Doku über deutsche Entertainer-Ikone: Das deutsche Trauma weggelacht
20 Millionen Zuschauer schauten zu, wenn Heinz Schenk die alte BRD mit Nonsens und sexistischen Witzen unterhielt. Eine Doku erinnert an sein Werk.
![Eine Frau und ein Mann in einer Fernsehsendung. Sie hält einen Krug in der Hand Eine Frau und ein Mann in einer Fernsehsendung. Sie hält einen Krug in der Hand](https://taz.de/picture/7403975/14/37197930-1.jpeg)
Man kannte ihn. Es war ja auch wirklich schwer, an Heinz Schenk vorbeizukommen. Drei TV-Programme gab es damals in der alten Bundesrepublik. Im Ersten sang man, witzelte und trank Äppler aus dem Bembel, im ZDF kam vielleicht ein US-Spielfilm in der xten Wiederholung und das Dritte lieferte eh noch kein vollwertiges Programm.
Und so kam es, dass nicht selten 20 Millionen Menschen eingeschaltet hatten, wenn Heinz Schenk zu seiner Show „Zum Blauen Bock“ lud. Ein Phänomen, dem sich der hessische Rundfunk mit einer Doku zum 100. Geburtstag dieses Königs der Schlüpfrigkeiten zu nähern versucht.
Einer Frau allzu offensichtlich in den Ausschnitt starren, eine kleine Anzüglichkeit darüber, wie das Eheleben unter der geteilten Bettdecke aussehen kann oder irgendeine Bemerkung über die Qualifikation von Frauen beim Einparken von Autos: Auf Schenk war Verlass.
Die unmöglichsten Pointen reihte der Sprücheklopfer, der seine Haare mit feinster Brillantine fest am Schädel zu befestigen pflegte, aneinander. Er wusste genau, was er da in den sagenhaften 208 Ausgaben seiner Show von den 1960er- bis 1980er-Jahren präsentiert hat. Und dass man eigentlich nicht sagen durfte, was er da abgesondert hat.
„Der 20 Millionen Mann – Entertainer Heinz Schenk“, 20.15 Uhr, HR oder Mediathek
Und so nuschelte er nach seinen billigen Pointen immer etwas ins Mikro, das wie eine Entschuldigung klang: Ist doch nicht so ernst gemeint. Die Botschaft war klar: Wir sind anständige Leute und wollen hier bloß einmal unseren Spaß haben.
Den sieht man den Menschen an, die in den Ausschnitten, die Regisseur Sven Waskönig zusammengestellt hat, kräftig mitklatschen, wenn Schenk oder seine Gäste einen volkstümlichen Schlager vortragen und ihre Körper in Wallung bringen, als wären sie leistungsorientierte Schunkler. Oder wenn Freddy Quinn sie mitnimmt zu einem frivolen Ausflug auf die „Reeperbahn nachts um halb eins“.
Typisch deutsche Geschichte
Es ist zu sehen, wie sie sich diebisch freuen, wenn die vier schwarzen Männer des Golden Gate Quartetts das deutsche Volkslied „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ vortragen. Grauenhaft? Schon. Aber auch nachvollziehbar. Das meint Tina Bode in der Doku, die Publizistin, die sich Zeit ihres Schaffens mit den Leiden der Kriegsgeneration beschäftigt hat. Die Leute wollten weglachen, -klatschen, -trällern, was sie erlebt und getan hatten.
Schenk hat auch so eine typische, deutsche Geschichte. Über die hat er nur ungern gesprochen. Er war Soldat und kam aus einer Familie, die man zu seiner Zeit wohl als zerrüttet bezeichnet hätte. Mit seiner Frau Gerti lebte er in einer Villa mit Swimmingpool in Wiesbaden, die so Gelsenkirchnerisch barock eingerichtet war, dass man sie auch zu seinen Lebzeiten gewiss nicht als nobel bezeichnet hätte.
Kinder hatte das Paar nicht. Warum eigentlich nicht, wird er einmal gefragt. Sie hätten es schon probiert, so sei es ja nicht, antwortet Schenk mit geschürzten Lippen und erntet einen Lacher. Ein echter Schenk.
Wer das nicht ausgehalten hat, konnte sich bald umorientieren. Die Zahl der Sender wuchs. Freunde der Beatmusik hatten sich da längst aus der Schlagerhölle des „Blauen Bocks“ verabschiedet, in denen Gewächse wie das Volksmusikduo Marianne und Michael ihre ersten großen Auftritte hatten.
Auch wenn Schenk in der Doku als aus heutiger Sicht beinahe unerklärliches Phänomen geschildert wird, das mit der letzten Sendung ein Ende gefunden hat, so lebte er doch weiter in all den Volksmusiksendungen, den Ballermannschlagern, dem besoffenen Sexismus, der in alkoholgetränkter Stimmung in Bierzelten bei einem zünftigen „Leyla“ laut herausgegrölt wird.
Es kann eben auch heute noch so schrecklich lustig sein wie zu Heinz Schenks Zeiten. Darauf einen Äppler!
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