Dreckiger Pariser Stadtfluss: Seine oder nicht Seine
Die Wasserqualität in der Seine bereitet den Triathleten weiterhin Probleme. Flussschwimmer Mao Zedong hätte die Wettbewerbe schon längst freigegeben.
Eine braune Brühe fließt durch Paris. Die Seine ist noch immer zu schmutzig, um darin zu schwimmen. Die Wettbewerbe der Triathleten wurden auf Mittwoch verschoben, nachdem bereits Trainingssessions in der Seine nicht möglich waren. Die mikrobiologischen Werte sind nach den Niederschlägen zu Beginn der Olympischen Sommerspiele weiterhin leicht über der erlaubten Grenze.
Das Sportlerwohl geht vor, dabei hatten die Ausrichter doch eine Menge versucht, um die Seine sauber zu kriegen. 1,4 Milliarden Euro wurden investiert, um etwa ein Überlaufbecken zu bauen, und die französische Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra stieg vorm Großereignis medienwirksam in den Fluss, um zu demonstrieren, dass man ein Bad schadlos übersteht.
Die Ministerin paddelte wie die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Ganzkörper-Neoprenanzug ein wenig im Fluss herum, an die Leistung von Umweltminister Klaus Töpfer kamen beide nicht heran. Der durchquerte im Jahr 1988 den Rhein, um, wie damals kolportiert wurde, auf die verbesserte Wasserqualität hinzuweisen; in Wirklichkeit hatte der CDU-Mann eine Wette verloren, wie er viele Jahre nach der Schwimmpartie offenbarte.
Der bekannteste Flussschwimmer ist natürlich Mao Zedong, der immer wieder in chinesische Ströme stieg. Dass er dabei einen Teufel auf die Wasserqualität gab, das berichtete sein Leibarzt Li Zhisui. Bei einer Chinareise wollte Mao einmal im Perlfluss, im Xiang in der Provinz Hunan und schließlich im Jangtse nahe Wuhan in Zentralchina schwimmen. Die Flüsse waren samt und sonders verdreckt, gefährliche Strömungen machten die Schwimmabenteuer gefährlich.
Absage zu nachtschlafener Zeit
Mao ließ sich nicht abhalten, auch nicht vom Leibarzt, der den kommunistischen Führer wiederholt warnte. Mao, der sich viele Kilometer fidel treiben ließ, begleitet von einem Tross Leibwächter, entgegnete ihm: „Wenn wir uns immer nach euch Ärzten richten würden, könnten wir nicht existieren. Brauchen nicht alle Lebewesen Luft, Wasser und Erde? Sagen Sie mir, welches dieser Elemente ist sauber? Ich glaube nicht, dass es saubere Luft, sauberes Wasser oder saubere Erde gibt. Wenn Sie einen Fisch in destilliertes Wasser werfen, wie lange, glauben Sie, wird er überleben?“
Viele Chinesen folgten Maos Beispiel – und ertranken, des Schwimmens unkundig, in den Fluten. Dieses Schicksal immerhin bleibt den Triathleten in Paris erspart, sie müssen allenfalls gesundheitliche Folgen fürchten. Die Ehefrau des deutschen Dreikämpfers Jan Frodeno, Emma Frodeno (früher: Snowsill), musste im Jahr 2014 ihre Karriere beenden, weil sie sich in schmutzigem Flusswasser eine Infektion zugezogen hatte.
Die Wettbewerbe der Frauen und Männer sollen nun, nach erneuter mikrobiologischer Prüfung, am Mittwoch stattfinden. Das Zeitfenster für eine Austragung der Wettbewerbe ist eng, denn am Abend sind Gewitter angekündigt. Sie könnten erneut für eine Verschmutzung der Seine sorgen.
Die Sportler müssen mit der kaum schwindenden Kontamination umgehen, etwa der deutsche Triathlet Lasse Lührs. Er stand am Dienstag in aller Früh in den Startlöchern, doch dann kam die Absage. „Um 4.30 Uhr kam die Nachricht, dass das Rennen verschoben wird. Ich hatte tatsächlich schon die Tasche gepackt, wollte gerade frühstücken“, sagte der Bonner.
Olympia-Debütant Lührs, der ebenso wie Tim Hellwig und Jonas Schomburg für Deutschland an den Start geht, war bereits um 4 Uhr aufgestanden. „Dann habe ich mich nochmal hingelegt und versucht, noch ein bisschen zu schlafen, was mehr oder weniger geklappt hat.“ Und weiter: „Die Situation ist für alle dieselbe. Es bringt ja auch nichts, sich lang darüber zu ärgern“, sagte er. Der Wettkampf der Männer soll nun am Mittwoch um 10.45 Uhr beginnen, unmittelbar nach der Entscheidung der Frauen um 8 Uhr.
„Unser Rennen ist jetzt auch zu einer anderen Zeit, wo auch ganz andere Temperaturen herrschen. Aber so ist das jetzt nun einmal. Hoffentlich können wir den Wettkampf morgen machen, das wäre gut. Ich versuche, meine Vorbereitung anzupassen“, sagte Lührs. Sollte die Wasserqualität auch am Freitag nicht gut genug sein, soll das Schwimmen komplett wegfallen und ein Duathlon ausgetragen werden.
Hellwig und Schomburg waren direkt aus ihrem Höhentrainingslager nach Paris gereist. Nach 72 Stunden verfliegt freilich der Leistungsvorteil, den sich Spitzensportler in der Höhe erarbeitet haben. „In diesen 72 Stunden ist die Leistungsfähigkeit maximal“, erklärte Jan Frodeno in einem ZDF-Interview: „Wenn man da noch ein, zwei Tage dranhängt, dann ist es eine Riesenumstellung und man fällt in ein sogenanntes Höhenloch.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“