Dopingdebatte bei der Leichtathletik-WM: Saubere Bescherung
Sifan Hassan hat das 1500-Meter-Rennen gewonnen. Nun wird sie ständig mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihres furiosen Laufs konfrontiert.
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Die Niederländerin äthiopischer Herkunft hat es in Doha am härtesten getroffen. Sie gehört dem umstrittenen Nike Oregon Project an. Dessen Chefcoach, Alberto Salazar, war vor ein paar Tagen wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt worden. Sifan Hassan trainierte bei ihm.
Anders als der 800-Meter-Weltmeister Donavan Brazier (USA) und die Deutsche Konstanze Klosterhalfen, die auch am Samstag Bronze gewann, konnte sie nicht darauf verweisen, dass sie vom Co-Trainer Pete Julian betreut wird. Salazar hatte sie sogar noch gecoacht bei ihrem ersten Triumph über 10.000 Meter vor einer Woche. Dann wurde ihm die Akkreditierung entzogen, der Sportlerin der Kontakt verboten.
Die Vorwürfe gegen Salazar wiegen schwer. Gewinnen sei ihm wichtiger als die Gesundheit der Athleten, hieß es von der US-Anti-Doping-Agentur. Es geht um verbotene Infusionen, Besitz illegaler Substanzen, auch verschriebene Medikamente ohne medizinische Indikation zur Leistungssteigerung. Die Ermittlungen beziehen sich auf die Jahre 2010 bis 2014. Damals gehörten die Läuferinnen und Läufer, die jetzt in Katar starteten, noch nicht zum Oregon Project.
Die deutsche Ausnahmeläuferin Konstanze Klosterhalfen hat bei der Leichtathletik-WM in Doha Bronze über 5.000 Meter gewonnen. Die 22-jährige Leverkusenerin kam am Samstagabend im Khalifa-Stadion nach 14:28,43 Minuten ins Ziel. Titelverteidigerin Hellen Obiri gewann Gold in 14:26,72 Minuten vor ihrer kenianischen Teamkollegin Margaret Chelimo Kipkemboi (14:27,49).
Am Ende blutete sie an ihren Beinen. "Als wir eine kleinere Gruppe waren, trat immer jemand von hinten rein", erklärte Klosterhalfen nach dem Rennen. Von dem Doping-Wirbel um Starchoach Alberto Salazar, in dessen Nike Oregon Project in den USA sie trainiert, zeigte sie sich unbeeindruckt. "Mich hat das nicht tangiert", sagte sie. Ihr Trainer ist Pete Julian, der frühere Assistent Salazars. "Ich bin so dankbar, dass ich da trainieren darf." Klosterhalfen will nach der WM zurück nach Oregon.
Weltrekord in den Beinen
Hassan sagte, von den Ermittlungen informiert gewesen zu sein, als sie 2016 nach Oregon ging. Die Sperre Anfang der Woche habe sie „geschockt“. Vor allem aber ärgerte sie sich darüber, dass diese in der Vorbereitung auf ihr zweites WM-Rennen publik wurde. „Ich weiß nicht, warum jetzt alle auf mich schauen. Ich bin schon seit 2014 eine Topläuferin, lange bevor ich zu Nike gegangen bin.“
Sifan Hassan trainiert seit Ende 2016 in Oregon. Weltspitze war sie schon vor ihrem Wechsel. Sie hatte – unter anderen – EM-Gold in Zürich 2014 und WM-Bronze in Peking 2015 gewonnen. Das Projekt hat sie noch besser gemacht. Seitdem kamen noch WM-Bronze über die 5.000 Meter in London 2017 und zuletzt EM-Gold ebenfalls über die 5.000 Meter in Berlin 2018 obenauf, mit deutlich verbesserten Zeiten. Ihr Trainer hätte ihr immer gesagt, sie habe „den Weltrekord in den Beinen“.
Am Samstag gewann sie den WM-Titel mit Europarekord von 3:51,95 Minuten. Die Uhr blieb nur 1,40 Sekunden über dem Weltrekord stehen. Das Rennen entschied sie mit mehreren Metern Vorsprung vor Titelverteidigerin und Olympiasiegerin Faith Kipyegon, die immerhin noch kenianischen Landesrekord lief, und Gudaf Tsegay aus Äthiopien. Hinter der Ziellinie legte sich Sifan Hassan überglücklich auf der Laufbahn nieder. Doch mit der Freude war es schnell vorbei, als es vor die TV-Kameras ging.
„Es war eine sehr harte Woche, und ich war einfach nur wütend“, sagte Sifan Hassan. „Ich bin mein ganzes Leben lang sauber gewesen. Ich arbeite hart. Was glauben die Leute denn, wie wir betrügen? Glauben die, ich werde nicht getestet? Ich werde jedes Mal getestet.“ Ihre Tür stehe immer offen. „Wenn sie mich jeden Tag testen wollen, bitte schön.“
Andere wollen längst nicht mehr glauben, dass in Beaverton auf dem Nike Campus alles mit rechten Dingen zugeht. Die Olympiadritte und Weltmeister-Vorgängerin von Hassan, Jenny Simpson, hatte in Doha wohl die klarsten Worte gefunden. „Jeder, der sich auch nur ein bisschen in diesem Sport auskennt, weiß, dass ein Schatten über dieser Gruppe liegt“, sagte die US-Amerikanerin: „Warum sich jemand dieser Gruppe anschließt? Keine Ahnung.“
Wer dort bleibt, bei dem werden auch die Zweifel weiter mitlaufen. Sifan Hassan will sich nun überlegen, wie es mit ihr und dem Nike Oregon Project weitergeht.
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