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Doku über Bill CosbyGenug geschwiegen

Der Spartensender A&E zeigt „Bill Cosby – Frauen brechen ihr Schweigen“, in der Opfer über ihre Vergewaltigungsvorwürfe sprechen.

Die Frauen, die ihr Schweigen über Bill Cosby brechen. Foto: A&E

Klar, Schlagzeilen wird diese Doku nicht mehr produzieren. Das hat sie schon mehr als genug, als sie im September des vergangenen Jahres im US-Fernsehen lief. Dennoch lohnt es sich für all jene, die den Sender A&E empfangen, ihn mal zu suchen und sich eine Stunde Zeit zu nehmen (oder auf Abruf bei Sky Go), um den Film um Superstar Bill Cosby und die gegen ihn erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe zu sehen. Denn wer in Deutschland hat bis auf die kurzen Meldungen je mehr über die vermeintlichen Opfer Cosbys erfahren?

Die Doku gibt all den Schlagzeilen Gesichter. 13 Frauen schildern den Missbrauch, wie sie betäubt wurden, die Vergewaltigungen. Und sie wirft die Frage auf, warum all diesen Geschichten so lange kein Glaube geschenkt wurde – und dieses Problem wird am anschaulichsten durch zwei Männer: Hannibal Buress und Joseph Phillips.

Buress ist ein Stand-up-Comedian. Keiner aus der ersten Garde, aber berühmt genug, dass seine Auftritte gefilmt und ins Netz gestellt werden. Im Oktober 2014 nannte Buress Bill Cosby auf der Bühne einen Vergewaltiger. Das Video verbreitete sich im Netz. Und plötzlich war das Thema obenauf.

Dabei hatten viele Frauen schon seit Jahren darum gekämpft, dass ihnen Gehör geschenkt werde. Die Vorwürfe gegen Cosby – „Mehr als 50 Frauen haben Bill Cosby der sexuellen Gewalt, der Betäubung oder der Vergewaltigung bezichtigt“, heißt es am Anfang der Doku – sind nicht neu, 2005 wurde der Schauspieler gar angezeigt (es folgte bald darauf eine außergerichtliche Einigung), doch die nötige Aufmerksamkeit bekamen sie erst nach eben jenem Auftritt von Buress.

Die Doku

"Bill Cosby - Frauen brechen ihr Schweigen", Sa., 27.2, 20.15 Uhr, A&E und auf Abruf bei Sky Go

Und Phillips? Der war ein Kollege von Cosby in dessen megaerfolgreicher Sitcom „Die Bill Cosby Show“. Phillips war der Schwiegersohn von Dr. Cliff Huxtable (Cosby). Die Serie lief von 1984 bis 1992. Phillips erzählt in der Doku von Gerüchten, die es damals gegeben habe. Aber was waren schon Gerüchte? Auch als die Anschuldigungen gegen Cosby öffentlich wurden, glaubte er diese nicht. Bis sich eine Freundin, die ebenfalls von Cosby missbraucht worden sein soll, an ihn wandte und ihre Missbrauchsgeschichte erzählte. „Glaubst du mir?“, fragte sie am Ende. „Ich glaube dir“, sagte Phillips.

Ein abscheuliches Bild

Dabei ist im Rückblick kaum zu erklären, warum es so lange brauchte, die Öffentlichkeit und allen voran die Männer zu überzeugen. Und warum es dafür erst einen Mann auf einer Bühne brauchte. Denn wer die 13 Frauen in der Doku sieht und hört, bekommt ein abscheuliches Bild präsentiert. Da ist zum Beispiel Joan Tarshis. Heute 67 Jahre alt. 1969 traf sie Cosby. Sie war damals Anfang 20, eine aufstrebende Comedyautorin. Er mixte ihr im Backstagebereich seiner Show einen Drink. „Das Nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, wie er meine Hose auszog. Und ich sagte schnell, dass ich eine vaginale Infektion hätte. Das war eine Lüge. Also steckte er sein Mannesteil in meinen Mund. Bis er fertig war.“ Dann gab Cosby ihr zehn Dollar für ein Taxi nach Hause. So erzählt sie es. Und so oder ähnlich erzählen es zwölf weitere Frauen.

Warum sie alle erst lange schwiegen? „Weil es so erniedrigend ist“, sagt Victoria Valentino, Ex-Playmate, der Cosby ein paar Pillen gegeben haben soll, damit sie sich ein bisschen besser fühlte – nachdem sie kurz zuvor ihren sechs Jahre alten Sohn verloren hatte. Er war ertrunken. Auch Valentino beschuldigt Cosby der Vergewaltigung. „Wer würde mir glauben? Cosby war Doktor Huxtable, Amerikas beliebtester Papa“, sagt Barbara Bowman, die 1989 sogar zum Anwalt gegangen war – und ausgelacht wurde. Bis sie 2014 mit einem Artikel in der Washington Post die zweite Lawine der Anschuldigungen gegen Cosby lostrat.

Barbara Bowman ging 1989 zum Anwalt – und wurde ausgelacht

Die Doku setzt die meisten der Frauen in eine künstliche Atmosphäre. Ein Studio. Scheinwerfer. Kameras. Klappen. Botschaft: Die Frauen sitzen hier bewusst im Fernsehen.

Aus dem hält sich der Fernsehveteran Cosby, mittlerweile 78 Jahre alt, spürbar raus. Er lässt Anwälte sprechen. Er bestreitet alle Vorwürfe, von denen die meisten strafrechtlich eh verjährt sind.

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1 Kommentar

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  • Scham ist ein Grund dafür, warum Opfer so lange schweigen. Diese Scham ist im gesellschaftlichen Umgang mit sexueller Gewalt, mit den Tätern und den Opfern begründet. „Warum hat es so lange gebraucht, die Öffentlichkeit und allen voran die Männer zu überzeugen?“. Gute Frage, der man nicht gleich wieder durch den Hinweis auf das „lange Schweigen der Opfer“ ausweichen darf. Denn auch wenn die Opfer nicht mehr schweigen, hat das noch lange keine Konsequenzen für die TäterInnen. Den Opfern zuzurufen, sie sollten das Schweigen brechen, ist angesichts einer gesellschaftlichen Mauer der Abwehr, des Desinteresses, der Beschämung und der Täterkollaboration mehr als unfair. Zumal der Bill-Cosby-Fall nicht der einzige ist, in dem die Opfer so laut schreien und ihr Schweigen so oft brechen können, wie sie wollen: es interessiert einfach niemanden. Erinnert sei an die beiden Betroffenen, die den systematischen sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule bereits 1999 öffentlich machten. Was ist daraufhin passiert? Nichts. Es hat weitere 11 Jahre gedauert, bis die Straftaten endlich tatsächlich zu Konsequenzen führten. 11 Jahre, in denen die TäterInnen weitere Opfer missbrauchten und Verjährungsfristen verstrichen. Das Schweigen der Opfer hängt direkt mit dem gesellschaftlichen Umgang mit sexueller Gewalt zusammen. Die Gesellschaft muss endlich den TäterInnen die Komplizenschaft verweigern und die Opfer ernst nehmen. Guardian-Kollumnistin Deborah Orr: „It has often been said that the most important thing is for the victims of sexual crime to be listened to. But that’s not true. The most important thing is for potential perpetrators of sexual crime to know that their victims will be listened to.” (http://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jan/22/lord-bramall-would-not-need-apology-if-we-changed-our-attitude-to-sex-crimes)