Doping und Pferdesport: "Ein riesiger Sumpf"
Tierschützerin und Veterinärärztin Elke Deininger fordert das Ende des Hochleistungssports für Pferde. "Das Pferd verkommt zum Sportgerät", sagt sie und klagt die Machenschaften der Szene an.
Elke Deininger ist Tierärztin und Fachreferentin in der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes. Sie macht sich unter anderem für die gebisslose Zäumung von Pferden stark.
taz: Frau Deininger, gelten Sie in der Reitsportszene als Ketzerin, weil Sie die Pferde vor Unbill schützen wollen?
Elke Deininger: Nein, aber gerade wenn es um den Pferdesport und auch die Haltung von Nutztieren geht, muss ich teilweise harte Auseinandersetzungen mit meinen Kollegen führen. Eigentlich ist die Einhaltung der Tierschutzrichtlinien Konsens unter Tierärzten. Zu oft werden aber aus politischen Gründen Kompromisse gemacht.
In der Vergangenheit gelangten vor allem klare Fälle von Tierquälerei, etwa viel zu enge Pferdeboxen, in die Öffentlichkeit. Ist es um den Reitsport so schlimm bestellt, dass sich der Tierschutzbund nun in die Dopingdiskussion einmischt?
Es sagen ja die Insider selbst, dass die Lage schlimm ist, und sie ist schlimmer, als ich befürchtet habe. Wenn Ludger Beerbaum sagt: "Erlaubt ist, was nicht auffällt", zeigt das doch, was für ein riesiger Sumpf der Hochleistungspferdesport ist. Grundsätzlich ist Pferdedoping aber immer unser Thema, da Doping gemäß §3 des Tierschutzgesetzes verboten und strafbar ist.
Es wirkt so, als würde der Tierschutzbund die Gunst der Stunde nutzen, um wieder einmal ins Gespräch zu kommen.
Da irren Sie sich. Wir haben immer wieder das Problem, dass wir im Hintergrund an Themen arbeiten, die aber niemanden interessieren. Das ist auch bei Doping so. Wir stehen seit Jahren mit dem nationalen Verband in schriftlichem Kontakt. Wir haben uns bereits 2004 während der Olympiade gemeldet.
Der Tierschutzbund möchte bei der Zusammenstellung der neuen Kader in der Reiterlichen Vereinigung (FN) beteiligt werden. Ist das nicht so, als wenn ein Pazifist mit den Verteidigungsministern über Abrüstung verhandeln würde?
Nein, wir sind ja nicht für die komplette Einstellung des Wettkampf-Pferdesports. Wettkampf beinhaltet immer Ehrgeiz. Wir sehen aber den Wettkampf prinzipiell immer kritisch, weil das Pferd oft zum Sportgerät verkommt. Das eigentliche Problem ist der Hochleistungssport, dessen Anforderungen die Pferde überfordert. Abgesehen von den schon üblichen Verschleißerscheinungen an den Rippen und Gliedmaßen, beweisen die aktuellen Dopingfälle, dass Höchstleistungen ohne Hilfsmittel gar nicht mehr erreicht werden können. Niedrigere Anforderungen sind daher das beste Mittel zur Dopingbekämpfung. Wenn ich könnte, würde ich den Hochleistungssport verbieten, aber mit so einem Ziel kann ich nicht in Gespräche mit der FN gehen.
Warum nicht?
Ich glaube nicht, dass die FN die Leistungsgrenzen senken wird. In den Schriftwechseln mit uns gesteht sie das Problem ein. Grundsätzlich muss die FN sich aber fragen, wo sie hin will. Denken Sie an Erziehungsmethoden wie das Barren. Dem Pferd wird dabei im Moment des Absprungs eine Stange an die Beine geschlagen. Das verursacht einen Schmerz, damit das Pferd beim nächsten Mal höher springt. Ein normales Pferd würde jetzt aber niemals wieder an das Hindernis heranreiten. Der menschliche Ehrgeiz ist das Problem.
Wo wollen Sie hin?
Wir stellen klare Forderungen. Es muss weiter an der so genannten Nulllösung festgehalten werden: Doping und jegliche Medikation des Pferdes, außer Impfungen und Entwurmungen, sind verboten. Kranke Pferde haben nichts im Hochleistungssport zu suchen. Außerdem müssen die Strafen für Dopingsünder erhöht werden. 1.000 Euro (so viel musste Ludger Beerbaum nach der Aberkennung der olympischen Goldmedaille 2004 zahlen, Anm. d. Red.) zahlt ein Reiter aus der Portokasse. Wir fordern null Toleranz. Ein Reiter, der sein Pferd dopt, muss für immer gesperrt werden.
Wie reagiert die FN?
Im Moment hält sich die FN zwar noch bedeckt, die Probleme wurden aber erkannt. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass das kein Schauspiel wird und die Leute doch wieder in die Kader aufgenommen oder die Dopingverbote sogar aufgeweicht werden. Die FN weiß, dass wir dann losprügeln würden.
Wie bewerten Sie die Rolle Ihrer Kollegen, also der Tierärzte, beim Pferdedoping, Beerbaum spritzt sein Pferd ja nicht selbst?
Wir sprechen hier aber nicht über eine ganze Berufsgruppe, sondern über einzelne Tierärzte, die sich auf Doping einlassen. Wettkampfpferde stehen, wie jetzt aufgedeckt wurde, teilweise unter kontinuierlichem Medikamenteneinfluss und werden auf die Turniere hin fit gespritzt. Auch chronisch kranke Tiere, die Probleme an den Beinen oder mit den Atemwegen haben, sind an den Wettbewerben beteiligt.
Nur mal angenommen: Was würde passieren, wenn ich mit einem Pferd zu meinem Tierarzt gehe und sage, dass es morgen fit sein müsse für einen Wettkampf?
Das kommt auf die ethischen Grundsätze des Arztes an und auch darauf, was für einen Kundenstamm er hat. Ein Tierarzt bildet sich seinen Kundenstamm selbst. Die Trennung verläuft zwischen denjenigen, die eine enge Bindung zu ihrem Pferd haben, und denjenigen, die ihr Pferd als Sportgerät betrachten.
Leser*innenkommentare
Eva Maria Limmer
Gast
Liebe Genossen!
Frau Dr.Deininger theorisiert hier ganz richtig.
Leider habe ich sie in der Praxis so ganz anders kennengelernt.
In den letzten zwei Jahren mußte ich leider feststellen, daß der Deutsche Tierschutzbund einen großen Primär-Zweck hat, welcher dem Besucher der offiziellen Homepage auch direkt und von überall her anspringt:
HIER KÖNNEN SIE GERNE SPENDEN!
Leider führt das scheinbar couragierte Theoretisieren aber zu einem Immunisierungseffekt bei den Enttarnten.
Sie merken nämlich irgendwann, daß den Worten niemals wirkliche Taten folgen und die Empörten letztendlich vor einer Sache immer zurückschrecken:
Den entscheidenden Schritt zu vollziehen.
So ist ihr Einsatz leider oftmals kontraproduktiv im Sinne der -realen-Opferrettung.
Die Positionen sind aber wohl recht einträglich und genießen einen erfreulichen Status.
Andererseits: Am Anfang war das Wort!
Mögen diesem dann auch-wirkliche-Taten folgen und vielleicht auch die Selbstanalyse ob man überhaupt kompetent ist.Das Promotionsthema von Elke Deininger deutet auf einen anderen Interessensschwerpunkt hin, als Pferdehaltung und Reiterei.
Cara Simon
Gast
Ich finde es auch eine Schweinerei mit dem Doping und den Mitteln wie man Pferden das "übliche" Reiten beibringt.
Ich selbst spreche aus Erfahrung. Ich gehe nicht auf Spring-, Dressur- oder Rennturniere, ausgenommen Trails und Gelassenheitsprüfungen, die meinem Pferd Spaß machen.
Ich reite anstatt mit Trense und Sattel mit Knotenhalfter und Pad. Doch ich finde es okay, wenn man mit Wassertrense reitet (wenn man es auch kann) jedoch niemals mit Kandare o.Ä.! Ich finde es wichtig, dass meinem Pferd das Reiten genauso Spaß macht wie mir.
[Alter: 14 Jahre]
Cara Simon
Gast
ich finde es auch eine schweinerei das mit dem ganzen doping und mit den mitteln wie man reitet. das weiß ich aus erfahrung. viele reiter wollen nur gewinnen, und es ist ihnen egal wie es dem pferd dabei ergeht, doch ich möchte, dass es meinem pferd gut geht. ich nehme statt sattel und trense usw. knotenhalfter und pet. ich finde es jedoch okay, wenn man mit einer wassertrense reitet (wenn man damit umgehen kann)doch niemals mit einer kandare o.ä.
ich nehme auch nicht an spring- dressur- und rennturnieren teil mit ausnahme von trails und gelassenheitsprüfungen. und das tut meinem pferd gut und es macht ihm spaß.
Annette
Gast
Nulllösung für Doping - ja. Darüber hinaus weiß ich nicht, wie sinnvoll es ist, den Hochleistungssport pauschal zu verurteilen. Was ist mit den Tausenden von Reitern im Breitensport, die in der 3. Generation Null Ahnung von Pferden und vom Reiten haben, vielleichtr Offenstallhaltung bieten, aber dem Pferd im Rücken rum fallen und im Maul rumzerren, weil sie meinen, so was wie Grundlagen der klassischen Reitausbildung nicht nötig zu haben. Da sehe ich mir viel lieber einen Ludger Beerbaum oder einen Rodrigo Pessoa an, die einfach reiten können. Und Pferd wäre ich vielleicht lieber bei einem Spitzenreiter als bei einem, der mich schon seit 4 Jahren talentfrei jeden Sonntag über einen L-Parcours oder durch eine L-Dressur quält.
Antonietta
Gast
Leistung zählt – und der Wille zum Sieg. Kein Wunder, dass bei ehrgeizigen Reitern die Belange der Tiere nicht unbedingt an erster Stelle stehen. Fünf Problemfelder brennen den Tierschützern dabei besonders unter den Nägeln: Doping, Zaumzeug, Pferdehaltung, Trainingsmethoden sowie die grundsätzliche Einstellung der Menschen, die mit Pferden zu tun haben.
Wer würde bestreiten, dass Offenställe für die Pferdehaltung bestens geeignet sind? Die Tiere haben, was sie brauchen: Luft, Licht und Kontakt zu Artgenossen. Vor allem aber die Freiheit, sich selbst für das eine oder andere zu entscheiden. Dennoch stehen die meisten Reitpferde in Deutschland in Boxen und haben nicht genügend Platz und Auslauf, um sich wohlzufühlen.
Am Ende läuft es ganz auf die Einstellung des Menschen hinaus. Denn jeder Pferdebesitzer, jeder Sportler entscheidet für sich, was im Zweifel mehr zählt.
Jost François
Gast
Dass Turnierpferde ab einem bestimmten niveau zum Sportgerät verkommen, dem kann ich nur beipflichten. Gestern hab ich mir ein CSIO Turnier mit hoher internationaler Beteiligung angesehen und man kann sich nur wundern wie ruppig verschiedene Reiter mit ihren Pferden umspringen. Sporen einsetzen scheint erlaubt stundenlanges umherstehen in der Sonne bei 30 Grad, am Abend dann Heimreise von 500 km im Transporter, ist das noch artgerechte Tierhaltung?
Was einem auffällt ist dass fast alle Pferde beim Sprung die Hienterläufe im "Fluge" noch nach hinten katapultieren als hätten sie Angst die Stange zu treffen, man hat ja schon von barring mit Elektroshock gehört aber zumindest das manuelle scheinen diese Pferde schon erlebt zu haben. Naja ich denke ich werde mir solch ein Trauerspiel demnächst nicht mehr zumuten. Wahrscheinlich helfen hier nur wieder Skandale in der Presse oder Demos vor den Wettkämpfen um das Publikum fernzuhalten, nur das kann wirken