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Konzert von ukrainischer Band Okean ElzyNie wieder loslassen!

Die ukrainische Rockband Okean Elzy hat am Dienstagabend im vollen Berliner Metropol gespielt. Wie kamen ihre ukrainischen Songs hier an?

Kennen sich gut aus in Lviv: Okean Elzy Foto: Maksym Getman

Der junge Mann mit dem Tambourin verpasst seine Einsätze. Etwas versteckt steht er am hinteren Bühnenrand und gönnt sich einen Schluck Wasser. Miloš Jelić sticht mit seinem Arm ein imaginäres Loch in seine Richtung und schüchtern reaktiviert der Perkussionist sein Instrument.

Jelić wirft seine Haarmähne nach vorne und haut in die Keybordtasten, was das Zeug hält. Als Elder Statesman der ukrainischen Band Okean Elzy weiß Jelić, wie der Hase läuft, und zeigt dem Neuzugang den Rhythmus an.

Vor beiden steht Wladimir Opseniza. Er widmet sich dem Bass und spielt ihn mit stoischer Ruhe. Das steht in einem witzigen Gegensatz zu Jelić’ expressivem Gehabe. An der Rampe springt Swjatoslaw Wakartschuk wie ein Gummiball auf und ab, hält inne und singt.

Das Publikum dirigieren

Okean Elzy, die ukrainische Rockband, in der Heimat kultisch verehrt, gibt am Dienstagabend im Berliner Metropol ein Konzert. Wakartschuk, seit 30 Jahren im Biz, ist Vollprofi, dirigiert das Publikum und nutzt die gesamte Fläche für seine Bühnenchoreografie.

Die Dramaturgie des Abends schafft neben den Einpeitschersongs immer wieder Inseln der Kontemplation. Wakartschuk schreibt seiner Band, die er 1994 im westukrainischen Lviv mitbegründet hat, die Songs auf den Leib. Okean-Elzy-Melodien sind eingängig, die ukrainischen Songtexte atmen Poesie. Es ist anschlussfähige Gebrauchslyrik, in der man sich wiederfinden kann. Und die durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine größere Dimension, nicht selten eine neue Bedeutung erfahren hat.

Zum Beispiel das Lied „Misto Vesny“ (Stadt des Frühlings). Es ist eine melancholische Liebeserklärung an Lviv, die Metropole, in der Wakartschuk aufgewachsen ist. Als der 49-Jährige das Lied in Berlin singt, bleibt er vorne am Bühnenrand, kniet vor dem Publikum und singt.

Spaziergang durch Lviv

„Warum träume ich nicht davon, wie wir wieder und wieder durch Lviv schlendern?“ Mit ihren Songs füllen Okean Elzy in der Ukraine große Stadien. Ins Berliner Metropol sind gut tausend Zuschauer gekommen.

Wakartschuks Charisma strahlt bis in die hinterste Ecke des Konzertsaals. Die Setlist gibt einen Vorgeschmack auf das neue Album, bei dem Okean Elzy das erste Mal auf Englisch singen, um die Sichtbarkeit der Ukraine zu erhöhen. Als zweite Zugabe spielt die Band den Hit „Obijmy“ (Umarme mich) aus dem Jahr 2013. Wakartschuk dichtete damals und singt heute: „Es wird der Tag kommen, an dem der Krieg zu Ende ist. In dem ich mich verloren habe und den Boden sah / Umarme mich /Lass mich nie wieder los.“

Okean Elzy hat seit dem 24. Februar 2022 unzählige Male im Beisein von ukrainischen Sol­da­t:in­nen gespielt. In Berlin geht Sänger Wakartschuk singend durchs Publikum. Und formt ein Herz, bevor er von der Bühne abtritt.

Falls jemand für die Schellenkranz-Performance gesucht wird, ich mach das gerne!

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