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Doku über von HindenburgSeniler Greis oder tatkräftiger Mann?

Vor 80 Jahren ernannte Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das umfassende Porträt versucht den damaligen Reichspräsidenten zu ergründen.

Fand von Hindenburg wirklich gut, was Hitler so gemacht hat? Bild: dpa

Von Hindenburg – das war doch der Präsident, der Hitler zum Reichskanzler gemacht hat. So viel wissen die meisten von uns. Aber: War der 86-Jährige da noch Herr seiner Sinne? Oder hat Hitler den alten Herrn manipuliert?

Der Film über Paul von Hindenburg von Regisseur Christoph Weinert ist ehrenwert, soviel vorab. Aber Klarheit über von Hindenburgs Rolle in der ersten Phase der Macht der Nationalsozialisten kann auch Weinert in seinem 90-minütigen Werk nicht herstellen.

Von Hindenburg erscheint bei Weinert als typischer Soldat und Monarchist. Aber er war auch Politiker, zumindest in vorgerücktem Alter. Das konnte man schon sehen, als er im Ersten Weltkrieg den Ruhm der gewonnenen Schlachten übernahm, für Schlachten, deren Verlauf eigentlich Ludendorff geplant hatte. Man sah es, als von Hindenburg in einer Art „Militärdikdatur“ das Reich regierte, mit dem Kaiser als Marionette. Man sah es an der geschickt formulierten „Dolchstoßlegende“: Das Heer, so von Hindenburg, sei „im Felde unbesiegt“ geblieben, nur die kleinmütige Heimat habe es in die Niederlage gezwungen.

Von Hindenburg hätte also, als er 1919 seinen erneuten Abschied nahm, einen beschaulichen Lebensabend verleben können. Aber 1925 wurde er, mit 77 Jahren, zum Reichspräsidenten gewählt, und 1932 wieder. Im Januar 1933 dann ernannte er Hitler zum Reichskanzler. Warum?

Nationalsozialisten „erziehen“?

Es lag vielleicht am Chaos, das von Hindenburg in der Zeit vorher erlebt hatte: Die Weltwirtschaftskrise 1929, der „Schwarze Freitag“, die Saalschlachten zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Es lag vielleicht auch am Fehlen eines geeigneten anderen Kandidaten. Etliche Personen waren, zum Teil nur für wenige Monate, Reichskanzler gewesen, ohne Erfolg. Und Hitler brachte nur zwei Gefolgsleute mit ins Kabinett. Man könne die Nationalsozialisten „erziehen“, davon war von Hindenburg überzeugt.

Eine fatale Fehleinschätzung. Als von Hindenburg im Sommer 1934 starb, wurde sein beträchtliches Ansehen durch die Nationalsozialisten genutzt. Doch als sein „politisches Testament“ bekannt wurde, gab es bald Zweifel: Hatten Andere, zum Beispiel Herr von Papen, ihm da was reingeschrieben? Einige Formulierungen schienen nicht zu von Hindenburgs Wortschatz zu passen.

Weinert erzählt das alles durchaus spannend, doch bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack. Weinert findet keine neuen Hinweise, wie von Hindenburg auf die Nazis reagiert hat. Hatte von Hindenburg die Pogrome gegen die Juden gut gefunden? Hatte er wirklich Hitler beglückwünscht, als dieser rund 200 Menschen, die meisten aus der SA, ermorden ließ? Hatte er gut geheißen, dass der Reichswehrgeneral und ehemalige Reichskanzler Kurt von Schleicher – auch er ein von Hindenburg hochgeschätzter Gesprächspartner – erschossen wurde? Man kann und will es sich kaum vorstellen.

Formal geht Weinert durchaus neue Wege: Wenn er mit Fotos arbeitet, setzt er oft einen anderen Hintergrund hinzu. So erscheinen Personen von damals in lebendigerem Setting. Dazu trägt auch bei, dass Weinert in vielen Fotos sich bewegende Elemente einstanzt. Da weht eine Gardine, dort springt ein Springbrunnen, fliegen Vögel, wedelt ein Hund mit dem Schwanz.

Man kann das allerdings auch manieriert finden: Der Zuschauer ist ein weiteres Mal von Weinerts Einfällen abhängig. Ein starres Foto ist ihm anscheinend nicht mehr zuzumuten. Der Sprung zur Geschichtsklitterung ist allerdings nur klein: Es ist durchaus nicht unwichtig, vor welchem Hintergrund, an welchem Ort ein per Foto dokumentiertes Ereignis stattfand.

„Hindenburg“, 8. Januar, 20.15 Uhr, Arte

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