Doppelte Nutzung von Agrarflächen: Himbeeren und Strom vom Acker
Landwirtschaft und Solarstromerzeugung suchen die Symbiose: Bei der sogenannten Agrophotovoltaik gedeihen Pflanzen unter Paneelen.
Doppelte Sonnenernte auf knappen Flächen: Schon vor Jahrzehnten hatte der Gründer des Freiburger ISE, Adolf Goetzberger, das Konzept im Sinn, doch offenbar ist erst jetzt die Zeit dafür reif. Die neue Anlage mit 20 Kilowatt ist schon die zweite ihrer Art in Deutschland.
Auf einer 250 Quadratmeter großen Ackerfläche werden die Solarmodule auf Gestellen montiert; eine Durchfahrtshöhe von fünf Metern ermöglicht weiter den Einsatz großer Landmaschinen.
Die erste Anlage dieser Art steht bereits seit drei Jahren ebenfalls in Südbaden. Sie ist deutlich größer: Auf dem Gelände der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach nahe dem Bodensee testen die Freiburger Solarforscher seither auf 0,3 Hektar – also mehr als zehnmal so groß – das Zusammenspiel von Ackerbau und Stromerzeugung mit einer 194-Kilowatt-Anlage.
Kartoffeln gedeihen besser
Der Effekt der Verschattung ist natürlich je nach Art der Pflanzen unterschiedlich. Drei der vier getesteten Kulturen erzielten unter der Anlage höhere Erträge als auf der Referenzfläche ohne Solarmodule. Am stärksten profitierte der Sellerie (plus 12 Prozent), während Winterweizen 3 Prozent mehr und Kleegras 8 Prozent weniger wuchsen.
Etwas besser gediehen auch die Kartoffeln. Anhand dieses Beispiels errechneten die ISE-Forscher für das Jahr 2018 eine „Landnutzungseffizienz“ von 186 Prozent: Das Kartoffelfeld habe 103 Prozent der Ernte erbracht, verglichen mit einem unverschatteten Acker. Zugleich habe die Solarstromanlage 83 Prozent des Ertrags einer normalen Freilandanlage generiert.
Längst denken nun auch andere über solche Synergien nach. Im Freiburger Winzerort Munzingen will der Nebenerwerbswinzer und Solarunternehmer Edgar Gimbel seine Reben auf einem halben Hektar mit Solarmodulen überbauen, um die Trauben vor Hagel und Starkregen sowie vor Sonnenbrand zu schützen. Selbst bei leichtem Frost könne die Überdachung schützen, sagt er. Bisher hängt das Projekt noch an Genehmigungsfragen.
Auch in anderen Ländern werden erste APV-Projekte realisiert: In den Niederlanden hat die BayWa r.e. Solar Projects, deren Technischer Direktor Gimbel ist, gerade eine Anlage über einer Himbeerplantage errichtet – Solarmodule ersetzen dort den Folientunnel.
Bifaciale Module
Die Firma Next2Sun aus Merzig im Saarland unterdessen setzt auf Solarkraftwerke, deren Module auf Grünland vertikal aufgestellt werden. Sie verwendet dabei sogenannte bifaciale Module, die nicht nur auf der Vorderseite Strom erzeugen, sondern auch auf der Rückseite. Eine Seite weist gen Osten, die andere gen Westen, so fangen die Zellen den ganzen Tag über Sonne ein. Der Reihenabstand ist groß genug, um dazwischen mit der Mähmaschine zu arbeiten.
Eine solche Anlage mit zwei Megawatt ging Ende 2018 in Eppelborn-Dirmingen im Saarland ans Netz, eine weitere folgt derzeit im badischen Donaueschingen mit 4,1 Megawatt auf zwölf Hektar.
So kreativ solche Freilandlösungen auch sein mögen: Sie müssen jeweils individuell konzipiert werden, denn je nach Art der Vegetation kann ein anderer Verschattungsgrad sinnvoll sein. Das ISE hält Verschattungen zwischen 10 und 70 Prozent für praktikabel.
Bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn allein durch den Stromerlös ist APV zumeist nicht rentabel: Anlagen mit einer Durchfahrtshöhe von fünf Metern seien etwa ein Drittel teurer als bodennahe Freiland-PV, sagt Maximilian Trommsdorff, der zuständige Projektmanager am ISE. Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich daher oft erst durch den Zusatznutzen, den die Landwirtschaft durch die Verschattung bekommt.
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