Donald-Duck-Sprecher Peter Krause: Ente gut?
Über 30 Jahre war Peter Krause die deutsche Stimme Donald Ducks, doch seit einer Hirnblutung fällt ihm das Quaken schwer. Jetzt kämpft er für ein Comeback.
Peter Krauses erste Erinnerung nach dem Sturz ist das freundliche Gesicht einer Ärztin, die sich zu ihm runterbeugt und fragt, ob sie ein paar Löcher in seinen Schädel bohren dürfe. Krause verneint, viel zu sehr klingt das nach Frankenstein. „Mein Gehirn? No way!“ Er dämmert wieder weg und als er aufwacht sind die Löcher längst gebohrt, der Druck abgelassen, seine Frau hat das Einverständnis gegeben. Irgendwo auf der Berliner Museumsinsel muss die Gehirnblutung ihn vom Fahrrad gehauen haben, dort riefen Passanten den Notruf. Krause weiß nur noch, dass er auf dem Heimweg von einem Abendessen Richtung Mitte abbog. Mit seinem Peugeot-Stadtrad, 18 Gänge, bretterte er überallhin, „sogar bis in den Wedding, scheißegal“.
Empfohlener externer Inhalt
Die Blutung kam aus dem Nichts, Peter Krause war ein gesunder 62-jähriger Mann mit guten Werten. Sie traf die rechte Seite seine Gehirns, was für ihn bedeutet: Sprachzentrum und Erinnerungsvermögen blieben intakt, allerdings ist seitdem, so Krause, „die Karosserie ein bisschen lädiert“. Lähmungen auf der linken Seite, inklusive einer Fazialisparese. Man kennt das von Schlaganfallpatient:innen, die Gesichtshälfte ist taub und hängt. Mit Logopädie lassen sich Unsauberkeiten in der Sprache behandeln. Doch Krauses Fall ist ein besonderer. Er braucht mehr Backenspannung als andere Menschen, denn jahrzehntelang sprach er den deutschen Donald Duck. Weder Software noch Tontechniker waren je beteiligt an dieser Mischung aus Schnattern und Gesprochenem, allein Krauses Stimmbänder und Mundmuskeln.
Als Krause drei Jahre später auf seiner Schöneberger Terrasse den aktuellen Stand seines Quakens demonstriert, fliegt eine verstörte Krähe davon. Er hat damit schon immer gerne Tiere irritiert, besonders Katzen schalten gleich in den Kampfmodus, wenn sie ihn hören. „Duckisch“ ist eben ein animalischer Sound, der bei Krause schon beinahe wieder wie zu seinen besten Zeiten klingt.
Bloß gibt es ein grundlegendes Problem: Durch die Übersetzung ins Deutsche haben die Synchronisationssprecher:innen hierzulande etwa ein Viertel mehr Text als ihre Kolleg:innen in den USA. „Wir mussten immer schon schneller sprechen und jetzt komme ich nicht mehr mit“, sagt Krause. Einmal stand er seit seiner Lähmung im Tonstudio und war in jedem Take mit dem Text einen Tacken hinter dem Bild. Zwischenzeitlich vertrat ihn die niederländische Donald-Duck-Sprecherin, ihr wurde das aber zu viel. Disney hat mittlerweile neu gecastet. Ein Düsseldorfer Schauspieler mache nun seinen Job, „das ist alles, was ich weiß“, sagt Krause. „Ich habe aber schon angekündigt: Wenn ich merke, dass ich wieder gut genug bin, renn ich denen die Türen ein!“
Entenhausen in New York
Peter Krause erzählt das ohne Bitterkeit, die letzten drei Jahre haben ihn gelassener gemacht. Natürlich flippt er manchmal aus, wenn ihm ganz einfache Alltagsdinge viel zu lange dauern oder die Getränkefirma mal wieder beschließt, ihre Glasflaschen jetzt noch fester zuzuschrauben. Aber er ist wieder autark, sagt er. Kann im Grunde alles alleine, sogar Autofahren. Und wenn ihn der Ärger überkommt, findet er immer neue Wege, damit umzugehen: „Scheiße“ sagt er neuerdings auf verschiedenen Sprachen. „Das chinesische Wort zum Beispiel ist sehr witzig – eine Mischung aus la merde und shit.“ Er ruft nun also laut Laashi durch die Gegend, wenn er die Geduld verliert. Klingt wie etwas, das auch Donald Duck tun würde.
Auf Cartoonfiguren traf er erstmals in New York City, als kleiner Junge in den 1960ern. Damals lebte er für ein paar Jahre mit seinen Eltern auf dem Militärgelände Fort Hamilton im Stadtteil Brooklyn. Sein Vater war in Bayern Gefreiter bei der Bundeswehr, und weil er gut Englisch konnte, boten die Amerikaner ihm einen Job beim Zoll in den USA an. Krause erinnert sich an Hamburger in der Tiefkühlabteilung und Milch in riesigen Tetrapaks. Und an gutgelaunte Nachbarn, die seinen Vater mit den Worten „Herbie, let’s have a shooter!“ in die Bar einluden. Von ihrer Wohnung aus konnte man dem Bau der Verrazzano-Narrows Bridge zuschauen und das Riesenrad von Coney Island leuchten sehen. Doch noch eindrücklicher war, was im Fernsehen lief: 16 Kanäle, 24 Stunden am Tag. Familie Feuerstein, Tom und Jerry, die Looney Tunes, Micky Maus und Donald Duck. Krause liebte es in New York, mit seinen Eltern wollte er irgendwann nicht mehr Deutsch sprechen. Heute glaubt er, dass ihm die wenigen Jahre in der Stadt eine Neugier auf die Welt gemacht haben, die er nie mehr losgeworden ist. Als sie zurück nach München ziehen, findet der Siebenjährige alles „irgendwie popelig“, nicht ganz in Farbe.
Was bleibt, sind die Zeichentrickfilme. Stimmkünstler Clarence Nash spricht Donald Duck nicht nur in den USA, sondern auch für den internationalen Markt ein. Die Sommerferien nach der Rückkehr aus New York verbringt Peter Krause bei Verwandten auf dem Land. Sein Cousin weiß, wie man wie Nash quakt und bringt ihm die Grundlagen bei: Zunge an den Gaumen drücken, ein bisschen Spucke sammeln und Luft an einer Seite hindurchpressen. Krause übt immer wieder, den ganzen Sommer lang, und den Herbst und den Winter. Irgendwann merkt er, dass man damit „ganz wunderbare Effekte erzielen kann“. Er quakt seine Eltern nachts aus dem Bett und treibt seine Lehrer in den Wahnsinn.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Krause wird „Linksbackler“, nutzt also die Schwingungen der linken Seite. Das macht es ihm heute so schwer, wieder richtig, richtig gut zu werden. Denn, und das betont er gerne: Duckisch lernen dauert Jahre. Und am besten, man fängt damit in der Kindheit an. Denn Kinder haben Zeit und Geräusche machen hilft gegen Langeweile. „Außerdem sind Kinder noch viel flexibler beim Sprechen, haben eine andere Weichheit in der Backe. Je älter wir werden, desto stärker spannen wir unsere Gesichter an.“
Heute sagt Krause, dass er nur im Donald-Duck-Bereich seines Lebens wirklich perfektionistisch ist. Kurz vorm Abi bricht er die Schule ab, weil er die Schnauze voll hat von Mathematik. Er wird Schlagzeuger, Manager der Band Embryo, Grafiker. Abwechselnd mangelt es entweder an Talent oder Leidenschaft. Noch in München trifft er seine zukünftige Frau, mit der er nach Westberlin zieht. Er wird Taxifahrer und mag daran die Unabhängigkeit, kennt irgendwann jede Abzweigung, jede Ampeltaktung, weiß, dass er „’ne grüne Welle bis Hamburg hat“, wenn er an der richtigen Stelle Gas gibt.
Nach drei Jahren Pause der erste Auftritt
1985 stirbt Clarence Nash und Disney startet einen weltweiten Aufruf. Eine 1a-PR-Aktion sei das gewesen, sagt Krause, natürlich hatten die längst wen. Trotzdem quakt er Kassetten ein, auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und schickt sie nach Amerika. Nach Nashs Tod klingt Donald Duck in Deutschland ein paar Jahre wie ein kaputtes Abflussrohr. Krause ruft beim Fernsehen an, fragt, warum das so sei, er könne das besser. Doch erst 1988, nach dem großen Erfolg des Kinofilms „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ entscheidet Disney, dass Donald Duck in jedem Land ähnlich quaken solle. Und Krause geht zum Casting.
Dort läuft alles schief. Wieder und wieder bittet ihn der Produzent hinter der Glasscheibe, das Skript nochmal vorzulesen. Es gebe da Probleme mit der Technik. Gleichzeitig bemerkt Krause, dass sich der Regieraum füllt, immer mehr Leute quetschen sich hinein. Später erfährt er, dass im Tonstudio rein gar nichts defekt war, man traute bloß seinen Ohren nicht: Da quakte jemand wie Nash!
Bis Anfang 2019 steht Krause in diesem Tonstudio, in manchen Wochen mehrmals, dann wieder monatelang nicht. Es ist ein unsteter Job, den er liebt, der aber zum Leben allein nicht reicht. Er wird Hörfunkjournalist, arbeitet für verschiedene Sender, kommt viel rum. Und er beginnt, mit Donald auf Tour zu gehen. Bei seinen Shows macht er Live-Synchronisationen und erzählt allerlei Trivia aus Entenhausen.
Nach dreijähriger Pause gibt es nun endlich einen neuen Termin: Im Sommer tritt er in seiner früheren Reha-Klinik in Grünheide auf.
Als Walt Disney Anfang der 1930er Jahre Donald Duck erfand, wurde die Figur schlagartig beliebter als Micky Maus. Zum einen lag das am Unterhaltungswert seiner Ausraster, zum anderen am komplexen Charakter dieses Antihelden, der mit immer neuen Problemen konfrontiert wird, scheitert, wieder aufsteht, sich streitet und versöhnt, vor Herausforderungen davonrennt und an ihnen wächst. Krause hat beschlossen, zuversichtlich zu sein. Die 30 Jahre mit Donald Duck kann ihm ja keiner nehmen. Sein Lieblingssatz aus all der Zeit als Ente ist: „Ich bin doch auch nur ein Mensch.“ Darüber lacht er noch heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin