Drahtzieher der 9/11-Anschläge: Verfahren ohne absehbares Ende
Das US-Verteidigungsministerium annulliert einen Deal mit den wegen 9/11 angeklagten Inhaftierten. Seit 2006 sind sie im Gefangenenlager Guantánamo.

Letzte Woche nun mischte sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ein und erklärte die Deals für ungültig. Daraufhin entschied ein Militärrichter, Austins Einspruch sei zu spät gekommen und erklärte die Deals für gültig – woraufhin nunmehr das Verteidigungsministerium auch diese Entscheidung anfechten will.
Daraufhin hat Militärrichter Matthew McCall am Sonntag entschieden, die bereits geplante Anhörung des Schuldeingeständnisses erneut zu verschieben.
Die Abkommen waren von Militäranwälten ausgehandelt und von der Vorsitzenden der Militärkommission, Susan Escallier, abgesegnet wurden. Für ein Schuldeingeständnis würden die mutmaßlichen Täter im Gegenzug eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Chance auf vorzeitige Entlassung erhalten. Austin begründete seine Entscheidung, die Vereinbarungen zu annullieren, damit, dass er das „letzte Wort“ in diesen Dingen habe.
Aufgeladenes Thema auch nach 23 Jahren
Gleichzeitig entzog er Escallier die Autorität, im Fall gegen die fünf mutmaßlichen Architekten der Terror-Anschläge vom 11. September 2001 weitere Vereinbarungen zu treffen. Das Hin und Her zeigt, wie politisch aufgeladen das Thema auch mehr als 23 Jahre nach den Anschlägen noch immer ist.
Bereits ein Jahr zuvor war es US-Präsident Joe Biden, der Verhandlungen über ähnliche Vereinbarungen mit allen fünf Angeklagten stoppte. Mehr als 2.000 Angehörige der Opfer des 11. September hatten in einem Schreiben an Biden damals ihren Unmut über die möglichen Abkommen geäußert.
„Diese Frage von Leben oder Tod ist eine Ablenkung. Ein Deal vermeidet einen Prozess, ein Deal vermeidet eine öffentliche Rechenschaft“ und das sei das Wichtigste überhaupt, erklärte Brett Eagleson, der seinen Vater in einem der World-Trade-Center-Türme verlor, gegenüber Politico.
Die drei Angeklagten – Khalid Sheikh Mohammed, Walid Muhammad Salih Mubarak bin Attash und Mustafa Ahmed Adam al-Hawsawi – befinden sich seit 2006 im Gefangenenlager auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay.
KSM gilt als Drahtzieher der Anschläge
Sie wurden zusammen mit Ali Abdul Aziz Ali und Ramzi Bin al-Shibh, zwei weiteren mutmaßlichen Al-Qaida Terroristen, 2008 zum ersten Mal angeklagt. Eine zweite Anklage folgte 2012. Doch unzählige weitere Gerichtsverfahren haben den Prozessbeginn immer wieder verzögert. Bis heute gibt es keinen genauen Termin für einen Prozessauftakt. Allen fünf Angeklagten wird vorgeworfen, für den Tod von knapp 3.000 Menschen am 11. September 2001 verantwortlich zu sein.
Khalid Sheikh Mohammed, auch bekannt unter dem Kürzel KSM, gilt als der Drahtzieher der Anschläge. Vor seiner Ankunft in Guantánamo wurde KSM jedoch gefoltert. Der US-Geheimdienst CIA soll ihn 183-mal dem Waterboarding unterzogen haben. Auch andere Formen der Folter, die in den berüchtigten CIA-Geheimgefängnissen als „verschärfte Verhörmethoden“ an der Tagesordnung war, sollen zum Einsatz gekommen sein.
Laut Rechtsexperten hat die US-Regierung mit der Anwendung von Folter die Chance auf einen rechtsgültigen Prozess selbst sabotiert. Insgesamt sind in Guantánamo noch immer knapp 30 Personen inhaftiert. Bemühungen, das Lager zu schließen, wurden über die Jahre immer wieder blockiert.
Donald Trump, der im Januar seine neue Amtszeit antreten wird, hat in der Vergangenheit erklärt, das Gefangenenlager weiter betreiben zu wollen.
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