitigen Entlassung von terroristischen Tätern“.

Hier hatte es nach dem Messerangriff von Streatham Verschärfungen gegeben. Labour-Chef Keir Starmer, ein ehemaliger britischer Generalstaatsanwalt, bot der Regierung Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung an und sagte, dies sei kein Zeitpunkt für parteipolitische Auseinandersetzungen.

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