piwik no script img

Diversität bei der FDPKeine Zeit für Vielfalt

Der Verein Liberale Vielfalt möchte offizielle Vorfeldorganisation der FDP werden. Aber das klappt nicht – obwohl sich die Mehrheit dafür ausspricht.

Die FDP: „Machen, was wichtig wird“ Foto: Christoph Soeder/dpa

taz | berlin Der zweite Tag des Bundesparteitags der FDP in Berlin beginnt gleich mit einem Missverständnis. Kurz brandet Jubel an einer Stelle im Saal auf. FDP-Mitglied Mirwais Wafa freut sich. Etwas zu früh, wie sich kurz darauf herausstellt. Es geht um einen Antrag, der anstrebt, die Liberale Vielfalt zu einer offiziell anerkannten Vorfeldorganisation der FDP zu machen. Es ist ein 2020 gegründeter FDP-naher Verein, der Menschen mit Migrationshintergrund, Jüdinnen und Juden sowie Spät­aus­sied­le­r:in­nen für liberale Politik begeistern will.

Die Delegierten haben abgestimmt und über 70 Prozent befürworten das Anliegen. Der Antrag sei erfolgreich, heißt es zunächst. Doch kurz darauf wird diese Aussage widerrufen. Doch nicht. Es brauchte für diese Satzungsänderung eine doppelte Mehrheit, also zusätzlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Stimmberechtigten. Dafür waren aber nicht genügend Delegierte im Raum. Kurz kommt die Idee auf, die Wahl zu wiederholen. Aber das passiert nicht. Keine Zeit.

Wer sich allerdings im Saal umschaut, könnte durchaus meinen, dass sich die Partei diese Zeit nehmen sollte. Es ist schließlich die Partei, an der ohnehin das Image klebt, ein porschefahrender Männerverein zu sein. Mirwais Wafa ist jedenfalls enttäuscht.

Er selbst konnte nicht mit abstimmen, er ist kein Delegierter. Wafa ist seit 2021 FDP-Mitglied – und er ist Mitglied bei der Liberalen Vielfalt. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Antrag abgelehnt wird“, sagt er. Im Vorfeld habe es geheißen, der Antrag werde durchgehen. Auch der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist Mitglied bei der Liberalen Vielfalt und unterstützt deren Anliegen. „Ich finde es schade. Vielfalt muss doch im Vordergrund stehen“ sagt Wafa und möchte, dass man über den Vorgang nochmal diskutieren sollte. „Ein Weltuntergang“ ist es für ihn dennoch nicht. Beim nächsten Bundesparteitag könnte man den Antrag erneut stellen.

Ähnlich gelassen zeigen sich die beiden Bundesvorsitzenden der Liberalen Vielfalt, Julian Barazi und Irene Schuster. “Obgleich nicht so viele Delegierte im Raum gewesen sind, wie es wünschenswert gewesen wäre, trotzdem hat ein Großteil für uns gestimmt, das ist ein positives Signal“, sagt Schuster. Barazi sieht das auch so. Zudem findet er: “Das Image der alten weißen Männerpartei ist falsch. Die FDP war die erste Partei mit einem Deutschen mit Migrationshintergrund an der Spitze, die erste mit jemanden, der homosexuell war, an der Spitze“, zählt er auf. Es ist eine Anspielung auf Philipp Rösler und Guido Westerwelle.

Schaut man sich den aktuellen Bundestag an, sieht es in puncto Diversität eher mau aus – nicht nur was den Frauenanteil angeht. Einer Recherche des Mediendienstes Integration zufolge haben nur 11,3 Prozent aller Abgeordneten im Bundestag einen Migrationshintergrund. Die FDP-Fraktion schneidet dabei ziemlich schlecht ab. Nur 5,4 Prozent der Fraktionsmitglieder haben einen Migrationshintergrund, in der Unions-Fraktion liegt der Anteil bei 4,1 Prozent. Zum Vergleich: In der Linksfraktion sind es 28,2 Prozent, bei der SPD 17, bei den Grünen 14,4 Prozent.

Die beiden Co-Vorsitzenden der Liberalen Vielfalt betonen, dass ihr Verein sich bewusst an drei Gruppen richtet: Menschen mit Migrationsgeschichte, Jüdinnen und Juden und Spätausiedler und Spätaussiedlerinnen. „Wir wollen uns damit abgrenzen von den eher linkeren Migrantenorganisationen, die direkt Terminologien aus der USA importieren und zum Beispiel von Bipocs sprechen“, erklärt Barazi. Bipoc steht für Black, Indigenous, People of Color. „Mit Blick auf die deutsche Geschichte kann man doch nicht über Menschen mit Marginalisierungserfahrungen reden, ohne deutsche Juden mitzudenken“ erklärt Barazi. Er ist überzeugt, es gäbe “noch viel zu tun“. Aber er ist sich auch sicher, beim nächsten Mal wird es klappen mit der Vorfeldorganistion.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ist das nicht nach dem Geschmack des Salon-Liberalen, wenn die Minderheiten brav für einen Platz am Katzentisch anstehen und dann nicht murren, wenn es mangels Interesse der Delegierten nicht klappt?

  • ...schreiben wir 1923 oder 2023 ?