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Documenta in den MiesenHiobsbotschaft zur Unzeit

Die Weltausstellung hat sich gnadenlos verkalkuliert. Eine Insolvenz sei nur durch eine Bürgschaft in Millionenhöhe verhindert worden, so ein Bericht.

Publikum ist trotzdem da (im Bild: in Kassel) Foto: dpa

Spott ließ nicht lange auf sich warten. Sobald die Nachricht über die massiven Defizite der documenta14 bekannt wurde, fragten die ersten hämisch nach, ob es letztlich das gewesen sei, was das „Museum der 100 Tage“ getreu seines Mottos von Athen gelernt habe: Schulden machen.

Es klingt desaströs, was die Lokalzeitung HNA verkündete: Eine Insolvenz der Documenta GmbH sei nur durch Bürgschaften in Millionenhöhe verhindert worden. Die Documenta habe sich mit dem Budget von 37 Millionen Euro gnadenlos verkalkuliert. Geschäftsführung und Aufsichtsrat haben sich bis dato nicht konkret geäußert. Laut jüngster, nicht offiziell bestätigter Angaben, habe die Ausstellung mit ihren zwei Standorten zwölf Millionen Euro mehr gekostet als geplant. Kurz vor Abschluss der Weltausstellung kommt diese Hiobsbotschaft zur Unzeit.

Man hätte dieser Documenta, die bei der Kritik zu Recht durchgefallen war und mit ihren überhöhten moralischen Ansprüchen und einer als Arroganz empfundenen mangelhaften Kunstvermittlung das Publikum mehr frustrierte als faszinierte, dennoch ein versöhnlicheres Ende gewünscht. Kurator Adam Szymczyk mag vieles falsch gemacht haben, Mut und Kompromisslosigkeit, mit der er seine Ideen verfolgte, sind durchaus bewundernswert.

Fatal ist es aber, in einer Ausstellung den Kapitalismus anprangern zu wollen und gleichsam eine Institution in die Miesen zu stürzen. Aus Kompromisslosigkeit darf nicht Maßlosigkeit folgen, schon gar nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dass Kunst defizitär ist und viele Institutionen mit unzureichenden Mitteln hantieren, ist andererseits ein offenes Geheimnis, ebenso was die Alternative zu staatlichen Subventionen ist.

Dass sich die Documenta 14 mit der Auswahl der Positionen vom Kunstmarkt abgegrenzt hatte, gehört wie der Wagemut, an die Grenzen der Institution zu gehen, zu ihren Stärken. Ob es an steigenden Kosten für den Ausflug nach Athen lag oder an generellem Missmanagement, wird sich noch herausstellen. Der größte Verlierer der Debatte steht indes schon fest: die Kunst selbst.

Das finanzielle Fiasko der Weltausstellung für zeitgenössische Kunst ist Wasser auf den Mühlen von Kulturpessimisten wie Populisten. Wenn der Skandal zur Folge hat, dass sich noch mehr Besucher nicht nur von der Documenta, sondern sogar von Kunstausstellungen an sich zurückziehen, wäre das die wahre Katastrophe. Jetzt heißt es Schaden abzuwenden von der Institution Documenta wie dem ­Ansehen der Kunst.

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1 Kommentar

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  • Toll !! Kunst macht sichtbar, was man sonst nicht sieht! Wer nicht hinschaut, kann nichts sehen! Euer Text zeigt es deutlich: "Fatal ist es aber, in einer Ausstellung den Kapitalismus anprangern zu wollen und gleichsam eine Institution in die Miesen zu stürzen." Das beschreibt sogar den aktuellen Wahlkrampf.

    Es passt zum Zustand unserer Kultur: "Rettung Griechenlands" durch den RA Dr.W. Schäuble, Günter Grass Gedicht "Europas Schande" bis aktuell Peter Lenk in Überlingen am Bodensee http://www.ueberlingen.de "40 Jahre Zoff und Zwinkern" mit der Europa auf dem Plakat. Die "Retter" hängen an der Europa: Der Polit-Veteran auf dem Kopf, Schwarzgeld-Junkie im Nacken, Kredit-Vampirin saug an der Brust und Export-Weltmeisterin als Standpunkt.

    Europa war ein griechischer Mythos. Geld, Geld, Geld hat die Götter verdrängt. Politiker, Banker und Manager nuckeln, saugen und schmatzen an Europas Brüsten im Zeichen des Neoliberalismus Alternativlos. Europas Staaten werden gemolken von einer technokratischen Elite, die weder die Phantasie von Zeus noch die Sinnlichkeit einer Europa hat." (Peter Lenk)

    Die taz hat auch den Auftrag sichtbar zu machen, was man sonst nicht sieht oder sehen will.