Dokumentationen über Prenzlauer Berg: Kulturschock in Bildern
Das Filmfestival Prenzlauer Berginale zeigt auf einer DVD elf Dokumentationen über den heruntergekommenen Berliner Arbeiterbezirk von früher.

Verboten: „Wozu denn einen Film über diese Leute?“ (R.: Thomas Heise, 1980) Foto: © DEFA-Stiftung/Dagmar Mundt
Es mag schon sein, dass man in der DDR an einem Mangel an Bananen litt, Zigaretten dagegen gab es offensichtlich mehr als genug. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man sich die Sammlung an Kurzfilmen anschaut, die im Prenzlauer Berg gedreht wurden und auf einer DVD zum Stadtteil-Filmfestival „Prenzlauer Berginale“ zusammengetragen wurden.
Da wird im Wohnzimmer gequalmt, bei der Arbeit, auf dem Spielplatz, von Jugendlichen genauso wie von mehr oder weniger Kindern. Wahrscheinlich wäre das bei einer Zeitreise in die BRD der Achtziger – die meisten Fime auf der DVD stammen aus diesem Jahrzehnt – gar nicht so viel anders, rauchen war damals eben einfach noch schick, es fällt halt nur auf.
Und dass man ständig auf derartige Details aus vergangenen Zeiten stößt, dazu noch aus einem untergegangenen Staat und speziell aus einem Ostberliner Stadtteil, den man kaum wiederzuerkennen vermag, das macht unheimlich viel Spaß bei diesen elf Dokumentationen.
Der ganze Straßenzug voller Trabbis, die Hinterhöfe völlig kaputt und unsaniert, die Kohleöfen in den Wohnungen, Supermärkte gab es keine, sondern nur „Kaufhallen“, weil Anglizismen kaum vorkamen im Sprachgebrauch der DDR. Es ist eigentlich noch gar nicht so lange her, dass das der Alltag war in Ostberlin und gleichzeitig kann man kaum glauben, dass es diesen so überhaupt jemals ins unserer Stadt gegeben hat.
Der längst totsanierte Prenzlauer Berg war einmal tatsächlich ein heruntergekommenes Arbeiterviertel. Sich das noch einmal zu vergegenwärtigen, löst regelrecht einen Kulturschock aus. In einem Film wird erwähnt, die Mieten haben damals nicht mehr als drei bis fünf Prozent des Nettoeinkommens eines Bürgers betragen. An der Stelle denkt man sich endgültig: Ist ja verrückt.
Festival wird nachgeholt
Die Prenzlauer Berginale hat in diesem Jahr zum fünften Mal stattgefunden. Zumindest ein bisschen. An vier Dienstagen im März hätte sie im Kino Babylon laufen mit Filmen im und über den Prenzlauer Berg sollen. Ein Termin konnte wahrgenommen werden. Dann kam der Corona-Lockdown. Nächstes Frühjahr soll das Filmfestival nachgeholt werden. Bis dahin hilft die DVD.
Prenzlauer Berginale Kurzfilme 1965 – 2004, DVD, 11,95 €. Zu beziehen u.a. über: www.prenzlauerberginale.berlin
Der Prenzlauer Berg war und ist immer noch gerne Kulisse für Berlin-Filme. Klassiker von „Solo Sunny“ bis „Sommer vorm Balkon“ wurden hier gedreht. Die Prenzlauer-Berginale-Filme dagegen sind eher schmucklose, weitgehend unbekannte Dokumentationen. Kleine DEFA-Filme oder Übungen angehender Regisseure an der Filmhochschule, so auch von dem längst etablierten Dokumentarfilmer Thomas Heise.
Dessen Film von 1980 mit dem Titel „Wozu denn einen Film über diese Leute?“ gehört mit zu den Filmen auf der DVD, die in der DDR gleich verboten wurden. Heise wurde über einen Freund auf ein Brüderpaar aufmerksam gemacht, das er dann porträtierte. Dem Freund wurde von den Brüdern das Motorrad geklaut. Anstatt zur Polizei zu rennen, machte er die Diebe selbst ausfindig und erzählte Heise von den beiden, der sich von diesen dann vor der Kamera aus derem Leben erzählen ließ.
Heises Dozent an der Filmhochschule soll dann die titelgebende Frage gestellt haben: „Wozu denn einen Film über diese Leute?“ Kleinkriminelle hätte es schließlich in der DDR gar nicht geben sollen, da wollte man nicht auch noch Filmemacher auf diese loslassen. Gut, dass Heise sich von dem Einwand nicht abhalten ließ. Es gibt tolle Szenen in dem Film.
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Etwa wie sich die beiden Brüder mit einem Freund in der Kneipe treffen und der ihnen Aufnahmen der neuesten heißen Scheiben aus dem Westen andrehen will. Pink Floyd, Deep Purple, Kraftwerk, alles vorhanden. Oder wie stolz Poster von Paul Stanley und Gene Simmons in vollendeter Kiss-Schminke hoch gehalten werden. Kiss, sagt der eine der Brüder, das sind „ungefähr fünf Mann“, vielleicht, räumt er ein, aber auch nur vier.
Alltagsszenen ohne Kommentare
Irre Plots wie bei Netflix-Dokumentationen oder das nervige An-die-Hand-nehmen des Zuschauers durch einen Erzähler, wie das heute bei den Recherche-Filmen der Öffentlich-Rechtlichen üblich ist, gibt es bei diesen Dokumentationen nicht. Nur in dem Film über das Gaswerk, das dort stand, wo sich heute der Thälmannpark befindet, und das Anfang der Achtziger abgerissen wurde, werden propagandamäßig die Vorteile des sozialistischen Staats gepriesen.
Ansonsten wird einfach nur der Alltag beobachtet, meist ohne groß zu kommentieren, und das reicht völlig aus für interessante Geschichten. Etwa für die über das Denkmal der Käthe Kollwitz am Kollwitzplatz in einem Kurzfilm von 1971. Passanten werden befragt, wie sie es denn finden würden, dass Kinder ständig auf dem Denkmal herumklettern würden. Die meisten sehen das eher kritisch und reagieren typisch deutsch und ordnungsliebend.
Die Pointe kommt zum Schluss und im Abspann als kritischer Seitenhieb gegenüber den spießigen Interviewten. Es wird angemerkt, dass der Erbauer des Denkmals sich ausdrücklich gewünscht habe, dass Kinder auf der gusseisernen Käthe herumtoben.
Leser*innenkommentare
Carl Fischer
Die DVD muss ich haben, die Bilder meiner Jugend, Rauchen, mit geklauten Moppeds rumfahren, herrlich.
Vollkommen richtig übrigens, und nicht nur ein Eindruck, Bananen gab es nur selten, Zigaretten und Schnapps bis zum Abwinken.
Ringelnatz1
@Carl Fischer Bierpreisergänzung1:
Glas Bier 0,25l Preisstufe I0,40 M
Carl Fischer
@Ringelnatz1 Ich schrieb nichts von Geld und Preisen.
Und ein kleines Bier für 40 Pf war dann auch eine entsprechende Plörre. Lassen Sie es sich schmecken.
Ringelnatz1
@Carl Fischer Ach, watt.
Auferstanden aus Ruinen und der Flasche zugewandt.
Trotz Rindergalle, Kubazucker, die Eckkneipen z. B. um die Schönhauser waren voll (Gäste)!
Bornholmer Hütte
...Hier wird nichts geändert. Das letzte Mal wurde hier 1977 in hellbeige gestrichen. Dass es jetzt braun ist, das wurde angeraucht“, sagt Inhaber Matthias Gehrhus und grinst......
www.youtube.com/watch?v=Z3CIsmGnDEk
Carl Fischer
@Ringelnatz1 Ja, ach watt, nisch Volt.
Ringelnatz1
Neuzeit.
Prenzlauer Berg
www.youtube.com/watch?v=KY_3A7PL660
....Ich steh vor dem Schmerzzentrum in der Schönhauser....(Anschließe mich)
Altzeit(längst vergangenes Land)
Schönhauser Allee 1945 - 1986
www.youtube.com/watch?v=6KF9K_bpSpA
In der Rückbetrachtung finde ich diesen Teil für mich interessanter. 1978/79 in Börlin aufgeschlagen. Erst WH, dann Gleimstraße. Es ist toll beim Betrachten der alten Bilder kommen viele Erinnerungen hoch. Wenn ich die Augen zu mache kann ich noch im Kopf den Prenzlauerbergmief abrufen. Ich fang gar nicht erst an über Musik, Kneipen, Caffe Nord, Kinos, Buchhandlungen usw. zu schreiben. Vill zu fille.
...... Die Wohnung hatte 107 Quadratmeter, drei große Zimmer mit Flügeltüren, Stuck an der Decke, Balkon, eine Wohnküche – und vor allem ein Bad.....
...... Dass die Fassade bröckelte, die Haustür kaputt war, der Belag im Treppenhaus Löcher hatte und es hier und dort durch das Dach tropfte, tat der Freude keinen Abbruch. Die Miete von 72 Mark der DDR spielte ohnehin keine Rolle. ......
www.berliner-miete.../mm1014/101420.htm
Das EREIGNIS war natürlich am 9 November Bornholmer(Bösebrücke)!
Helmholtzplatz (Das Haus in dem ich wohne - Lakomy )
www.youtube.com/watch?v=zJZViHtl0vw
Prenzlauer Berg (: City "Der King vom Prenzlauer Berg" (1978) )
www.youtube.com/watch?v=741Xe13TD9w
4813 (Profil gelöscht)
Gast
@Ringelnatz1 Ich hatte 540 DDR-Mark brutto, da waren 70 Mark ganz schön viel Geld. Im Verhältnis so wie jetzt. Dafür Außenklo und Ofenheizung.
Carl Fischer
@Ringelnatz1 Ich werde diese Art der Poesie vom Drei-für-einen-Account nie verstehen. Viele Worte, so gut wie Null Inhalt, dazu ein paar nicht näher beschriebene Links.
Was stimmt da nicht im Obergeschoss. Regnets immernoch durch?
Ringelnatz1
@Carl Fischer Klasse, lassen sie es raus.
Das befreit.
Es wird ihnen besser gehen.
Die Links bestehen aus Bildern und Tönen. So weit mitgekommen?
Diese Töne und Bilder setzt das Gehirn um.
Voraussetzung...... ist eine gewisse Übung!
Lowandorder
@Ringelnatz1 anschließe mich.
unterm——
Ollen Pirsig hat ja mal aus gegebenem Anlaß Bedienungsanleitung zusammen geklempnert.
Fazit - Nicht immer leicht den jeweiligen Empfängerhorizont zu treffen. Gelle.
Verlassen wir also Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten; werrn oxpreußisch
m.youtube.com/watch?v=FPTVpkcrfl0 - S&B - Drei-für-einen-Account - Schnitzelwerk - 🥳 -
Ringelnatz1
@Lowandorder Achten sie bitte auf die Holzwolle....
.. Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten..
Man, mußte det(jetzt) sein!
Jetzt hilft nur noch
Prost Hals, et kütt en Schur.
Dit macht mich fertich, ick glob WMAJS och.
Lowandorder
@Ringelnatz1 💤 💤💤
02881 (Profil gelöscht)
Gast
Danke für den Tip! Die DVD ist schon geordert!
Kleiner Hinweis für MacUser. Die DVD Bestellung lieber in Firefox ausführen. In Safari zickt die verlinkte Website leider ziemlich ...
Carl Fischer
@02881 (Profil gelöscht) Oder gleich bei Ebay versandkostenfrei für 9,90 € bestellen.
Frank Roger
Ach, das gab erstaunlich viele Anglizismen oder Amerikanismen im DDR-Deutsch, Broiler z.B. oder - kommt in einem Film sogar vor - Dispatcher.
Ringelnatz1
@Frank Roger Lokomofeilow (auch Lokomow) – Spaßwort für eine Unmöglichkeit
Sprachgebrauch in the GDR
de.wikipedia.org/w...ebrauch_in_der_DDR
4813 (Profil gelöscht)
Gast
@Frank Roger Da haben sie dich aber Rosinen rausgepickt. Das war es dann mit Anglizismen
Zum Ausgleich haben wir zwei Franzismen aus der ostdeutschen Sprache geworfen, Tunke statt Sauce und Beutel statt Sack.
Vom Letzteren leitete sich auch Beuteltier ab.
Carl Fischer
@Frank Roger Das "Anglizismen kaum vorkamen", deutet wohl kaum darauf hin, dass sie gar nicht vorkamen, nur eben nicht so häufig.
Darüber hinaus sagte bereits der DDR-Schriftsteller Erwin Strittmatter folgendes:
„Wir sind, obwohl russisch verbündet, in der Sprache, in den Moden und Tänzen amerikanisiert, und wer das abstreitet, ist ein Blindling.“