Doku über ukrainische Kriegsversehrte: Heilen, was der Krieg verstümmelt

Zur Behandlung in den Westen: Montag Abend zeigt der NDR die Reportage „Schwer verwundet: Ukrainische Kriegsopfer in deutschen Kliniken“.

Eine Frau im Rollstuhl wirtd eine Treppe hinuntergebracht

Wenn der Aufzug nicht geht, muss improvisiert werden: Oksanas Alltag im Rollstuhl Foto: Dennis Wienecke/Vincent Productions/NDR

HAMBURG taz | Ihnen fehlen Knochenteile, Finger ganze Beine: Oksana, Jevgenij und Igor wurden im Ukraine-Krieg schwer verwundet. So wie Tausende andere Ukrai­ne­r*in­nen auch. Unzählige dort haben während des Jahres, das der Krieg inzwischen dauert, Wichtiges verloren: manche das Leben, viele ihre gesunden Körper, Angehörige, Häuser und Wohnungen. Wie kann man über dieses Leid angemessen berichten?

Etwa, indem man ihm Gesichter gibt und am Beispiel einzelner Menschen erzählt. Diesen Weg sind die Hamburger Alexandra Bidian und Lennart Banholzer gegangen in ihrer Reportage „Schwer verwundet: Ukrainische Kriegsopfer in deutschen Kliniken“. Oksana, Jevgenij und Igor wurden durch Minen oder Granatenbeschuss verletzt und im Rahmen des Hilfsprogramms der EU nach Hamburg transportiert, wo sie etwa im Bundeswehrkrankenhaus behandelt werden. Mehrere Monate lang folgte ihnen das Kamerateam im NDR-Auftrag und dokumentierte so ihre Heilungsprozesse.

Oksana hat beide Beine und vier Finger einer Hand verloren: eine Landmine. Statt den Mut zu verlieren, hat sie danach ihren Lebenspartner geheiratet. Auf Tik Tok ist eines ihrer Postings viral gegangen, auf dem die Beiden auf ihrer Hochzeit zusammen tanzen. Er trägt sie dabei in ihrem Hochzeitskleid. In Hamburg bekam Oksana Beinprothesen. Inzwischen leben auch ihr Ehemann und ihre beiden Kinder hier.

Jevgenij hatte schon zwei erwachsene Söhne, als er sich freiwillig zum Dienst an der Waffe meldete. Ein Granatsplitter zerstörte dem hauptberuflichen Journalisten einen Teil des Schienbeins; ein langer, komplizierter Heilungsprozess ist nötig, bis er wieder ohne Krücken laufen kann.

Auch Igor ist kein ganz junger Mann mehr: Viele Jahre lang war er Berufssoldat, verlor durch eine Mine ein Bein. In Deutschland nun wartet er ungeduldig darauf, dass er seine endgültige Karbonprothese bekommt und wieder gut laufen kann – er will unbedingt wieder zurück zu seiner Einheit an die Front.

„45 Minuten – Schwer verwundet: Ukrainische Kriegsopfer in deutschen Kliniken“ läuft am Montag, 13. 2., um 22 Uhr im NDR-Fernsehen und ist auch online verfügbar

Mit ihren unterschiedlichen Verletzungen, Leidensgeschichten und Persönlichkeiten wurden die drei Prot­ago­nis­t*in­nen klug ausgewählt. Bidian und Banholzer zeigen, wie die drei in Hamburg leben, aber auch, wie das Hilfsprogramm organisiert ist: Die Filmemacherinnen sind dabei, als ein norwegisches Hospitalflugzeug mit Kranken an Bord auf dem Hamburger Flughafen landet. Und als ehrenamtliche Hel­fe­r*in­nen vom Verein „Feine Ukraine“ den dreien bei ihrer Ankunft und Integration in Deutschland helfen. Einer der dramatischen Höhepunkte der Reportage: der Besuch eines Konzerts der bekanntesten ukrainischen Popgruppe, Okean Elzy, in Hamburg.

Aber auch hier wird sachlich erzählt. Die Fil­me­ache­r*in­nen verzichten großteils auf emotionale Filmmusik oder Nahaufnahmen trauriger Gesichter, und so wirkt ihr Film nie manipulativ oder sentimental. Er wird auch nicht voyeuristisch, bleibt distanziert auch bei den wenigen Aufnahmen von Wunden oder Beinstümpfen. Gerade dadurch macht er deutlich, wie tief die Verletzungen bei Oksana, Jevgenij und Igor tatsächlich gehen: Denn auch wenn das Kamerateam sie über mehrere Monate begleitet hat, wird kei­ne*r von ihnen am Schluss als geheilt entlassen.

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