Dortmund in der Champions League: Angst vor der großen Falle
Der BVB hofft gegen Madrid auf ein Wunder. Auch künftig will man den Spagat leisten, unter den Großen zu sein, ohne die gleichen Summen zu investieren.
DORTMUND taz | Vollständig ist die Hoffnung auf ein Wunder nach der 0:3-Niederlage im Hinspiel des Champions-Legaue-Viertelfinals in Madrid noch nicht erloschen. „Jetzt kommt eine neue Geschichte und ein neues Spiel“, sagt Borussia Dortmunds Stürmer Robert Lewandowski in Anspielung auf das Halbfinale der vorigen Saison, als er vier Tore zum 4:1-Erfolg über Real Madrid beisteuerte.
Unter Stürmern ist diese Form des Optimismus weit verbreitet, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten hilft ihnen bei ihrer Arbeit. Realistischere Angestellte des BVB arbeiten hingegen längst auf einer ganz anderen Baustelle. Auf einem Feld, das noch wichtiger ist als diese Partie gegen den königlichen Klub aus der spanischen Hauptstadt.
Sportdirektor Michael Zorc, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Trainer Jürgen Klopp sind intensiv dabei, die Mannschaft der Zukunft zu modellieren, und das ist eine gewaltige Herausforderung. Mit Lewandowski verlässt der am schwersten ersetzbare Spieler den Klub, Ilkay Gündogans Entzündung im Rücken bleibt rätselhaft, längst steht die Frage im Raum, ob der Nationalspieler jemals zurückkommt.
Pierre-Emerick Aubameyang entpuppt sich mehr und mehr als Enttäuschung, Sebastian Kehl hat seinen Zenit überschritten, und niemand weiß, wann und in was für einem Zustand Langzeitverletzte wie Sven Bender, Jakub Blaszczykowski oder Neven Subotic zurückkehren. Abgesehen von der Viererkette ist die erste Elf der nächsten Saison kaum ein Fragment.
Jenseits von Nuri Sahin, Kevin Großkreutz, Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan (der sich aber gewaltig steigern muss), zeigt sich ein deutlicher Mangel an gesunden Offensivspielern von internationalem Format. „Wir werden im Sommer investieren, und das nicht wenig“, kündigt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke daher an.
Investieren, aber nicht im Höchstpreis-Segment
Weil der BVB aber nicht im Segment der bereits in der Champions League etablierten Superstars einkaufen wird, sind sie darauf angewiesen, das zu schaffen, wovon jeder Sportdirektor träumt: hochveranlagte und sofort brauchbare Spieler zu finden, die sich dann zu internationalen Spitzenkräften entwickeln. So wie es einst mit Lewandowski, Gündogan oder Kagawa gelang. Und weil sie solche Spieler in beiden zurückliegenden Sommerpausen nicht finden konnten, ist der Druck diesmal besonders groß.
Bereits verpflichtet wurde nur Dong-Won Ji vom FC Augsburg, Adrian Ramos (Hertha BSC Berlin) wird wohl ebenfalls kommen, auch wenn der Klub dies noch nicht bestätigte. Darüber hinaus kursieren zahllose Namen: Kagawa (als Leihspieler von Manchester United), Kevin Volland (TSG Hoffenheim), Michy Batshuayi (Standard Lüttich), Matthias Ginter (SC Freiburg), Àlvaro Morata (Real Madrid) Manolo Gabbiadini (Sampdoria Genua), Sanio Mané (RB Salzburg), Riccardo Montolivo (AC Mailand) und einige mehr.
Diese Namen machen die Preisklasse sichtbar, in der die Borussia sich bewegt. Dabei könnten sie durchaus große Spieler verpflichten, denn der BVB ist reich wie nie. Im ersten Halbjahr der Saison wurden die ohnehin schon üppigen Einnahmen aus Werbung, Merchandising, Catering und Lizenzen noch einmal um 16 Prozent gesteigert, der Rekordumsatz der Vorsaison (305 Millionen Euro) kann selbst dann noch übertroffen werden, wenn der Klub gegen Real scheitert. Superteure Superstars wird es trotzdem nicht geben.
Man fürchtet die berühmte Champions-League-Falle: Wenn der BVB anfängt, Gehälter wie Bayern München, Real, Chelsea, Barcelona oder Manchester City zu bezahlen, wird der Kader schnell so teuer, dass in einem schwachen Jahr ohne die Geldflüsse aus der Königsklasse Verluste drohen. „Wir werden nie wieder einen Euro Schulden machen für sportlichen Erfolg“, lautet ein zentraler Vorsatz Watzkes.
Deshalb kommen Stars wie Edin Dzeko (Manchester City) oder Diego Costa (Atlético Madrid) nicht in Frage. Der BVB will weiterhin unter den Großen mitmischen, den Abstand zum FC Bayern verkürzen, ohne die gleichen Summen in die Mannschaft zu investieren, wie die namhafte Konkurrenz aus München, London oder Madrid. Wenn dieses Kunststück dauerhaft gelänge, wäre das ein ähnlich erstaunlicher Erfolg wie ein Wunder gegen Real am Dienstagabend.
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